Hauptmenü

Rede zur Rezeptfreiheit der Pille danach

Meine Rede am 25.9.2014 zum Antrag der Linken "Rezeptfreiheit der Pille danach" (Drucksache 18/2630). In der Debatte habe ich betont, dass Frauen und Mädchen das Recht haben, selber über ihren Körper und ihr Leben zu bestimmen. 1994 haben 179 Staaten, darunter Deutschland, auf der UN-Weltbevölkerungskonferenz in Kairo die sexuellen Rechte und die sexuelle Selbstbestimmung der Frauen zu einem Menschenrecht erklärt. Dieses Frauenrecht umfasst ihr Recht, frei von Zwang, Diskriminierung und Gewalt über Angelegenheiten im Zusammenhang mit ihrer Sexualität, einschließlich der sexuellen und reproduktiven Gesundheit, bestimmen und frei und eigenverantwortlich entscheiden zu können.

 


54. Sitzung vom 25.09.2014

Mechthild Rawert (SPD): 

Liebe Frau Möhring, als Erstes möchte ich natürlich feststellen, dass wir Parlamentarierinnen hier alle keine Freigängerinnen aus dem Koalitionsgefängnis, sondern frei gewählte Abgeordnete sind.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU   Cornelia Möhring (DIE LINKE): Das ist schon einmal gut!)

Frauen und Mädchen haben das Recht, selber über ihren Körper und ihr Leben zu bestimmen. Niemand sonst.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Für dieses Menschenrecht hat sich die SPD immer eingesetzt - in Deutschland und weltweit.

Bevor ich zu dem heute vorliegenden Antrag direkt komme, möchte ich uns alle an etwas anderes erinnern: 1994 haben 179 Staaten, darunter Deutschland, auf der UN-Weltbevölkerungskonferenz in Kairo die sexuellen Rechte und die sexuelle Selbstbestimmung der Frauen zu einem Menschenrecht erklärt. Dieses Frauenrecht umfasst, ich zitiere, ihr Recht, frei von Zwang, Diskriminierung und Gewalt über Angelegenheiten im Zusammenhang mit ihrer Sexualität, einschließlich der sexuellen und reproduktiven Gesundheit, bestimmen und frei und eigenverantwortlich entscheiden zu können.

(Beifall bei der SPD sowie der Abg. Emmi Zeulner (CDU/CSU))

Vizepräsidentin Ulla Schmidt: 

Kollegin Rawert, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Vogler?

Mechthild Rawert (SPD): 

Ja.

Vizepräsidentin Ulla Schmidt: 

Bitte schön.

Kathrin Vogler (DIE LINKE): 

Vielen Dank, Frau Präsidentin. Vielen Dank, Frau Kollegin, dass Sie meine Zwischenbemerkung zulassen.

Ich habe mich gerade ein bisschen über den Satz, den Sie gesagt haben, gefreut, Sie seien keine Freigängerin aus dem Koalitionsknast, sondern eine frei gewählte Abgeordnete.

(Dr. Andreas Schockenhoff (CDU/CSU): Sie hat „Gefängnis“ und nicht „Knast“ gesagt!)

An diese frei gewählte Abgeordnete und alle ihre Kolleginnen und Kollegen möchte ich gerne meinen Appell richten, genau diese Tatsache im Blick zu behalten.

(Dietrich Monstadt (CDU/CSU): Frage, Frau Präsidentin!   Weitere Zurufe von der CDU/CSU: Frage!)

Ich stelle keine Frage. Lesen Sie bitte die Geschäftsordnung. Ich möchte Sie ermutigen, auch einmal über ein anderes Verhalten als dem reflexartigen Ablehnen unserer Vorlagen nachzudenken, zumal unser Antrag weitestgehend dem entspricht, was der Bundesrat schon mit SPD-Stimmen beschlossen hat. 

Ich möchte Sie dazu mit den Worten der Abgeordneten Lisa Gnadl aus der Sitzung des Sozial- und Integrationspolitischen Ausschusses des Hessischen Landtags am 11. September dieses Jahres ermutigen, in der sie gesagt hat   ich zitiere   : 

Für meine Begriffe kann man einen schnellen und diskriminierungsfreien Zugang zur „Pille danach“ nur gewährleisten, wenn sie rezeptfrei ist. In allen Debatten zu diesem Thema, auch im Bundestag, habe ich nie irgendwelche medizinischen Gründe gehört, die gegen eine rezeptfreie „Pille danach“ sprechen.

(Karin Maag (CDU/CSU): Zuhören!)

Diese SPD-Abgeordnete sagte weiter: 

Ich finde es wichtig, dass wir es begrüßen und unterstützen, dass dieses Medikament aus der Verschreibungspflicht herausgenommen wird.

