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Besuch auf Malta: Stärkung des Dialogs zwischen deutschen und maltesischen ParlamentarierInnen

Die interfraktionellen ParlamentarierInnengruppen des Deutschen Bundestages pflegen weltweit bilaterale Kontakte zu KollegInnen anderer nationaler Parlamente. Die entstehenden Kooperationen fördern den politischen Dialog bis hin zu persönlichen Freundschaften. Um einen kontinuierlichen persönlichen Austausch zu gewährleisten, um gegenseitig Informationen, Meinungen und Erfahrungen über alle Arbeits- und Lebensbereiche auszutauschen, besuchen wir uns in unseren Partnerschaftsländern jeweils einmal pro Legislaturperiode.

Fünf Mitglieder der Deutsch-Maltesischen ParlamentarierInnengruppe besuchten unter meiner Leitung als deren Vorsitzende während des Zeitraums vom 23. bis 26. Mai 2016 Malta. Zur Delegation gehörten Marlene Mortler (CSU), Lothar Riebsamen (CDU), Christel Voßbeck-Kayser (CDU) und Dr. Valerie Wilms (Bündnis 90/Die Grünen). Es war ein auf allen Ebenen erfolgreicher und spannender Besuch. Alle Diskussionsrunden erfolgten in einer offenen und freundschaftlichen Atmosphäre und vermittelten uns einen umfassenden Überblick über den aktuellen Stand der maltesischen Politik, Wirtschaft und der sozialen Bedingungen. Während unseres Treffens mit der Maltesisch-Deutschen Freundschaftsgruppe sprach ich eine Einladung zu einem Gegenbesuch nach Deutschland aus. Diese wurde dankend angenommen. Der Besuch wird voraussichtlich im November 2016 erfolgen.

Schon vor Beginn des offiziellen Delegationsprogramms traf ich mich mit dem Präsidenten des Deutsch-Maltesischen Zirkels (DMZ), Herrn Arthur Ciantar, sowie weiteren Vorstandsmitgliedern. Da auf Malta kein eigenes Goethe-Institut existiert, ist die einzige deutsch-maltesische Kulturgesellschaft, der „Deutsch-Maltesische Zirkel“, quasi das Gesicht Deutschlands auf Malta. Aufgesucht habe ich auch das "Messina Palace", ein in Valetta zentral gelegenes 400 Jahre alter Stadtpalast. Dieses Gebäude wurde mit finanzieller Unterstützung der Bundesrepublik Deutschland 1989 erworben und dem DMZ übertragen. Es liegt in unserem ureigenem Interesse, das Deutschlandbild auf Malta weiterhin positiv zu festigen, unter anderem durch die Möglichkeit, die deutsche Sprache zu erlernen. Unsere kulturelle Vertretung ist angesichts der vielfältigen Veränderungen in der Region von herausragender Bedeutung. Wir wollen eine tragfähige Unterstützung leisten, insbesondere da Malta im ersten Halbjahr 2017 die EU-Ratspräsidentschaft übernimmt und weil Valletta 2018 Kulturhauptstadt Europas sein wird. Ich werde mich in den kommenden Monaten für diese Unterstützung stark machen.

Montag, 23. Mai 2016: Besuch in der Deutschen Botschaft, bei EASO, Treffen mit der Staatspräsidentin, dem Innenminister und Mitgliedern der Deutsch-Maltesischen Parlamentarischen Freundschaftsgruppe

Nach der Anreise und Ankunft in Valletta, Maltas Hauptstadt, erfolgte als erstes ein Briefing durch Botschafterin Gudrun Sräga in der Deutschen Botschaft. Das Besondere an dieser neuen Botschaft ist die enge Bürogemeinschaft u.a. mit der Niederländischen Botschaft. Ich finde es ist ein wunderbares Modell gelingender europäischer Zusammenarbeit.

European Asylum Support Office (EASO)     

Der nächste Termin fand im European Asylum Support Office (EASO) statt. Der Hauptsitz des Europäischen Unterstützungsbüros für Asylfragen befindet sich im Grand Harbour von Valletta. Das Mandat des EASO konzentriert sich hauptsächlich auf folgende drei Aufgaben:

  1. die Intensivierung der praktischen Zusammenarbeit zwischen den europäischen Mitgliedstaaten im Asylbereich,
  2. die Unterstützung der Mitgliedstaaten mit einer hohen Migration durch Geflüchtete mit Sofortmaßnahmen, einschließlich der Entsendung von Asyl-Unterstützungsteams,
  3. die  Mitwirkung bei der besseren Umsetzung des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems durch die Sammlung und den Austausch von Informationen.

