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Aktuelles aus dem Parlamentarischen Beirat für Bevölkerung und Entwicklung

Seit Jahren bin ich Mitglied des Parlamentarischen Beirats für Bevölkerung und Entwicklung der Stiftung Weltbevölkerung. Dieser wurde 2003 in Berlin gegründet und bietet ParlamentarierInnen fraktionsübergreifend ein Forum, ihr politisches Engagement in den Zusammenhängen von globaler Gesundheit, Armutsbekämpfung und internationaler Entwicklung auszubauen. Der Beirat unterstützt die Umsetzung des Aktionsprogramms der Internationalen Bevölkerungskonferenz von Kairo, das 1994 von der internationalen Gemeinschaft verabschiedet wurde. Der Fokus der Arbeit liegt dabei auf:

der Umsetzung sexueller und reproduktiver Gesundheit und Rechte (SRGR),

  • dem Zugang zu freiwilliger Familienplanung und dem Schutz vor HIV und Aids,
  • Mädchen- und Frauenrechten sowie Geschlechtergerechtigkeit,
  • den Belangen von Jugendlichen und insbesondere von jungen Mädchen,
  • den Herausforderungen im Zusammenhang mit Bevölkerungsdynamiken sowie der Bekämpfung vernachlässigter und armutsassoziierter Krankheiten.

Fakt ist: Die Zehnjährigen von heute werden 2030 die nächste Erwachsenengeneration stellen. Sie werden das Vermächtnis der heute getroffenen Entscheidungen erben - und die Welt, die wir ihnen hinterlassen.

Das Highlight 2015: Die Internationale ParlamentarierInnenkonferenz

Im Vorfeld des G7-Gipfels am 7. und 8. Juni 2015 trafen sich auf der internationalen ParlamentarierInnenkonferenz „she matters“ etwa 90 Abgeordnete und zahlreiche BeobachterInnen aus internationalen Organisationen und der Zivilgesellschaft aus mehr als 50 Ländern. Sie diskutierten darüber, wie Frauen und Mädchen überall auf der Welt selbstbestimmte, gesunde und produktive Leben führen können. Fragen der Gleichstellung und globalen Gesundheit wurden dabei genauso thematisiert, wie der Zugang zu Aufklärung und Verhütungsmitteln. Die Konferenz wurde vom Parlamentarischen Beirat für Bevölkerung und Entwicklung gemeinsam mit der Stiftung Weltbevölkerung und dem European Forum on Population and Development (EPF) beim Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) veranstaltet.

In einer gemeinsamen Abschlusserklärung, die an Lars-Hendrik Röller, G7-Beauftrager im Kanzleramt und vormals Präsident der privaten Wirtschaftshochschule ESMT in Berlin, übergeben wurde, forderten die ParlamentarierInnen mehr Rechte für Frauen und Mädchen ein. So fordern sie von den G7- und G20-Staaten sich stärker für die Geschlechtergerechtigkeit einzusetzen und den universellen Zugang zu Aufklärung und Verhütung sicherzustellen.

Gesundheit für Frauen und Mädchen weltweit: Welchen Kurs nimmt die deutsche Politik im Entscheidungsjahr 2015?

Auf dem Parlamentarischen Abend der Stiftung Weltbevölkerung und Bayer HealthCare in der deutschen Parlamentarischen Gesellschaft diskutierten am 4. Mai 2015 mehr als 100 ExpertInnen die Frage, inwieweit die Muskoka-Initiative der G8 von 2010 zur Verbesserung der Kinder- und Müttergesundheit erfolgreich war. Die Themen der sexuellen und reproduktiven Gesundheit und Rechte (SRGR) sowohl in der deutschen als auch in der internationalen Entwicklungspolitik werden auch nach dem Ende der Muskoka-Initiative in diesem Jahr auf der Agenda bleiben.

Der Sprecher des Parlamentarischen Beirats für Bevölkerung und Entwicklung begrüßte in seinem Grußwort für die internationale G7/20 ParlamentarierInnenkonferenz „she matters“, dass hier erneut Mädchen- und Frauenrechte, Geschlechtergerechtigkeit und insbesondere sexuelle und reproduktive Gesundheit und Rechte von Mädchen und Frauen als Grundvoraussetzung für deren Empowerment diskutiert worden waren. In der Abschlusserklärung "Berlin Parliamentary Appeal" wurden von den G7- und G20-Staaten umfassende Maßnahmen gefordert, damit Frauen und Mädchen selbstbestimmt, gesund und ökonomisch unabhängig leben können. Dies sei ein wichtiges Zeichen, denn die Millenniumsentwicklungsziele zur Gleichberechtigung der Geschlechter (MDG 3) und Müttergesundheit (MDG 5) sind zentrale MDGs zur Verbesserung der Gesundheit von Mädchen und Frauen. Der Leiter von Corporate Relations der Bayer Pharma AG betonte in seinem Grußwort, dass Gesundheit ein Menschenrecht und sexuelle und reproduktive Gesundheit zwingend mit dem Zugang zu Verhütungsmitteln verbunden ist. Auch wirtschaftlich mache es Sinn, in Gesundheit und Zugang zu Verhütungsmitteln zu investieren. Eine sichere Verhütung führe zu einer geringeren Mütter- und Säuglingssterblichkeit, was nicht zuletzt Gesundheitskosten spare.

