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Mechthild Rawert im Gespräch

Gespräch mit Mechthild Rawert, der Sprecherin der Landesgruppe Berlin der SPD-Bundestagsfraktion am Montag, den 3. Juni 2013.
(Wahlkreis 081: Berlin-Tempelhof-Schöneberg),

In welchem Alter merkten Sie, dass Sie Interesse am politischen Geschehen haben?
Politik ist ja nicht immer Parteipolitik. Politisch aktiv bin ich geworden, als ich 14 bzw. 15 Jahre alt war. Meine Eltern hätten es nicht zugelassen, das ich nichts tue. Sie haben mich stets unterstützt. Ich habe eine katholische Erziehung als Bauerntochter auf dem Lande genießen dürfen.

Warum sind Sie in die SPD gegangen; was waren ihre Beweggründe dafür, politisch Verantwortung zu übernehmen?

Ich bin zwar in einer „katholischen CDU-Familie“ groß geworden, habe allerdings noch nie die CDU gewählt. Die SPD hat eine gute demokratische Tradition, die mich sehr beeindruckt. Mir gefällt die gestalterische Kraft und das Einsetzen für Emanzipation in Partei und Gesellschaft. Die großen gesellschaftspolitischen Veränderungsanstöße kamen jeweils von der SPD. Diejenigen Freunde, die mir damals von der Arbeit der SPD erzählt haben, waren auch in ihr wirklich aktiv, Freunde in anderen Parteien zahlten ihren Mitgliedsbeitrag aber mischten nicht aktiv mit - da erschienen mir die Freundinnen und Freunde in der SPD glaubwürdiger. Die SPD diskutiert, verkündet, setzt aber auch praktisch um - wenn die jeweiligen Mehrheitsverhältnisse es erlauben. Ich persönlich mag es sehr, wenn Wort und Tat nah beieinander liegen.

Wie und wodurch kam es, dass Sie ausgerechnet im Ausschuss für Gesundheit „gelandet“ sind? Was reizt Sie besonders an diesem Ausschuss?

Vor dem Eintritt in den Deutschen Bundestag war ich Zentrale Frauenbeauftrage der Charité. Dort habe ich gemerkt, wie wichtig die Gesundheit für uns alle ist, sei es als PatientIn oder als Beschäftigte. In jungen Jahren erscheint Gesundheit selbstverständlich, das ändert sich mit den Jahren. Das Gesundheitswesen ist ein Feld, von dem alle Menschen existenziell betroffen sind. Dieses Feld fasziniert mich einfach. Aber mensch kann und darf sich nichts vormachen: Es ist schon mal wie im Haifischbecken. Das Gesundheitswesen ist sehr spannend und vielfältig. Meiner Meinung nach muss die Chancengleichheit bei der gesundheitlichen Versorgung verbessert werden. Es ist absolut ungerecht, dass die Lebensdauer von Menschen in einkommensschwächeren Gegenden kürzer ist. Daher ist das Gesundheitswesen ein wichtiger Faktor zur Schaffung sozialer Gerechtigkeit.

Was ist zurzeit ihr wichtigstes politisches Anliegen? Welches Projekt liegt Ihnen besonders am Herzen?
Unser SPD-Sieg bei der kommenden Bundestagswahl steht natürlich ganz oben. Inhaltlich kämpfe ich für die Einführung der Bürgerversicherung, für die Verbesserung der PatientInnenrechte, für den gesetzlichen Mindestlohn, für  gute Arbeit, eine Verbesserung der Ausbildungsstrukturen für die Pflegeberufe, Gleichstellung zwischen Männern und Frauen, Inklusion, etc.. Politisch wird in dieser 17. Legislaturperiode nicht mehr viel geschehen. Alles, was bis zum 28. Juni 2013 nicht im Plenum behandelt wurde, fällt unter die sogenannte Diskontinuität. Neues Spiel, neues Glück.

Was mögen Sie am meisten an ihrer Arbeit?
Dass ich Tag für Tag neue, interessante und spannende Leute kennenlerne – so wie euch zum Beispiel.

Wie stehen Sie in Kontakt mit den Bürgerinnen und Bürgern aus Tempelhof-Schöneberg, um ihre Interessen herauszufinden? Wie würden Sie persönlich das Tempelhofer Feld gestalten?

Ich biete unter anderem regelmäßige Sprechstunden an, wo mir die Menschen ihre Anliegen schildern. Ich gehe sehr gerne direkt auf die Menschen zu. So gibt es beispielsweise die Reihe „Auf ein Wort Frau Rawert!“ - hier werden Bürgerinnen und Bürger zu unterschiedlichen Themen eingeladen, hier treffe ich hauptamtlich und ehrenamtlich tätige Menschen aus den unterschiedlichen Bereichen, wie Gesundheit und Pflege, um zu hören, wo „der Schuh drückt“. Ich gehe zu Veranstaltungen Dritter und erfahre in der Regel dort sehr viel.