José Carreira, Exekutivdirektor, erläuterte die zahlreichen Herausforderungen Maltas durch die vergleichsweise sehr hohe Zahl an ankommenden Geflüchteten.

Er beschrieb auch die großen Veränderungen, die das EASO in den letzten Monaten durchlaufen habe. Zu den Perspektiven gehört, dass die EU-Kommission plant, das Büro in eine Agentur umzuwandeln. Um ein einheitliches europäisches Asylsystem zu ermöglichen, sei die Einhaltung der Zusagen der EU-Mitgliedstaaten und die Reform von Dublin III notwendig. Obwohl EASO in den letzten Monaten von den Parlamenten sowohl bei Budget als auch Personal deutlich aufgestockt wurde, fehlen in der Praxis die ExpertInnen überall: Nicht alle Mitgliedsstaaten hätten die versprochenen ExpertInnen, insbesondere auch DolmetscherInnen mit Kenntnissen in den Hauptsprachen der MigrantInnen, schon tatsächlich entsandt. Des weiteren würden die Qualifikationen vieler KandidatInnen nicht dem Anforderungsprofil entsprechen oder sie würden nicht für die notwendige mindestens sechswöchige Dauer entsandt. Mein Eindruck: Er hofft auf die Unterstützung der deutschen ParlamentarierInnen, hier einmal nachzuhaken, hofft auch auf Unterstützung bei der für Mai 2019 geplanten neuen Migrationsagenda der EU-Kommission.

Carreira erläuterte, EASO habe mit der Einrichtung von Hotspots erstmalig Feldeinsätze übernommen. Die aktuell rund 200 MitarbeiterInnen beraten in mobilen Teams derzeit an 22 Standorten der europäischen Mitgliedsländern zu Fragen eines einheitlichen Asylsystems - überwiegend in Italien und Griechenland. Zu ihren Aufgaben gehört eine einheitliche Bearbeitung von Anträgen aber auch die Unterstützung von Umverteilungsmaßnahmen (joint processing und relocation). Leider lägen viele der Hotspots zumeist in sehr entlegenen Gegenden ohne funktionierende Büroinfrastruktur.

Das EU-Türkei Abkommen sieht eine Umverteilung von 160.000 Menschen vor. Dabei habe EASO weder die Befugnis, die Herkunft der Menschen, noch deren Ziel zu bestimmen. Auf dem griechischen Festland befänden sich entsprechend dem Verteilerschlüssel 40.000 Geflüchtete für eine Umsiedlung, auf den griechischen Inseln weitere rund 8.000 MigrantInnen, die entweder in die Türkei zurückgeschickt werden müssten oder in Griechenland einen Schutzstatus bekommen könnten. Es gäbe gravierende Probleme bei der Umverteilung: in Griechenland existiere unter anderem ein Mangel an Kapazitäten bei der Registrierung bzw. würden von den EU-Mitgliedstaaten nicht ausreichend Plätze bereitgestellt; in Italien kämen viele der MigrantInnen für eine Umverteilung nicht in Frage, da sie keinen entsprechenden Schutzstatus besitzen, viele aber auch nicht in die ihnen zugewiesenen EU-Mitgliedstaaten gebracht werden möchten. In Griechenland gebe EASO Empfehlungen für die Umverteilung, die letztendliche Entscheidung aber würde Griechenland treffen. Häufig würden griechische Behörden für ein Bleiberecht in Griechenland plädieren oder keine Entscheidungen treffen. Dies widerspreche aber dem EU-Abkommen mit der Türkei.

 

Marie-Louise Coleiro Preca, Präsidentin der Republik Malta

Das anschließende Treffen mit Staatspräsidentin Marie-Louise Coleiro Preca (Foto am Ende des Berichts) fand im San Anton Palace statt, der von wunderbaren Gärten umgebenen Residenz der Präsidentin. Betont wurden die Jahrzehnte langen freundschaftlichen diplomatischen Beziehungen zwischen Malta und Deutschland.

