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Die Arzneimittelversorgung in Deutschland wird gestärkt

Zur Sicherstellung einer guten Gesundheitsversorgung in Deutschland ist eine flächendeckende, innovative, sichere und bezahlbare Arzneimittelversorgung ein Muss. Vor allem chronische Krankheiten und Multimorbidität im Alter sind wesentliche Herausforderungen in der Entwicklung von Arzneimitteln. Am 10. November 2016 haben wir in 1. Lesung das GKV-Arzneimittelversorgungsstärkungsgesetz (AMVSG) (Drs. 18/8034) beraten.

Hierzu wird der Ausschuss für Gesundheit am 14. Dezember 2016, von 14.00 bis 16.00 Uhr eine öffentliche Anhörung durchführen. Interessierte mögen sich bald anmelden.

Das Versandhandelsverbot wird ausgeklammert

Aus diesem Gesetzgebungsverfahren ist die hoch umstrittene Frage eines Verbots des Versandhandels mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln (sog. Rx-Verbot) zunächst ausgeklammert. Das ist ärgerlich, lässt sich aber innerhalb der Koalition derzeit nicht anders regeln.

Bayern will am 25. November 2016 den eigenen Antrag zu einem Verbot des Versandhandels mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln im Plenum der Länderkammer behandeln. Obwohl der Versandhandel nur drei Prozent umfasst, sieht Bayern die bewährte Arzneimittelversorgung durch Apotheken vor Ort durch die EuGH-Entscheidung gefährdet. Die Beschäftigung im Plenum bedeutet noch keine Vorentscheidung hinsichtlich der Positionierung der Bundesländer bzgl. der politischen Mehrheit.

„Pharmadialog“ im Vorfeld der Gesetzgebung

Von 2014 bis 2016 setzten sich die Bundesministerien für Gesundheit, für Bildung und Forschung sowie für Wirtschaft und Energie gemeinsam mit VertreterInnen der pharmazeutischen Verbände, der Wissenschaft und der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie und Energie zum „Pharmadialog“ zusammen. Viele der Anregungen sind in den Gesetzentwurf eingeflossen.

In den Jahren 2014 und 2015 wurden in Deutschland insgesamt 84 Arzneimittel auf den Markt gebracht. Die pharmazeutische Industrie ist eine der forschungsintensivsten Branchen in Deutschland. 2015 waren rund 640 Pharma- und Biotechnologie-Unternehmen registriert. Ihre Vielfalt ist groß: Wir haben in Deutschland sowohl global aufgestellte als auch mittelständische Unternehmen, gerade auch in Berlin. Auch für den Arbeitsmarkt ist die Pharma-Branche von Bedeutung, da sie 110.000 Menschen beschäftigt.

Mit einem Ausgabenvolumen von rund 35 Milliarden Euro ist der Arzneimittelbereich ebenfalls für die gesetzliche Krankenversicherung (GKV) bedeutungsvoll. Für die GKV wollen wir beides: stabile Krankenkassenbeiträge und zugleich Fortschritte in der medizinischen Versorgung.

Das AMVSG versucht, beiden Zielen Rechnung zu tragen: Es beinhaltet weitere Maßnahmen zur Stärkung und Erhaltung des hochwertigen Versorgungsniveaus mit Arzneimitteln in der GKV als auch Maßnahmen zur finanziellen Stabilität der GKV. PatientInnen sollen sich darauf verlassen können, auch in Zukunft mit hochwertigen und innovativen Arzneimitteln versorgt zu werden - trotz des Blicks auf die langfristige Finanzierbarkeit unseres Gesundheitswesens.