Das Tempelhofer Feld ist riesengroß, viel größer als der Potsdamer Platz. Ich unterstütze eine Randbebauung, schließlich brauchen wir in Berlin mehr bezahlbaren Wohnraum. Das Feld dient uns Berlinerinnen und Berlinern dann immer noch als grüne Lunge Berlins. Ich bin ja stolz darauf, dass wir in Berlin im Gegensatz zu anderen großen Städten eine gute Luft haben, nicht zuletzt auch wegen unserer vielen Grünflächen.

Hatten oder haben Sie ein menschliches oder politisches Vorbild?

Menschlich gesehen ist dies sicher meine Mutter. Sie hat sieben Kinder großgezogen und den Hof nach dem Tode meines Vaters allein weitergeführt. Politisch betrachtet ist es unter anderem Rosa Luxemburg oder Marie Juchacz. Letztere hat, nachdem die SPD 1918 das Frauenwahlrecht eingeführt hat, als erste Frau im Parlament 1919 eine Rede gehalten, außerdem die AWO gegründet. Ein anderes Vorbild ist Louise Schroeder, die ehemalige Oberbürgermeisterin Berlins. All diese Frauen haben „die Ärmel hochgekrempelt“ und gezeigt, dass Frauen Politik im Interesse der Menschen machen.

Können Sie in drei Sätzen Ihren Beruf beschreiben?
Es gilt die Interessen der Bürgerinnen und Bürger herauszufinden und Mehrheit für deren Interessen aber auch für sozialdemokratische Überzeugungen zu finden. Diese gilt es dann in die Gesetzgebungsstruktur des Deutschen Bundestages einzubringen. Dafür müssen dann erneut mit viel Überzeugungsarbeit immer wieder Mehrheiten gefunden werden.

Gibt es „DEN EINEN“ großen Erfolg in ihrer politischen Laufbahn?

Ich bin sehr froh, das Thema „Pille danach“ mit meinem Antrag in den Bundestag „transportiert“ zu haben. Den hat die Regierungsmehrheit zwar abgelehnt, aber das Thema ist jetzt auf der politischen Bühne und wird sicherlich nächstes Jahr erneut diskutiert werden. Selbstbestimmung und reproduktive Rechte sind für Frauen, vor allem für junge Frauen, von großer Bedeutung.

Wie stehen Sie zum Berliner Bildungssystem?

Momentan herrscht Schulfrieden. Für große Herausforderungen wie Inklusion müssen wir noch viel investieren. Ich bin froh, dass unser SPD-Fraktionsvorsitzender im Berliner Abgeordnetenhaus, Raed Saleh, vor allem in den Problemkiezen mehr Geld in die Schulen investieren möchte. Dies ist wichtig, denn von nichts kommt schließlich nichts.

Sie unterstützen viele Projekte für Frauen. Wie kommen Sie dazu und was ist Ihnen dabei so wichtig?
Bereits als junges Mädchen merkte ich, dass es gravierende Ungerechtigkeiten in der Gesellschaft gibt. Inzwischen haben mehr junge Frauen einen besseren Schulabschluss als junge Männer und trotzdem kriegen sie weniger „Knete“. Frauen bekommen im Durchschnitt 22% weniger Gehalt und dies ist mit Sicherheit nicht leistungsgerecht. Meine Philosophie ist: „Geld schändet den weiblichen Charakter nicht!“.

Aus ihrem Lebenslauf haben wir erfahren, dass Sie katholisch sind. Spielt das eine Rolle in Ihrem Beruf? Und wenn ja, bei was?
Bei den Diskussionen zum Verhältnis von Staat und Religion spielt es eine Rolle, einer Glaubensgemeinschaft anzugehören. Ich selber bin durchaus offen dafür, dass die Kirchensteuer anderweitig und nicht mehr durch den Staat eingezogen wird. Ich bin auch sehr für Reformen innerhalb der katholischen Kirche, da sie in manchen Bereichen nicht so demokratisch ist wie sie immer selbst verkündet.

Welche Erwartungen und Hoffnungen haben Sie an die Wahlen zum 18. Deutschen Bundestag am 22. September 2013?

Rot-Grün gewinnt! - das ist meine Hoffnung. icherwarte vor allen, dass es eine superstarke SPD gibt. Und ich möchte den Wahlkreis Tempelhof-Schöneberg direkt gewinnen.

Gibt es etwas, was Sie uns persönlich bzw. unserer Generation mit auf den Weg geben wollen?
Erst mal bedanke ich mich, dass ich für dieses Gespräch angefragt wurde. Mensch sagt der heutigen Jugend vieles nach, was einfach nicht stimmt. Lasst den Kopf nicht hängen und macht und lernt das, was euch Spaß macht. Seht aber bitte zu, dass ihr einen Abschluss fertig macht und dann eine Ausbildung abschließt.

Wir danken ganz herzlich für das Gespräch.
Lea Boukroum, Anthi Dourougideni, Katharina Goedecke, Charlotte Hasenauer, Ken Biesen, Lorenz Bell, Richard Grau und Leon Richter - Praktikantinnen und Praktikanten bei der Verwaltung des Deutschen Bundestages, Referat ZT 4-Teilbereich Etagendienst.