Voller Stolz verwies die Präsidentin, auf den gerade erschienenen Bericht „Exploring Drug Driving Legislation in Malta in the Context of the European Landscape“ ihrer 2014 gegründeten Stiftung, der President’s Foundation for the Wellbeing of Society. Die Stiftung will Toleranz fördern, erinnert daran, dass wir alle verschieden seien und dass niemand, aus welchem Grunde auch immer, von gesellschaftlicher Teilhabe ausgeschlossen sein dürfe.

Beim Abendessen mit Innenminister Carmelo Abela und weiteren Mitgliedern der Deutsch-Maltesisch-Parlamentarischen Freundschaftsgruppe wurden viele Themen angesprochen, unter anderem auch die intensiver werdende wirtschaftliche Verflechtung unserer beiden Staaten. Auf Malta seien deutsche Unternehmen ansässig, die an „made in Europe“ glauben.

Dienstag, 24. Mai 2016: Besuch der maltesischen Industrie- und Handelskammer, Besichtigung der St. John’s Co-Cathedral, Gespräche mit VertreterInnen der Zivilgesellschaft, öffentlichen Unternehmen und des maltesischen Parlaments

In der maltesischen Industrie- und Handelskammer hatten wir ein Treffen mit dem Präsidenten der maltesischen Handelskammer, Anton Borg, und Mitgliedern des Deutsch-Maltesischen Wirtschaftsausschusses (GMBC). Die maltesische Wirtschaft bestehe aus 3 % Landwirtschaft, 22 % Produktion und 75 % Dienstleistung. Insbesondere die Tourismusbranche und die Finanzwirtschaftsbranche sei stark ansteigend. Hervorgehoben wurde die enge wirtschaftliche Verflechtung mit Deutschland. Es existieren 1443 Unternehmen mit deutschen Anteilen. Große Arbeitgeber auf Malta sind Playmobil und Lufthansa. Die Playmobil-Spritzgießverarbeitung ist mit fast 1.000 Angestellten sogar der größte Arbeitgeber auf Malta. Seit 1971 produziert die deutsche Spielwarenmarke sämtliche Playmobil-Figuren, über 2,5 Milliarden, hier, das sind rund 100 Millionen Figuren im Jahr.

Matthias Fauser, der für die Produktion verantwortliche Manager von Playmobil auf Malta, stellte die Attraktivität des Standort Maltas gerade für deutsche KMU-Betriebe, viele davon Familienunternehmen, heraus. Diese wollten im Ausland expandieren, „aber nicht zu weit weg“. Auf Malta gebe es gut ausgebildete Fachkräfte, eine gute Arbeitskultur, niedrigere Gehaltsstrukturen als in Deutschland, eine interessante Steuergesetzgebung von 35 % und niedriger, Englisch als zweite Amtssprache. Nicht zuletzt sei die geografische Lage vor den Toren des Nahen Ostens und Nordafrika interessant, da diese Märkte noch erschlossen werden könnten. Für solche Vorhaben wären maltesische Geschäftsleute mit ihrer langjährigen Erfahrung und hohe interkulturellen Kompetenz, besonders wertvoll. Die maltesische Kultur und die maltesische Sprache könnten bei dieser Erschließung als Brücke fungieren.

Die deutsche Kapelle in der St. John’s Co-Cathedral

Sehr beeindruckend ist die prächtige Innenausstattung der St. John’s Co-Cathedral, der Ko-Kathedrale des römisch-katholischen Erzbistums Malta. Die dem heiligen Johannes dem Täufer, Schutzpatron des Malteserordens, geweihte Kathedrale wurde in nur fünf Jahren, zwischen 1573 und 1578, errichtet, die Ausstattung des Innenraums dauerte aber über 100 Jahre. St. John’s Co-Cathedral gilt als eine der schönsten Kirchen im Mittelmeerraum. Das Hauptschiff ist 53 Meter lang und mit den Seitenkapellen 15 Meter breit. Pro Seite gibt es acht reich verzierte Kapellen, die jeweils einer „Zunge“ des Johanniterordens zugeordnet und ihren Schutzheiligen geweiht waren. Die deutsche Kapelle ist der Erscheinung des Herrn und den Heiligen Drei Königen gewidmet, deren Reliquien im Kölner Dom verehrt werden. Die Renovierung vor einigen Jahren wurde von Deutschland finanziell gefördert. Die MalteserInnen wertschätzen diesen Beitrag zur Kultur sehr. 

