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Austausch zwischen deutschen und maltesischen Abgeordneten: „Wir sind ein Europa!“

Fester Programmpunkt von Dr. Joseph Muscat, Premierminister der Republik Malta, während seines ersten Staatsbesuches in Deutschland am 4. Februar 2015 war das Treffen mit den Mitgliedern der Deutsch-Maltesischen ParlamentarierInnengruppe im Deutschen Bundestag. Er wurde von einer hochrangigen Delegation begleitet, darunter u.a. der Außenminister Maltas Dr. George Vella, die Staatssekretärin im Auswärtigen Amt Fiona Formosa sowie Silvio Schembri, Vorsitzender des Ausschuss für Wirtschaft und Finanzen im maltesischen Parlament.

Als Vorsitzende der Deutsch-Maltesischen ParlamentarierInnengruppe war es mir eine große Freude gemeinsam mit fünf weiteren KollegInnen diese hochrangige Delegation im Jakob-Kaiser-Haus begrüßen zu dürfen. In dem mehr als einstündigen Gespräch wurde insbesondere über die Zukunft der Eurozone, die Wichtigkeit der Europäischen Nachbarschaftspolitik als Voraussetzung für stabile Entwicklungen im Süden Europas sowie die Notwendigkeit einer gemeinsamen europäischen Flüchtlingspolitik debattiert.

In meiner Begrüßung habe ich auf einige mich als deutsche Parlamentarierin erfreuende Aspekte in der Politik Maltas hingewiesen:
Als Gleichstellungspolitikerin begrüße ich die sehr fortschrittliche Gleichstellungspolitik Maltas in Bezug auf die Rechte von Schwulen, Lesben, Trans* und intersexuellen Menschen. Ich schätze das Engagement meiner maltesischen Kollegin Deborah Schembri in der Parlamentarischen Versammlung des Europarats, die derzeit einen Report zum Thema „Discrimination against transgender people in Europe“ erarbeitet. Malta hat die Istanbul-Konvention bereits ratifiziert und ist auch damit ein Vorbild für Deutschland.
2014 jährte sich der Beginn des Ersten Weltkrieges zum hundertsten Mal. Diese „Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts“ veränderte das Leben der Menschen, Gesellschaften und Staaten in Europa. Die Erinnerung an diesen kollektiven Albtraum, seine Ursachen und Auswirkungen ist deshalb unverzichtbarer Bestandteil des europäischen Integrationsprozesses. Ich bin daher dankbar dafür, dass die deutsche Botschaft in Malta in Zusammenarbeit mit dem National Archives Malta eine von der maltesischen Öffentlichkeit vielbeachtete Monographie, „The Salter Album - Encounters in Malta’s Prisoner of War Camps 1914-1920“ herausgegeben hat. Klaus-Peter Brandes, der deutsche Botschafter in Malta, präsentierte die Monographie. Gedenkkulturen, mögen diese in den einzelnen Staaten auch unterschiedlich sein, stärken uns in der grundsätzlichen Überzeugung, dass Europa weit mehr als nur eine Wirtschafts- und Währungsunion, nämlich auch eine Wertegemeinschaft ist.
Ausdrücklich danken möchte ich der Republik Malta dafür, dass sie überproportional viele Flüchtlinge aufnimmt. Eine wichtige Fragestellung ist, wie eine solidarische europäische Verantwortungsteilung erreicht werden kann.

In diesem Monat jährt sich die Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen Malta und der Bundesrepublik Deutschland bereits zum 50. Mal. Ich begrüße es sehr, dass sich auch in diesem Gespräch gezeigt hat, dass sich die bilateralen deutsch-maltesischen Beziehungen sehr gut entwickelt haben.

Dem Premierminister Muscat habe ich als Gastgeschenk der Bildband „Kunst im Reichstagsgebäude“ überreicht. Unser gemeinsamer Gang durch das Brandenburger Tor bildete den Abschluss des sich durch eine ausgezeichnete Gesprächsatmosphäre gekennzeichneten parlamentarischen Austauschs.

