Hauptmenü

„Gleichberechtigung in der Politik“ - Es gibt noch viel zu tun!

37 Prozent beträgt der Frauenanteil im Bundestag und nur 24 Prozent Frauen in der Kommunalpolitik! Damit sind die politischen Führungspositionen und die Parlamente noch immer mehrheitlich von Männern besetzt. Das betrifft insbesondere die kommunale Ebene, die zugleich die Basis der Politik und der Demokratie bildet.

Die Ermutigung von Frauen für ein Engagement in Parteien und Parlamenten wird immer entscheidender. Mehr denn je wird es entscheidend sein, dass Frauen stärker als bisher für das Engagement in Parteien und Parlamenten gewonnen werden. Ohne mehr Geschlechtervielfalt werden die demokratischen Institutionen und die repräsentative Demokratie an Akzeptanz in der ganzen Bevölkerung verlieren.

Zum Thema „Gleichberechtigung in der Politik“ hatte Elke Ferner, Parlamentarische Staatssekretärin bei der Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, gemeinsam mit der EAF Berlin und ausgewählten Helene Weber Preisträgerinnen am Internationalen Frauentag zu einem Parlamentarischen Frühstück eingeladen. Debattierte Kernfragen waren: Wie kann es gelingen, Frauen stärker als bisher für das Engagement in Parteien und Parlamenten zu gewinnen? Wie sehen die zukünftigen Wege aus, um eine gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und Männern in der Politik zu erreichen? 

Internationaler Frauentag und Frauenwahlrecht

Das Frauenwahlrecht in Deutschland wird 2018/2019 sein 100jähriges Jubiläum feiern. Es ist nicht einfach vom Himmel gefallen, es wurde von den Frauen, die unabhängig von Alter, Einkommen oder Tätigkeit davon ausgeschlossen waren, ersehnt, eingefordert und erkämpft. An der Seite der Frauen kämpfte in Deutschland um 1900 insbesondere die SPD für das Wahlrecht. Das uns heute so selbstverständliche Frauenwahlrecht musste sich gegen viele Vorurteile von Männern und Frauen durchsetzen. So wurde Frauen etwa verminderte Intelligenz und durch ihre Gebärfähigkeit eine "natürliche" Bestimmung für den privaten, scheinbar politikfernen Bereich zugeschrieben.

Das Wahlrecht für Frauen war die Hauptforderung des ersten internationalen Frauentages 1911. Der Internationale Frauentag geht auf eine Forderung der Sozialistin Clara Zetkin auf der Zweiten Internationalen Sozialistischen Frauenkonferenz im August 1910 zurück. Die Idee dazu kam aus den USA, denn dort hatten Frauen der Sozialistischen Partei Amerikas (SPA) 1908 ein Nationales Frauenkomitee gegründet, welches beschloss, einen besonderen nationalen Kampftag für das Frauenstimmrecht zu initiieren.

Erst durch die Novemberrevolution 1918 wurde das Frauenwahlrecht in Deutschland möglich. Die Geburtsstunde des Frauenwahlrechts in Deutschland am 12. November 1918 ist der Aufruf an das deutsche Volk vom Rat der Volksbeauftragten. Hier heißt es: "Alle Wahlen zu öffentlichen Körperschaften sind fortan nach dem gleichen, geheimen, direkten, allgemeinen Wahlrecht auf Grund des proportionalen Wahlsystems für alle mindestens 20 Jahre alten männlichen und weiblichen Personen zu vollziehen." Am 30. November 1918 trat in Deutschland das Reichswahlgesetz mit dem allgemeinen aktiven und passiven Wahlrecht für Frauen in Kraft. In Artikel 109 Abs. 2 der Weimarer Verfassung stand dann geschrieben: "Männer und Frauen haben grundsätzlich dieselben Rechte und Pflichten.".

Am 19. Januar 1919 fanden allgemeine, gleiche, geheime und direkte Wahlen zur verfassungsgebenden Deutschen Nationalversammlung statt. 300 Frauen kandidierten und 37 Frauen - von insgesamt 423 Abgeordneten - wurden schließlich gewählt. Die meisten weiblichen Abgeordneten gehörten der SPD an. Als erste Frau in der Weimarer Nationalversammlung sprach am 19. Februar 1919 die Sozialdemokratin Marie Juchacz aus Berlin: "Ich möchte hier feststellen ..., dass wir deutschen Frauen dieser Regierung nicht etwa in dem althergebrachten Sinne Dank schuldig sind. Was diese Regierung getan hat, das war eine Selbstverständlichkeit: sie hat den Frauen gegeben, was ihnen bis dahin zu Unrecht vorenthalten worden ist."