LGBTIQ-Community: „Die gleichen Rechte haben wir jetzt. Nun müssen wir sie kulturell ausfüllen.“

Auf meinen Wunsch kam es zu einem Treffen mit VertreterInnen verschiedener Nichtregierungsorganisationen (NGOs) der LGBTIQ-Community. Hintergrund ist die Tatsache, dass Malta das Länder-Ranking der LGBT-Organisation ILGA Europe mit Platz 1 anführt. Der Bericht „Rainbow 2016“ wertet anhand dutzender Kriterien die rechtliche Lage von LGBT aus. Deutschland befindet sich in der Liste der 49 LGBT-freundlichsten Staaten leider erst auf Rang 16 - runtergestuft von Platz 11 vor sechs Jahren.

Der rasante fortschrittliche gesetzgeberische Wandel sei in den letzten drei Jahren unter der Regierung von Premierminister Dr. Joseph Muscat, Vorsitzender der sozialdemokratischen Malta Labour Party (MLP), geschehen. Der Erfolg basiere insbesondere darauf, dass die unterschiedlichen NGOs kooperiert hätten und diese sowie die ganze Zivilgesellschaft stark in den Gesetzgebungsprozess eingebunden gewesen seien. Malta sei klein, so dass es einen sehr guten Zugang zu den PolitikerInnen und MinisterInnen gebe. Auch verliere die in Malta durchaus noch starke katholische Kirche in diesen Fragen zunehmend an Einfluss. Die NGOs hätten den Diskurs stärker auf Aspekte der Menschenrechte verlagert.

Die Vertreterin von Drachma (Drachma LGBTI and Drachma Parents Group, Malta), einer katholischen Elterngruppe von LGBTI-Kindern, betonte, dass dieser menschenrechtliche Ansatz auch von den Offiziellen der Kirchen verstanden würde. Mittlerweile existiere auch ein europäischer Zusammenschluss von christlichen LGBT-Gruppen. Vertreterin Deutschlands sei die Ökumenische Arbeitsgruppe Homosexuelle und Kirche (HuK).

Unsere GesprächspartnerInnen sehen ihre Aufgabe nach der rechtlichen Gleichstellung darin, diese in allen kulturellen, sozialen und wirtschaftlichen Bereichen mit Leben zu erfüllen.

Geflüchteten-NGOs: „Menschenrechte sind auch für Geflüchtete umzusetzen“

Bei wunderschönem Wetter trafen wir uns mit VertreterInnen von Nichtregierungsorganisationen, die sich für Geflüchtete stark machen, auf Einladung der Deutschen Botschaft auf dem Dach des Restaurants ”Palazzo Preca” zu einem gemeinsamen Mittagessen.

Kernpunkt auch dieser politischen Gespräche bildete die Politik für geflüchtete Menschen. Bedingt durch die geografische Nähe zu Nordafrika und dem großen, von maltesischer Seite abzudeckenden Such-und Rettungsgebiet, wird jederzeit mit einem erneuten Anstieg der Bootsflüchtlinge gerechnet. Das Vertrauen in die Maßnahmen des EU-Türkei-Abkommens erschien mir nicht so groß zu sein.

Wir erfahren, dass laut einer aktuellen Umfrage das Thema Migration beim Sorgenranking der maltesischen Bevölkerung den zweiten Platz einnimmt.

Die NGO-VertreterInnen bestätigen, dass für die meisten in Malta aufgenommenen Geflüchteten, Malta in der Regel nicht Zielland, sondern immer Transitland gewesen ist. Diese Haltung erschwere die Integration vor Ort zusätzlich. Einstimmig wurde festgestellt, dass auch in Malta ein Umdenken weg vom Wohlfahrtsgedanken hin zur konsequenten Durchsetzung der auch Geflüchteten zustehenden Menschenrechte stattfinden müsse.

Energie und Wasserversorgung

 

Bei Gesprächen mit VertreterInnen der teilstaatlichen Energiegesellschaft Enemalta/ElectroGas und den öffentlichen Wasserwerken Water Services Corporation wurde deutlich, dass erhebliche Anstrengungen unternommen werden, um die Versorgungssicherheit - für die einheimische Bevölkerung, die Industrie als auch die zahlreichen TouristInnen - zu gewährleisten.