(Dr. Andreas Schockenhoff (CDU/CSU): Das kann man doch im Protokoll auch nachlesen!)

Ich verstehe nicht, warum Sie

 damit wendet sie sich an Union und Grüne  

sich um diesen Punkt so herumdrücken und diesen Antrag der LINKEN nicht unterstützen wollen.

Ich glaube, viele Frauen draußen werden es auch nicht verstehen, wenn ihr, liebe Mechthild, diesen Antrag der Linken heute nicht unterstützt

(Zuruf von der CDU/CSU: Redet jetzt die Linke?)

und euch mit uns dafür einsetzt, dass das, was ihr ja mehrfach dokumentiert habt und auch selber wollt, Wirklichkeit wird.

(Beifall bei der LINKEN)

Mechthild Rawert (SPD): 

Herzlichen Dank für die Erinnerung, dass mit dieser Diskussion sowohl der Bundestag als auch der Bundesrat befasst sind.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)

Zurück zu Kairo: Dieses Aktionsprogramm von Kairo wurde vor drei Tagen noch einmal beschlossen. 

Wir Abgeordnete lassen eine Bundesregierung ja nicht unvorbereitet nach New York fahren.

(Dr. Andreas Schockenhoff (CDU/CSU): Sehr gut!)

Deswegen haben wir Abgeordnete von CDU, CSU und SPD unter anderem in einem Antrag im Vorfeld dieser Sondertagung gefordert, dass jedem Menschen eine selbstverantwortliche und freie Entscheidung über Zeitpunkt und Anzahl der eigenen Kinder ermöglicht werden muss und dass der Zugang zu anerkannten und modernen Methoden und Leistungen der Familienplanung unabhängig von der Zustimmung von Eltern und Ehepartnern sowie vom Familienstand sicherzustellen ist. Wir haben explizit den freien   ich zitiere   

Zugang zu einer Bandbreite von sicheren, zuverlässigen, qualitativ hochwertigen und erschwinglichen Verhütungsmitteln, inklusive Notfallkontrazeptiva, gefordert.

Und ich fordere für die Frauen in Deutschland das Gleiche, was wir für die Frauen in anderen Ländern auch wollen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und der Abg. Karin Maag (CDU/CSU))

Es kann nicht sein, dass das, was in 79 Staaten   darunter die meisten europäischen Staaten   längst medizinischer und pharmakologischer Alltag ist, uns hier in Deutschland verwehrt wird.

Noch eines, Frau Zeulner: Aufklärung ja, aber Aufklärung im Vorfeld, Hilfe allerdings beim geplatzten Gummi, und das zügig und mit Rezeptfreiheit.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)

Frau Maag, die Kosten einer Kupferspirale liegen bei mehreren 100 Euro. Wir werden weiter über dieses Thema debattieren. Wir haben Beratungsbedarf, weil wir selbstverständlich auch den Aspekt der Kosten der einzelnen Notfallkontrazeptive nicht außer Acht lassen wollen. Das betrifft auch den Vergleich zwischen der Pille danach auf UPA- und der auf LNG-Basis. Unsere Haltung ist, dass wir die Frauen nicht mit Mehrkosten belasten wollen,

(Karin Maag (CDU/CSU): Ja, genau! Deswegen muss es rezeptpflichtig bleiben!)

wenn es schon ein Rezept gibt, das millionenfach sicherstellt, dass eine ungewollte Schwangerschaft verhindert wird.

(Karin Maag (CDU/CSU): Da sind wir uns ja wunderbar einig!)

Wir werden nach der europarechtlichen Entscheidung zur Pille auf UPA-Basis ernsthaft über diese Interessensverquickungen reden. Wir werden auch die Unterscheidung zwischen der Pille danach auf LNG-Basis und der auf UPA-Basis diskutieren. Wir werden somit also auch über die freien Zugänge und die Rechte der Frauen diskutieren.

Wir wissen: Die Pille danach, auch auf LNG-Basis - darüber brauchen wir gar kein Wort mehr zu verlieren -, ist für die Frauen nicht gesundheitsgefährdend, und sie ist nebenwirkungsarm. Machen wir uns nichts vor - machen wir uns in diesem Fall ehrlich -Es geht hier weniger um die Pille danach als Medikament. Es geht um unterschiedliche Wertentscheidungen hinsichtlich der Selbstbestimmung und der Bevormundung von Frauen. Vor allen Dingen geht es - erst recht, wenn ich an die Diskussionen im Rahmen des Bündnisses für sexuelle Selbstbestimmung vom vergangenen Wochenende denke - um den freien Zugang zu Rechten. Dafür stehen wir Sozialdemokraten und Sozialdemokratinnen. Da machen wir weiter. Wir diskutieren intensiv weiter. Ich freue mich auf die Diskussion. Wir überzeugen Sie noch.

(Beifall bei der SPD)