Während der Zeit des Nationalsozialismus fand ein gewaltiger Rückschritt bezüglich des Frauenwahlrechts statt. Die Rechte der Frauen wurden eingeschränkt, sie wurden aus hohen Positionen verdrängt, ihnen wurde das passive Wahlrecht entzogen. Nach der Zeit des Nationalsozialismus wurde das volle Frauenwahlrecht wieder eingeführt. Die Juristin Elisabeth Selbert, eine der vier "Mütter des Grundgesetzes", setzte mit großem Einsatz durch, dass der Satz "Männer und Frauen sind gleichberechtigt" am 23. Mai 1949 im Artikel 3 unseres Grundgesetzes in Absatz 2 als Verfassungsgrundsatz aufgenommen wurde.

Trotz dieser formalen Gleichberechtigung stoßen Frauen selbst fast 100 Jahre nach Einführung des Frauenwahlrechts immer noch an eine „gläserne Decke“: Sie sind in gesellschaftlichen Führungspositionen in Politik, Wissenschaft und Wirtschaft nach wie vor unterrepräsentiert. Nach wie vor kämpfen engagierte Frauen und Feminist*innen, kämpfen Sozialdemokrat*innen für Gleichstellung in allen Lebensbereichen. Immer wieder werde versucht, Frauen in der Politik sowie in der Arbeitswelt auf die sozialen und vielleicht auch noch kulturellen Bereiche abzuschieben. Vor allem in den Politikfeldern Wirtschaft und Bau dominierten noch immer vorwiegend Männer, hieß es auf der Veranstaltung.

Frankreich sei Deutschland zumindest bei der Gleichstellung im passiven Wahlrecht einen Schritt voraus. Denn im Rahmen der Gleichstellung von Mann und Frau wurde dort 2013 eine neue gesetzliche Verpflichtung zur Aufstellung von Kandidat*innenduos (binômes) beschlossen. Bei den Departementwahlen müssen nun immer ein Mann und eine Frau im Doppelpack antreten.

Helene Weber-Preis für Kommunalpolitikerinnen

Um das Engagement der Frauen in der Politik auch in Deutschland zu stärken, wird seit 2009 in jeder Legislaturperiode einmal der Helene Weber-Preis an besonders engagierte Kommunalpolitikerinnen vergeben. Damit sollen mehr Frauen für die Politik gewonnen und die Kommunalpolitik als „Basis der Demokratie“ gestärkt werden. Der Preis wird vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) vergeben.

Da es noch immer Stadt- oder Gemeinderäte gebe, in denen keine einzige Frau vertreten sei, seien Vorbilder wie die Helene Weber-Preisträgerinnen, die durch ihr Beispiel und ihre Aktivitäten andere Frauen zum kommunalpolitischen Engagement ermutigten, umso wichtiger. Die Preisträgerinnen haben sich zu einem ersten bundesweiten und parteiübergreifenden Netzwerk, dem Helene Weber Kolleg, für engagierte Kommunalpolitikerinnen zusammengeschlossen. Ihr Ziel ist: „Mehr Frauen in die Parlamente!“. Das vom BMFSFJ geförderte Helene Weber Kolleg unterstützt seit 2009 Politikerinnen und Nachwuchspolitikerinnen beim Ein- und Aufstieg in der Politik. Eine der relevanten Fragen ist: Was sind zukünftige Wege, um eine gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und Männern in der Politik zu erreichen?

Dieses Ziel dürfte ganz im Sinne der Namensgeberin des Preises und des Netzwerkes, Helene Weber, gewesen sein. Als eine deutsche Politikerin des Zentrums war sie als Mitglied der Weimarer Nationalversammlung an der Entwicklung der Weimarer Verfassung beteiligt, war Landtagsabgeordnete im damaligen Preußen, gehörte anschließend dem Reichstag an und sprach sich als eine der wenigen Zentrumsabgeordneten gegen das Ermächtigungsgesetz Hitlers aus. Nach dem Zweiten Weltkrieg beteiligte sie sich am Aufbau der CDU und wurde in den Parlamentarischen Rat gewählt, um als eine von vier Frauen an dem Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland mitzuwirken. Dabei war sie als Schriftführerin Mitglied des Präsidiums und gilt damit als eine der „Mütter des Grundgesetzes.“ Zwischen 1950 und 1962 war Helene Weber außerdem Mitglied der Parlamentarischen Versammlung des Europarats.