Erneuerbare Energien machen zwar erst fünf Prozent an der Energieversorgung aus, man sei sich aber sicher, 2020 das Ziel von zehn Prozent erreichen zu können. Dabei wird hauptsächlich auf Sonnenenergie gesetzt, da Windenergie aus Platz- und Umweltgründen kaum zu realisieren sei. Malta ist nicht mit ausländischen Stromnetzen verbunden, der komplette Energiebedarf muss auf der Insel produziert werden. Dies führte zu einer gewissen Abhängigkeit von Öl bzw. vom Ölpreis.

Wichtig zur Emissionsreduzierung durch den Energiesektor ist der Neubau und Betrieb eines großen Gaskraftwerks. Man verspricht sich durch die Umstellung der bisher mit Öl betriebenen älteren Kraftwerke auf Gasbetrieb eine effektivere und sauberere Herstellung von Energie zu einem niedrigeren Preis. Die Durchführung erfolgt durch ein Konsortium u.a. von staatlichen chinesischen Unternehmen Shanghai Electric Power, welches 250 Millionen Euro in Enemalta, dem einzigen Energiekonzern in Malta, investiert. Das neue Kraftwerk soll ab dem zweiten Halbjahr 2016 die Hälfte des maltesischen Strombedarfs decken. Hierfür erging auch ein Gesamtauftragsvolumen von 175 Millionen Euro an das Wiener Kompetenzzentrum von Siemens, in dem die weltweite Kompetenz für industriellen Kraftwerkbau gebündelt wird. Wichtig für die Versorgungssicherheit sei darüber hinaus das Verbindungskabel nach Sizilien, das etwa ein Drittel der gesamten benötigten Kapazität abdecken könne.

Die Verfügbarkeit von Trinkwasser stellt eines der größten Probleme in Malta dar. Gemäß Eurostat hat Malta den geringsten Süßwasservorrat je EinwohnerIn. Ein großes Problem sei die zunehmende Versalzung des Grundwasserreservoirs. 60 Prozent des Trinkwassers werde derzeit durch die teure und energieintensive Meerwasserentsalzung gewonnen. 40 Prozent würde dem Grundwasserreservoir entnommen, dessen Pegel aber aufgrund des permanenten Regenmangels und zu starker illegaler Entnahme sinke, was zur Versalzung führe. Als parallele Methode haben sich vier Umkehrosmoseanlagen (Meerwasserentsalzungsanlagen) und eine Brauchwasseraufbereitungsanlage etabliert, die die erforderliche Leistung bringen. Aufgrund der zunehmend steigenden Kosten für die fossilen Brennstoffe, mit denen die Energie für diese Anlagen generiert wird, und der damit verbundenen Umweltverschmutzung, hat die Regierung nun allerdings die Trinkwassermenge, die dort hergestellt werden darf, begrenzt. Insgesamt wurde das Netzwerk stark modernisiert, wodurch Wasserverluste deutlich gesenkt werden konnten. Geklärtes Abwasser solle künftig nicht ins Meer geleitet, sondern den Bauern zur Bewässerung ihrer Felder zur Verfügung gestellt werden.        Dennoch ist Malta nach wie vor auf die Hilfe des Auslandes angewiesen und erhält beispielsweise während der Sommermonate stets Tankerladungen mit Trinkwasser aus Sizilien, die in das heimische Netz eingespeist werden.

Zu Gast im maltesischem Parlament

Seit 2015 ist das neue vom italienischen Architekten Renzo Piano konzipierte Parlamentsgebäude in Valletta fertig. Es steht direkt neben dem Stadttor auf der Republic Street und fügt sich sehr gut in das Stadtbild an der Pjazza Teatru Rjal ein. Piano hat es als Niedrig-Energie-Gebäude geplant, mit einer kühnen festungsartigen Fassade aus maltesischen Kalkstein und mit Marmor von Gozo. Ein grüner Innenhof, angelehnt an die typisch maltesische Architektur und ein transparentes Erdgeschoss, in dem ein Museum über Maltas Geschichte informiert, mildern den von einigen als abweisend empfundenen Eindruck.