In der sich anschließenden Paneldiskussion zog Ingrid-Gabriella Hoven eine sehr positive Bilanz. Die Leiterin der Abteilung „Globale Zukunftsfragen - Sektoren“ des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit betonte, der deutsche Beitrag zur Muskoka-Initiative zeige eine sehr positive Bilanz. So hätten zusätzlich 400 Mio. Euro mobilisiert und damit ganz unterschiedliche Projekte umgesetzt werden können. Ein positives Beispiel sei Malawi, wo in den Provinzen, die durch deutsche Entwicklungszusammenarbeit unterstützt wurden, der Zugang zu sexuellen und reproduktiven Gesundheitsdienstleistungen deutlich höher ist als in Provinzen ohne Unterstützung.

Dr. Lale Say von der Abteilung zu Reproduktiver Gesundheit und Forschung der Weltgesundheitsorganisation (WHO) verwies darauf, dass der Zugang zu Verhütungsmitteln sehr vielschichtig sei. Es gehe um den Zugang zu Information aber auch um das Recht auf Auswahl und die Verfügbarkeit von Dienstleistungen.

George Ouma, Programmkoordinator der Stiftung Weltbevölkerung in Kenia, betonte, dass die Herausforderung der Umsetzung sexueller und reproduktiver Gesundheit und Rechte (SRGR) schon ab einem frühen Alter relevant sei. In Kenia würden leider auch schon Mädchen mit 10 Jahren schwanger. Dies müsse verhindert werden. Hierfür bedürfe es bedarfsgerechter auf die jeweilige Zielgruppe angepasste Maßnahmen: So müssen Zugangslücken geschlossen, das medizinische Personal besser geschult und die Qualität der Dienstleistungen verbessert werden.

„Es muss noch mehr getan werden“

Es reicht nicht, nur Gesundheitsdienstleistungen bereitzustellen. Frauen und Mädchen müssen die Möglichkeit haben, sich selbstbestimmt zu entwickeln. Dafür bedarf es zahlreicher Verhaltensänderungen. Gerade im Gesundheitssektor müssten multilaterale und europäische Ansätze und Kooperationen gestärkt werden. Es müsse zudem mehr im Bereich Forschung und Entwicklung für armutsassoziierte und vernachlässigte Krankheiten getan werden. Außerdem seien die sich derzeit in der Verhandlung befindlichen Nachhaltigen Entwicklungsziele (SDGs) in allen Ländern umzusetzen. Eine wichtige Rolle bei der Umsetzung spiele dabei die überarbeitete Strategie des UN-Generalsekretärs „Every women, every child“.

Deutsche G7-Präsidentschaft: Gesundheit und wirtschaftliche Stärkung von Frauen

Renate Bähr, Geschäftsführerin der Stiftung Weltbevölkerung, betonte die Wichtigkeit der Schwerpunkte Gesundheit und die wirtschaftliche Stärkung von Frauen der deutschen G7-Präsidentschaft. Sie frage sich aber, ob bei der wirtschaftlichen Stärkung auch an die Frauen gedacht werde, die bisher keine Chance hatten, im formellen Sektor ein Auskommen zu finden. Hinsichtlich der Gesundheit sei es richtig und wichtig, dass vernachlässigte Tropenkrankheiten auf der G7-Agenda seien - aber es stelle sich die Frage, warum die armutsassoziierten Krankheiten (HIV/Aids, Malaria, Tuberkulose) nicht mit auf der Agenda stehen. An diesen Krankheiten stürben nach wie vor Millionen Menschen und es gebe einen großen Bedarf an neuen Diagnostika, Medikamenten und Impfstoffen. Das Gleiche gelte für das Thema Frauen- und Kindergesundheit, die Grundvoraussetzung für jegliches wirtschaftliches Empowerment sei.

Abschließend verwies Renate Bähr auf die ökonomischen Vorteile, die aus Investitionen in Gesundheit, Familienplanung und Bildung erwachsen: Im Positionspapier "Nachhaltige Entwicklung klug finanzieren" der unabhängigen hochrangigen Arbeitsgruppe für die Internationale Konferenz zu Bevölkerung und Entwicklung (ICPD), der sie angehöre, seien diese kompakt als Handlungsempfehlungen zusammengefasst:

1.  nationale Aktionspläne für sexuelle und reproduktive Gesundheit entwickeln,

2. die Sammlung von Daten zu den Finanzmitteln, die in diesem Bereich aufgewendet werden, verbessern,

3. Geberprogramme harmonisieren,

4.  vorhandene Mittel effizienter einsetzen, Klimaneutral gedruckt auf PEFC-zertifiziertem Papier – fördert die nachhaltige Waldbewirtschaftung

5. die Staatseinnahmen erhöhen, um mehr in Gesundheit und sexuelle und reproduktive Gesundheit investieren zu können,

6. finanzielle Hürden beim Zugang zu Dienstleistungen der sexuellen und reproduktiven Gesundheit abbauen,

7. neue, innovative Finanzierungsquellen erschließen und die bestehenden ausbauen,

8. Beiträge der Privatwirtschaft für sexuelle und reproduktive Gesundheit regulieren und

9. die Rechenschaftspflicht bei finanziellen Zusagen für sexuelle und reproduktive Gesundheit und Rechte verbessern.