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Jahresbericht zur Deutschen Einheit: Rechtsextremismus gefährdet Entwicklung Ostdeutschlands

„Rechtsextremismus, Fremdenfeindlichkeit und Intoleranz stellen eine sehr ernste Bedrohung für die gesellschaftliche und wirtschaftliche Entwicklung der neuen Länder dar.“, erklärte Iris Gleicke, bei der Debatte über den Jahresbericht zur Deutschen Einheit. Die Ostbeauftragte der Bundesregierung und Staatssekretärin im Wirtschaftsministerium betonte, sie wolle nicht durch die „rosarote Brille“ schauen, noch etwas schönreden oder Schwarzmalerei betreiben. Wie jedes Jahr hat der Deutsche Bundestag anlässlich des Tages der Deutschen Einheit am 3. Oktober über den „Jahresbericht der Bundesregierung zum Stand der Deutschen Einheit 2016“ (Drs. 18/9700) debattiert.

Dieses Jahr ist der Bericht schon seit seinem Erscheinen intensiv öffentlich diskutiert worden: Herausgekommen ist unter anderem eine deutliche Warnung vor den Gefahren des zunehmenden Rechtsextremismus in Ostdeutschland. Der zunehmende Rechtsextremismus habe aber auch wirtschaftliche Auswirkungen. Auf ihren letzten Auslandsreisen u.a. nach Japan und den USA sei sie gefragt worden, ob zum Beispiel ein farbiger Ingenieur in Ostdeutschland noch sicher sei. Wenn Unternehmen aus Furcht vor Fremdenfeindlichkeit keine Firmenstandorte im Osten mehr aufbauen, sei dies ein großer wirtschaftlicher Schaden, erklärte Gleicke.

Die thüringische SPD-Abgeordnete betonte, dass der Kampf gegen Rechtspopulismus und Rechtsextremismus nicht alleine der Politik und den Verbänden überlassen werden dürfe. Es läge in der Hand von „uns Ostdeutschen“, ob man diese Entwicklung so hinnehme: „Es ist sicherlich unbequem. Ich weiß, was es bedeutet, sich Neonazis entgegen zu stellen. Aber ich erwarte schon, dass auch zum Beispiel Unternehmerinnen und Unternehmer, Gastwirte, ganz klar auch Gesicht zeigen. Die Zivilgesellschaft, die es gibt und die großartig ist, muss stärker unterstützt werden in Ostdeutschland“. Fremdenfeindlichkeit und Rechtsextremismus dürfe sich nicht weiter in die bürgerliche Mitte hineinfressen.

Stand der deutschen Einheit

Neben der Warnung vor wachsender Fremdenfeindlichkeit zieht der Jahresbericht zur Deutschen Einheit in anderen Bereichen eine grundsätzliche positive Bilanz der Entwicklung der neuen Bundesländer in den vergangenen 26 Jahren. Mittlerweile führend sei der Osten in Deutschland unter anderem in der Bildung der Erwerbsbevölkerung, der Umweltqualität und auch in der Wohnqualität.

Positive Arbeitsmarktentwicklung

Die Arbeitsmarktentwicklung in den ostdeutschen Ländern ist positiv. Die Zahl der Erwerbstätigen hat weiter zugenommen. Sie erreichte in Deutschland 2015 den höchsten Stand seit der Wiedervereinigung und in Ostdeutschland den höchsten Stand seit 1992. 7,6 Millionen Menschen waren im Osten Deutschlands erwerbstätig.

Obwohl große Fortschritte bei der Erzielung gleichwertiger Lebensverhältnisse gemacht wurden, existiert eine Kluft: Auch 26 Jahre nach der Wiedervereinigung liegt die Wirtschaftskraft Ostdeutschlands trotz einer großen Aufholleistung noch 27,5 Prozent hinter der Westdeutschlands. Gleichzeitig ist die Arbeitslosigkeit mit 9,2 auf dem niedrigsten Stand seit 1992 - in Westdeutschland bei 5,7 Prozent -, und es droht ein Mangel an Fachkräften. Fremdenfeindlichkeit und Rechtsextremismus gefährden hingegen die gesellschaftliche und wirtschaftliche Entwicklung Ostdeutschlands.

Eine gute Entwicklung gibt es bei den Löhnen, hier hat der Mindestlohn in Ostdeutschland einen positiven Einfluss: Die tariflichen Entgelte liegen bei 97 Prozent des Westniveaus. Die Einführung des Mindestlohns seit 1. Januar 2015 hat bei 1,1 Millionen Beschäftigtenverhältnissen in Ostdeutschland zu einer Anhebung der Löhne geführt. Das sind 22 Prozent der dortigen Beschäftigtenverhältnisse.

Aufgrund des Geburtenrückgangs in Ostdeutschland in den 1990er-Jahren und der erst vor kurzem zum Stillstand gekommenen Abwanderung vor allem von jungen und gut qualifizierten Menschen stehen die fünf Länder vor der Herausforderung des Fachkräftemangels. Damit sich ZuwandererInnen für eine langfristige Perspektive in Ostdeutschland entscheiden, bedarf es in den ostdeutschen Ländern einer verstärkten Willkommens- und Anerkennungskultur, einer guten Infrastruktur sowie einer ausreichenden Zahl von Ausbildungs- und Arbeitsplätzen für die Zuwanderer und die Einheimischen. Die Angleichung der Ost- an die Westrenten soll bis 2020 erfolgen.

Fremdenfeindlichkeit und Rechtsextremismus bekämpfen

Allerdings stellen Fremdenfeindlichkeit, Rechtsextremismus und Intoleranz in den ostdeutschen Ländern eine ernsthafte Gefahr für die gesellschaftliche und wirtschaftliche Entwicklung dar. Allein im Jahr 2015 hat die Zahl der rechtsextremen und fremdenfeindlichen Übergriffe stark zugenommen. Bei den Protesten gegen die Aufnahme von Flüchtlingen wurde deutlich, dass die Grenzen zwischen Protest und rechtsextremen Agitationsformen verschwimmen.

Nachdrücklich betont wird, die übergroße Mehrheit in Ostdeutschland steht für Demokratie und Toleranz ein. Sie muss weiter unterstützt und ermutigt werden, sich der rechtsextremen Bedrohung offen und sichtbar entgegenzustellen, damit nicht länger eine lautstarke Minderheit das Gesamtbild dominieren und verzerren kann. Die Förderprogramme der Bundesregierung „Zusammenhalt und Teilhabe“ sowie „Demokratie leben!“ leisten dafür einen wichtigen Beitrag. Sie sind nahezu verdoppelt worden.

Gleiche Renten in Ost und West

Es gibt noch gravierende Unterschiede bei der Rente in Ost- und Westdeutschland. Für die Schaffung der sozialen Einheit ist die Angleichung der Renten von großer Wichtigkeit. Der Koalitionsvertrag sieht vor, dass zum Ende des Solidarpaktes II und 30 Jahre nach Herstellung der Einheit im Jahr 2020 eine vollständige Rentenangleichung erfolgt. Mit den höchsten Rentenanpassungen zum 1. Juli 2016 hat sich der aktuelle Rentenwert Ost dem Niveau des Rentenwerts West von 92,6 Prozent auf 94,1 Prozent angenähert.