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Hirntod, Organspende und Suizidprävention – sind wichtige ethische Fragen unserer Gesellschaft

Am 24. Februar 2015 stellte der Deutsche Ethikrat seine Stellungnahme "Hirntod und die Entscheidung zur Organspende" vor. Bereits im Dezember 2014 hatte der Deutsche Ethikrat die ad-hoc Empfehlung: "Zur Regelung der Suizidbeihilfe in einer offenen Gesellschaft: Deutscher Ethikrat empfiehlt gesetzliche Stärkung der Suizidprävention" veröffentlicht. Sowohl die Stellungnahme als auch die Empfehlung standen folglich im Mittelpunkt des 6. Parlamentarischen Abends, zu dem der Deutsche Ethikrat am 18. März ins Paul-Löbe-Haus geladen hat. Ich freue mich, dass wir Bundestagsabgeordneten fraktions- und ausschussübergreifend zahlreich an diesem Abend teilgenommen haben.

Die Vorsitzende des Deutschen Ethikrates, Christiane Woopen, dankte dem Parlament in ihrer Begrüßung für die gute Zusammenarbeit und die Stärkung der finanziellen Ausstattung des Ethikrates. Sie überreichte Bundestagspräsident Lammert den Jahresbericht 2014.

Dabei betonte Woopen die Bedeutung der internationalen Dimension der Arbeit des Deutschen Ethikrates:

  • Zum einen wird der Deutsche Ethikrat 2016 in Berlin Gastgeber für den Global Summit aller Ethikräte der Welt sein.
  • Zum anderen findet Ende März erstmals ein interdisziplinäres und öffentliches Symposium in Istanbul zum Thema „Ethische Entscheidungen am Lebensende im interkulturellen Kontext Deutsche und türkische Perspektiven“ statt. Im Einwanderungsland Deutschland ist es wichtig, sich gerade bei Entscheidungen über Therapieverlängerung und Therapiebegrenzung am Lebensende mit kulturell geprägten Wertvorstellungen und damit verbundener ethischer Fragen auseinanderzusetzen. Die Unsicherheit unter allen Beteiligten ist groß. Ziel ist es, einen Beitrag zur Etablierung internationaler gesellschaftlicher Diskurse zu leisten sowie die Gesundheitspolitik für diese Probleme zu sensibilisieren.

Bundestagspräsident Norbert Lammert würdigte die Arbeit des Ethikrates. Diese sei eine nützliche und notwendige Ergänzung der Debatten des Parlaments zu ethischen Grundsatzfragen. Wichtig sei es, durch dieses Gremium auch frühzeitig auf grundlegende Orientierungsmöglichkeiten hingewiesen zu werden, die die Politik angesichts technologischer Entwicklungen so oder so zu gestalten habe. Ich glaube, dass der Bundestagspräsident damit nicht nur die Themen Digitalisierung des Gesundheitswesens sondern auch die Themen der nächsten nicht öffentlichen Sitzung zu den Themen Embryonenspende und Leihmutterschaft.

Einstimmig: Festhalten am Hirntod als Voraussetzung für eine postmortale Organentnahme

Grundsätzlich gilt: Das Vertrauen in die Transplantationsmedizin in Deutschland ist zu stärken. Transparenz und eine offene gesellschaftliche Diskussion auch kontroverser Fragestellungen sind notwendig. Die Kommunikation rund um die Organspende muss verbessert werden. Jeder Mensch muss die Möglichkeit haben, seine individuelle Entscheidung zur Organspende auf der Grundlage hinreichender Information zu treffen. Dies gilt auch für die Frage, wann der Mensch tot ist. Einstimmig ist der Deutsche Ethikrat der Auffassung, dass am Hirntod als Voraussetzung für eine postmortale Organentnahme festzuhalten ist. Mehrheitlich ist der Deutsche Ethikrat der Auffassung, dass der Hirntod ein sicheres Todeszeichen ist und die Spende lebenswichtiger Organe nur zulässig sein darf, wenn der Tod der möglichen OrganspenderIn festgestellt ist (Dead-Donor-Rule). Eine Minderheit hält den Hirntod zwar nicht für den Tod des Menschen. Die Feststellung des Hirntodes kann aber dennoch als notwendiges Kriterium für eine Organentnahme gelten.

Die Ärzteschaft stehe in der Pflicht, sich kontinuierlich durch entsprechende Aus-, Fort- und Weiterbildung weiterzubilden sowohl medizinisch als auch kommunikativ hinsichtlich der Gespräche mit den Angehörigen auch unter Berücksichtigung besonderer kultureller und sprachlicher Belange.

Aber auch der Gesetzgeber und viele weitere sind erneut gefordert:

  • In § 7 des Transplantationsgesetzes (TPG) soll klargestellt werden, wer anstelle der möglichen SpenderIn eine Entscheidung über eine Organspende treffen müsse. Diese Gespräche sollten bereits vor der Feststellung des Hirntodes begonnen werden dürfen.
  • Unverzüglich seien in allen Bundesländern gemäß den bundesrechtlichen Vorgaben die rechtlichen Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass in den Entnahmekrankenhäusern Transplantationsbeauftragte bestellt werden und diese ihre Aufgabe angemessen erfüllen können.
  • Die bisherigen Informationen durch die Krankenkassen reichen nicht aus. Aufklärungsmaterialien sollten über "die gesamte Tragweite der Entscheidung" (§ 2 Abs. 1 TPG) zur Organspende ergänzt werden, u.a. über eine mögliche Kollision von PatientInnenverfügung und Organspendeerklärung sowie über Art, Umfang und Zeitpunkt von organprotektiven Maßnahmen, die bei der möglichen OrganspenderIn  unter bestimmten Umständen schon vor der Hirntoddiagnostik zur Erhaltung der zu entnehmenden Organe erforderlich sind. Außerdem sind Informationen notwendig, dass in anderen Staaten auch für deutsche StaatsbürgerInnen, die dorthin reisen, andere Regelungen für eine Organentnahme gelten können.
  • Gesetzlich geregelt werden müsse auch, dass für den Fall, dass eine Einwilligung der OrganspenderIn in organprotektive Maßnahmen nicht festgestellt werden kann, welche Personen die Entscheidung über das Einleiten solcher Maßnahmen vor Feststellung des Hirntodes treffen dürfen. Die Zulässigkeit der Durchführung von organprotektiven Maßnahmen bis zur abschließenden Feststellung des Hirntodes sollte gesetzlich an zusätzliche Anforderungen gebunden werden.

Gesetzliche Stärkung der Suizidprävention

Mit Blick auf die bevorstehenden Beratungen des Deutschen Bundestages zur gesetzlichen Regulierung der Beihilfe zur Selbsttötung präsentierte die Ratsvorsitzende die Ad-hoc-Empfehlung „Zur Regelung der Suizidbeihilfe in einer offenen Gesellschaft: Deutscher Ethikrat empfiehlt gesetzliche Stärkung der Suizidprävention“. Der Ethikrat plädiert darin für eine andere, nämlich auf die Stärkung der Suizidprävention ausgerichtete gesetzliche Regulierung und damit eine Ausweitung der Diskussion auf alle suizidgefährdeten Menschen in ihren vielfältigen Lebenssituationen. Die Stärkung der Hospiz- und Palliativversorgung wird unterstützt, jedoch als nicht ausreichend erachtet.

Die an diesem Abend diskutierten Fragen sind höchst „komplex“, ich sage auch schwierig. Daher begrüße ich den Appell des Deutschen Ethikrates nach besserer Kommunikation, die auch „im Alltag“ verstanden werden kann.