Herausforderungen in Europa gemeinschaftlich lösen

Die Zukunft der Eurozone

Mit Selbstbewusstsein verwies Ministerpräsident Muscat darauf, dass es mit Malta einen wirtschaftlich als auch finanzpolitisch erfolgreichen Staat im Mittelmeerraum gibt. Ohne direkt auf die Wahlen in Griechenland einzugehen, bekräftigte Muscat das gemeinsame Engagement hinsichtlich der Regeln der Eurozone. Dann machte Muscat aber doch klar, dass er gegen einen Schuldenschnitt für Griechenland sei, und dass dieses für Malta auch nicht verhandelbar sei. Zugleich betonte er, dass sich die Eurozone gleichermaßen durch Disziplin als auch Flexibilität auszeichnen solle. Zwar habe Malta als das kleinste EU-Land nominell den geringsten Beitrag zur Rettung Griechenlands geleistet, prozentual gemessen am Bruttoinlandsprodukt ist Maltas Beitrag am Größten. Muscat unterstützte den Verbleib Griechenlands in der Eurozone. Bei gutem Willen auf allen Seiten sei dieses auf jeden Fall möglich. Eine der Lehren aus der Wahl in Griechenland sei: Es gehe nicht um noch mehr Regulierung, es geht um Konsolidierung. Daher müssten viele Möglichkeiten ausgelotet werden, vielleicht könne es zu einer Verlängerung der Schuldentilgung kommen. Aber das grundsätzliche Reglement stehe fest und das wolle er auch eingehalten wissen.

Die Länder im Süden Europas stärken

Premier Muscat und Außenminister George Vella machten eindringlich deutlich, dass Europa die Länder im Süden stärken müsse. Obgleich die Lage an den östlichen Grenzen Europas, insbesondere in der Ukraine jeden besorgt mache, forderten beide Politiker Deutschland und die übrigen EU-Staaten auf, den Mittelmeerraum und die Länder Nordafrikas nicht zu vergessen. Diese Länder dürften im Rahmen der EU-Außenpolitik nicht in den Hintergrund der Krise in Ukraine treten. Malta sei aufgrund seiner politischen Stabilität und geografischen Lage bereit und in der Lage, hier eine starke Brückenfunktion einzunehmen.

Eindringlich und wiederholt wiesen der Premierminister als auch der Außenminister auf die Situation der Länder Nordafrikas, insbesondere Libyens, hin. In Libyen herrscht ein fürchterlicher Bürgerkrieg. Seit dem Sturz von Langzeitmachthaber Muammar al-Gaddafi im Jahr 2011 kämpfen islamistische Milizen und nationalistische Kräfte gewaltsam um Macht und Einfluss. Nach Ansicht Muscats ist der Rückzug der westlichen Streitkräfte zu schnell erfolgt. Nun gebe es direkt an der EU-Außengrenze Extremismus und Terrorismus, der auch zu starken Flüchtlingsbewegungen in Richtung Europa führe. Vom Bürgerkrieg in Libyen gehe auch eine Bedrohung aus, die bei einer weiteren Steigerung zu einer Gefährdung der Sicherheitslage in Europa führen könne. Malta habe derzeit seine Sicherheitsmaßnahmen (z.B. Grenzkontrollen) bereits verschärft, da das Eindringen islamistischer Terroristen für möglich gehalten wird. Die Gefahr durch viele Extremisten, viele davon seien keine Libyer, sei hoch. Die Präsenz des „Islamische Staat“ (IS) in Libyen sei nicht nur eine Bedrohung der Sicherheit für den Mittelmeerraum, sondern für ganz Europa. Die Europäische Union dürfe nicht zu spät handeln.

Auch der UN-Sondergesandte Bernardino Léon warne davor, dass der gewaltsame Konflikt in Libyen zu einer deutlich angespannteren Sicherheitslage in Europa führen könne. Deutschland solle die Bemühungen der Vereinten Nationen und des Sondervermittlers stärker unterstützen. Aktuell gebe es aber einen kleinen Lichtblick, dass aus den zwei Regierungen eine Regierung der nationalen Einheit werden könne.

Es liege im Interesse Deutschlands als auch der anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union dafür Sorge zu tragen, dass sich ein so riesiges Land wie Libyen stabil entwickelt. Es dürfe auf keinen Fall zugelassen werden, dass Libyen zu einem sogenannten „failed state“ werde. Es ist zu befürchten, dass in Libyen ein Vakuum entsteht, in das der „Islamische Staat“ oder andere Organisationen hineinstoßen, weil ihnen seitens der staatlichen Autoritäten nichts entgegengesetzt werden kann. Libyen ist als Zulieferer von Rohöl für die Energieversorgung für Europa wichtig. Und es spielt als Transitland für Flüchtlinge nach Europa eine entscheidende Rolle. In den nächsten Jahren solle versucht werden, Libyen zu einem sicheren Land zu machen. Europa brauche ein stabiles und friedliches Libyen.