Auf der Besuchertribüne des Plenarraums wurden wir vom Präsidenten des maltesischen Parlamentes begrüßt. Andere Parlamente, andere Gepflogenheiten: Es ist keine Seltenheit, dass Abgeordnete eine Redezeit von mehr als 40 Minuten zur Verfügung haben.

Mit leichter Verzögerung aufgrund einer namentlichen Abstimmung trafen wir uns mit Mitgliedern des Ausschusses für Auswärtiges und Europaangelegenheiten im Parlamentsgebäude. Die ParlamentarierInnen hoffen, dass es zu keinem Brexit kommt, dass sich die Mehrzahl der europäischen Staaten wieder auf gemeinsame Werte der Europäischen Union besinnt - vor allem in der Flüchtlings- und Migrationspolitik. Stattdessen müsse jeder Nationalstaat die eigenen BürgerInnen darüber aufklären, dass Migration mit großen Chancen verbunden wäre. Wir bräuchten starke soziale Zivilgesellschaften. Der wachsende Nationalismus in einzelnen europäischen Staaten verhindere Wohlstand und Demokratie in Europa. Angemahnt wird der Ausbau und die Stabilisierung der südlichen Partnerschaft. Dafür soll Deutschland durchaus die guten Beziehungen zu Malta nutzen. Deutschland müsse eine größere Rolle im Mittelmeerraum einnehmen - „Der Mittelmeerraum braucht Europa, die südlichen Länder Europas brauchen Deutschland“. In der Stärkung dieses Anliegens liegt auch ein Schwerpunkt für die EU-Ratspräsidentschaft Maltas im ersten Halbjahr 2017.  

 

Mittwoch, 25. Mai 2016: Besuch bei Lufthansa Technik Malta, Treffen mit Mitgliedern der Deutsch-Maltesischen Parlamentarischen Freundschaftsgruppe und der Ministerin für Sozialen Dialog, Verbraucherfragen und zivile Freiheiten und der Empfang der Deutschen Botschafterin

Besuch bei Lufthansa Technik Malta

Lufthansa Technik Malta (LTM) wurde im Jahr 2002 als Joint Venture zwischen der Lufthansa Technik AG (92 Prozent) und Air Malta (8 Prozent) gegründet. Das MRO-Unternehmen (Maintenance, Repair, Overhaul) bietet seinen internationalen Kunden die Instandhaltungsleistung von Kurz- und Langenstreckenflugzeugen.

Während eines Rundgangs durch die vier insgesamt 64.000 Quadratmeter großen Hangars wurden wir über die grundsätzlichen Aufgaben der Sicherheitschecks und der Wartungsaufgaben informiert. In dem neuen, für Großraumflugzeuge erweiterten Hallenkomplex, können die rund 600 MitarbeiterInnen  der LTM an bis zu drei Langstreckenflugzeugen oder an bis zu fünf Mittel- und Langstreckenflugzeugen gleichzeitig arbeiten. Zur Standortentscheidung: Malta habe eine strategisch günstige Lage im südeuropäischen Mittelmeerraum mit der Nähe zum afrikanischen Kontinent und zur arabischen Halbinsel und verfüge über gut qualifizierte Menschen, so dass die Ausbildung von Luftfahrttechnikern und Mechanikern sehr produktiv sei.

Es war eine Freude, bei einem Mittagessen Chris Fearne, Gesundheitsminister und Vorsitzender der Deutsch-Maltesischen Parlamentarischen Freundschaftsgruppe, kennenzulernen. Dies bot die Möglichkeit, unsere Einladung für den Besuch der maltesischen KollegInnen nach Deutschland auszusprechen. Vielleicht klappt es ja schon im November 2016.   

Die Ministerin für Sozialen Dialog, Verbraucherfragen und zivile Freiheiten: „Wir brauchen starke Zivilgesellschaften.“

Im Gespräch mit der Ministerin für Sozialen Dialog, Verbraucherfragen und zivile Freiheiten, Dr. Helena Dalli, in ihrem mit einem atemberaubenden Blick auf den Hafen gelegenem Ministerium, wurden zahlreiche Themen angesprochen: der gemeinsame Kampf gegen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit, gegen Homophobie und Transphobie. Die Ministerin betonte, dass die Stärkung der Menschenrechte der von der maltesischen Regierung verfolgte Ansatz sei. Sie sei besonders stolz auf den Wandel, den ihre Regierung hinsichtlich der gesetzlichen Regelungen in Bezug auf die Gleichstellung der LGBTIQ-Community erzielt habe.