Neue Regelungen des Gesetzesentwurfs

Zur Weiterentwicklung des mit dem Arzneimittelmarktneuordnungsgesetz (AMNOG) im Jahr 2011 eingeführten und inzwischen bewährten Verfahrens zur Nutzenbewertung und Preisbildung von Arzneimitteln mit neuen Wirkstoffen, enthält der Gesetzentwurf folgende Regelungen:

  • Die Besonderheiten von Kinderarzneimittelns sollen bei der Nutzenbewertung noch besser berücksichtig werden können. Bei Antibiotika wird die Resistenzsituation bei der Nutzenbewertung (und bei der Festbetragsgruppenbildung) künftig einbezogen.
  • Die freie Preisbildung für ein Arzneimittel im ersten Jahr nach Markteinführung gilt künftig nur bis zum Erreichen eines Schwellenwerts in Höhe von 250 Mio. Euro. Damit sorgen wir dafür, dass die PatientInnen weiterhin möglichst schnell mit neuen Arzneimitteln versorgt werden, die Ausgaben für besonders hochpreisige neue Arzneimittel aber begrenzt sind. In einigen Fällen sind den Krankenkassen in der Vergangenheit bereits im ersten Jahr derart hohe Ausgaben entstanden, dass eine Begrenzung auch dann für angemessen erachtet wird, wenn für das Arzneimittel ein Zusatznutzen von beträchtlichem oder erheblichem Ausmaß nachgewiesen wird. Damit soll verhindert werden, dass einzelne Arzneimittel innerhalb des ersten Jahres die Solidargemeinschaft über Gebühr belasten.
  • ÄrztInnen sollen künftig über ihre Praxissoftware besser über die Ergebnisse der Nutzenbewertung informiert werden.
  • Auf eine öffentliche Listung der vereinbarten Erstattungsbeträge für Arzneimittel wird verzichtet. Mit einer Verordnung wird diese Regelung ausgestaltet, die den Pharmastandort Deutschland stärkt und Spielraum für die Preisvereinbarung schafft.
  • In begründeten Einzelfällen, wird es möglich sein, bei der Vereinbarung von Erstattungsbeträgen bei nicht belegtem Zusatznutzen von der Vorgabe abzuweichen, dass der Erstattungsbetrag nicht zu höheren Jahrestherapiekosten führen darf als die wirtschaftlichste Vergleichstherapie.
  • Die Wartefrist für eine erneute Bewertung des Zusatznutzens auf Grund neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse wird verkürzt.
  • Das geltende Preismoratorium für Arzneimittel ohne Preisregulierung wird bis zum Ende des Jahres 2022 verlängert. Ab 2018 wird eine Preisanpassung entsprechend der Inflationsrate eingeführt. Ohne die Verlängerung des Preismoratoriums über den 31. Dezember 2017 hinaus wären geschätzte Mehrausgaben in Höhe von jährlich rund 1,5 bis 2 Milliarden Euro auf die GKV zugekommen. Die Verlängerung ist aus Gründen der Sicherung der finanziellen Stabilität und damit der Funktionsfähigkeit der gesetzlichen Krankenversicherung erforderlich.
  • Zur Sicherstellung der flächendeckenden Arzneimittelversorgung durch Apotheken wird die Vergütung bei Standard-Rezepturarzneimitteln und Betäubungsmitteln erhöht.
  • Um die Qualität und Sicherheit in der Versorgung mit Arzneimitteln zur Krebsbehandlung (Zytostatika) sicherzustellen und zugleich Wirtschaftlichkeitsreserven zu erschließen, werden Rabattverträge zwischen Krankenkassen und pharmazeutischen Herstellern ermöglicht. Ebenso werden die Verhandlungsmöglichkeiten der Selbstverwaltung über die Vergütung der Apotheker erweitert (Hilfstaxe). Die bisherige Ausschreibungsmöglichkeit der Krankenkassen mit Apotheken über Zytostatika entfällt.
  • Um den zielgenauen Einsatz von Antibiotika zu fördern, werden die Regelungen zur Erstattung von diagnostischen Verfahren verbessert.
  • Das Arzneimittelgesetz wird an europarechtliche Vorgaben bezüglich der Anerkennung der Tätigkeit als sachkundige Person in pharmazeutischen Betrieben mit Herstellungserlaubnis angepasst.
  • Um die Akutversorgung der Patientinnen und Patienten zu verbessern, werden Vorratsbestellungen von Importarzneimitteln durch Krankenhausapotheken begrenzt ermöglicht.

Um Lieferengpässe bei der Arzneimittelversorgung zu vermeiden, erhalten die zuständigen Bundesoberbehörden durch Änderungen des Arzneimittelgesetzes die Möglichkeit, von den Herstellern Informationen zu Absatzmenge und Verschreibungsvolumen des betroffenen Arzneimittels zu fordern.