Folgende Vereinbarungen wurden getroffen:

Um den Blick der Abgeordneten im Deutschen Bundestag für die Situation in den Ländern im Süden Europas zu schärfen, wird es einen Austausch der Deutsch-Maltesischen ParlamentarierInnengruppe mit der Parlamentariergruppe Maghreb-Staaten (Algerien, Libyen, Marokko, Mauretanien, Tunesien) geben. Dabei soll es insbesondere um die Situation in Libyen gehen. Die deutsch-maltesische ParlamentarierInnengruppe wird ihrerseits im Frühjahr 2016 einen Besuch in Malta absolvieren.

Die Aufgabe der 54 Parlamentariergruppen des Deutschen Bundestages ist neben der Pflege der bilateralen Kontakte zu den jeweils anderen nationalen Parlamenten der Austausch von Informationen, Meinungen und Erfahrungen.

Eine gemeinsame europäische Flüchtlingspolitik gestalten

Malta liegt geografisch auf der Flüchtlingsroute von Libyen (als Transitland) nach Europa, die meisten Flüchtlinge stammen daher noch überwiegend aus Somalia und Eritrea. Obgleich Malta mit seinen 420.000 EinwohnerInnen bereits fast 5000 Flüchtlinge aufgenommen habe, stehe die Republik zu den internationalen Verpflichtungen in Bezug auf Asyl, einschließlich des Grundsatzes der Nichtzurückweisung. Malta lehne auch keine Flüchtlinge oder Personen ab, die internationalen Schutz brauchten. Die Aufnahme weiterer Flüchtlinge würde aber die Infrastruktur des Landes überfordern.

Ministerpräsident Muscat nimmt aktuell wahr, dass sich die Zusammensetzung der MigrantInnen ändere: Vor gut einem Jahr kamen die meisten MigrantInnen aus Afrika südlich der Sahara, die versuchten sich in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union für den Rest ihres Lebens niederzulassen. Jetzt könnten wir aber feststellen, dass es mehr und mehr Flüchtlinge aus Ländern wie Syrien gebe. Ihr Ziel sei es, für eine gewisse Zeit woanders Zuflucht und Schutz zu suchen, aber dann wieder in ihr eigenes Land zurückzugehen.

Für Premier Muscat hat die Bekämpfung von Fluchtursachen folglich viel damit zu tun, dass wir eben auch für die Stabilität von Ländern wie Libyen und anderer Länder Sorge tragen.

Er betonte auch, dass wir in Europa doch alle wüssten, dass die über das Mittelmeer kommenden Flüchtlinge nicht die Flüchtlinge irgendeines Landes, sondern unsere gemeinsamen Flüchtlinge sind. Jedes europäische Land habe sich hier gerecht zu beteiligen. Er sehe, dass sich die Interessenlagen Deutschlands und Maltas hinsichtlich einer europäischen Migrationspolitik durchaus ähneln. Er nehme wahr, dass Deutschland die Länder mit einer hohen Aufnahme von Flüchtlingen besser verstehe als eine Reihe anderer EU-Staaten. Letztlich fordert er eine stärkere europäischer Solidarität zur Bewältigung der Flüchtlingsströme ein.

Hintergrundinformationen zu Malta

Seit März 2013 regiert in Malta die sozialdemokratische Partit Laburista (PL) mit einer Parlamentsmehrheit von 9 Sitzen. In der gut einjährigen Amtszeit wurden unter Dr. Joseph Muscat beachtliche innenpolitische Erfolge erzielt: Ausbau der kostenlosen Kinderbetreuung, Reduzierung der Strompreise, Aufbau eines Staatsbetriebes zur Verbesserung des ÖPNV. Muscat erweist sich als Modernisierer. Sein Erfolg bei den EU-Wahlen 2014 bestätigt diesen Kurs. Malta ist Standort vieler deutscher Unternehmen, wie die Lufthansa und Playmobil, dort sehr erfolgreich wirtschaften. Mehr Wissenswertes über Malta finden Sie auf der Seite der Deutschen Botschaft.