Nach erneuten Gesprächen mit ParlamentarierInnen freuten wir uns alle auf den Empfang der deutschen Botschafterin Gudrun Sräga in ihrer idyllisch gelegenen Residenz. Viele unserer GesprächspartnerInnen aus der Woche waren gekommen sowie weitere Gäste aus anderen Botschaften und der maltesischen Zivilgesellschaft.

Donnerstag, 26. Mai 2016: Gespräch mit dem Außenminister, ein Unternehmensbesuch und dann der Rückflug

Der maltesische Außenminister: „Deutschland möge auch die südliche Nachbarschaft stärken“

Es war eine Freude, Außenminister Dr. George Vella erneut zu treffen. Wir hatten uns schon während des Staatsbesuches von Premierminister Dr. Joseph Muscat und seiner hochrangigen Delegation in Berlin Anfang 2015 kennengelernt. Geradezu nahtlos konnte - traurigerweise - an das damalige Gespräch angeknüpft werden: Trotz Einheitsregierung ist die Lage in Libyen immer noch sehr kritisch und die vom „Islamischen Staat“ (IS) ausgehende terroristische Gefahr für die Sicherheit im Mittelmeerraum und in ganz Europa nicht gebannt.

Der Außenminister erinnerte an den EU-Afrika-Gipfel in Valletta im November 2015. Dieser hatte noch einmal sehr deutlich gemacht, dass Europa die afrikanischen Partner zur Bewältigung der Migrationsbewegungen benötigt. Beide Kontinente trügen dafür Verantwortung, dass möglichst viele Menschenleben gerettet werden. Migration sei für alle - Herkunfts-, Transit- und Zielländer - mit Herausforderungen als auch Chancen verbunden. Der gemeinsame Dialog sei stärker auszubauen.

Meiner Wahrnehmung nach konstatierte der Außenminister mit einer gewissen Genugtuung, dass sich nun auch Deutschland nach jahrelanger Ablehnung für einen europäischen Umverteilungsmechanismus für geflüchtete Menschen einsetzt. Malta hat diesen schon seit langem gefordert. Außenminister Dr. George Vella betonte, dass Malta im Jahr 2015 1.466 Personen - davon 68 Prozent aus Libyen und 19 Prozent aus Syrien - internationalen Schutz gewährt habe. Zusätzlich hätten 87 Personen vorübergehenden humanitären Schutz erhalten. 568 Personen seien 2015 in die USA, keine in die EU oder andere Staaten umgesiedelt worden. Freiwillig seien zwölf Personen zurückgekehrt. Die Zahl der Geflüchteten sei seit 2010 stark gesunken. Im Rahmen der EU-weiten Umsiedlung von 160.000 AsylbewerberInnen aus Italien und Griechenland werde Malta 131 Personen aufnehmen. Die Zahl der AsylbewerberInnen aus Libyen nehme zu. Dieser Umstand mache ihm Sorgen, da sich unter ihnen auch TerroristInnen befinden könnten. Für die kleine Volkswirtschaft von Malta, in starker Abhängigkeit von ausländischen Investitionen und Tourismus, würde dieses katastrophale Folgen nach sich ziehen.

Im Hinblick auf die erste EU-Ratspräsidentschaft des Landes im 1. Halbjahr 2017 beschäftige man sich natürlich mit allen Themen, so der Außenminister. Das Ziel sei, alle bestehenden Programme umsetzen. Ein Schwerpunkt werde auch der Ausbau der Mittelmeer-Partnerschaft sein. Die Mittelmeerdimension der EU gehöre unbedingt wieder stärker auf die EU-Agenda.

Vor unserem Rückflug nach Deutschland besuchten wir ein weiteres deutsches Unternehmen, welches sich auf Malta niedergelassen hat, die IBG Automation GmbH. Auch dieses Unternehmen wollte in Europa expandieren und fand in Malta dafür gute Bedingungen.

Der Besuch hat erneut deutlich gemacht: Es lohnt sich politisch und persönlich Kontakte gut zu pflegen. Das gilt gerade für ParlamentarierInnen.