Hauptmenü

Mechthild Rawert im Gespräch

Die Praktikantinnen der Verwaltung des Deutschen Bundestages Angelina Wendt, Ewelina Zych und Maraike Schahn  führten am 18. September  2012 das folgende Interview mit der SPD-Bundestagsabgeordenten Mechthild Rawert aus Tempelhof-Schöneberg:

Wie und in welchem Alter sind Sie zur Politik gekommen? Gab es ein Schlüsselerlebnis?
Politisches Handeln ist ja nicht zwangsläufig unmittelbar arbeiten und engagieren in einer Partei. Ich finde, es fängt immer mit bürgerschaftlichem Engagement an. Damit habe ich als Jugendliche angefangen. Ich komme gebürtig aus Nordrhein-Westfalen, aus Coesfeld und da gab es die Katholische Landjugendbewegung. Ich hab mich in der Landjugendbewegung „rum-getrieben“ und war dann dort auch Vorsitzende. Als Studentin war ich in der Studentenvertretung. Erst als 27- oder 28-jährige, ich weiß es gar nicht mehr genau, bin ich in die SPD eingetreten. Ich wollte mitgestalten und ich wollte nicht, dass nur andere über mein Leben politisch bestimmen.

Warum ist die SPD ihre politische Heimat geworden?
Mir haben die Werte der Sozialdemokratie gut gefallen, also Freiheit, Gleich-heit und Solidarität. Darüber hinaus hatte ich viele nette Leute innerhalb der SPD kennengelernt. Es haben mich auch einige „an die Hand genommen“ und mir einiges erklärt. So kann ich sagen, dass ich hier aus politischer Überzeugung, aber auch, weil mir die Freundschaften und das politische Miteinander gut gefallen, hier meine politische Heimat gefunden habe.

Sie wurden in Nordrhein-Westfalen geboren. Was hat Sie nach Berlin verschlagen?
Mein Beruf hat mich nach Berlin verschlagen. Ich bin in Coesfeld zur Schule gegangen und habe dort mein Abitur gemacht. Anschließend bin ich von Coesfeld aus 40 Kilometer weiter gezogen, nach Münster. Dort habe ich Sozial-pädagogik studiert. So ein Abschluss endet immer mit einem Diplom. Zum Beruf gehört aber auch noch die staatliche Anerkennung. Ich suchte also für dieses Anerkennungsjahr eine Stelle und habe im Dezember 1980, zwei Wochen in Berlin verbracht. Für mich stand fest: Wenn ich eine Stelle für mein Anerkennungsjahr finde, gehe ich für ein Jahr nach Berlin. Ich bin dann am 4. oder 5. Januar 1981 nach Berlin gekommen und aus dem einem  Jahr wurde ein bisschen mehr, mittlerweile sind es 31 Jahre.

 Was sind ihre Aufgaben als Sprecherin der Landesgruppe Berlin der SPD-Bundestagsfraktion?
Jede Landesgruppensprecherin vertritt gebündelt die Interessen aller Abgeordneten des jeweiligen Bundeslandes ihrer Fraktion. Ich selber bin  Fachpolitikerin für den Bereich Gesundheit. Als Landesgruppensprecherin bin ich zum Beispiel letzte Woche mit den Verkehrspolitikern der unterschiedlichen Fraktionen auf dem Flughafen „BER“ gewesen, weil das natürlich ein originäres Thema für Berlin ist. Fachübergreifend organisieren wir beispielsweise eine Veranstaltung zum Thema Flughafenasyl. Ich persönlich bin für die Abschaffung von Flughafenasylverfahren. Das mache ich aber nicht als Fachpolitikerin, sondern in der Rolle als Landesgruppensprecherin. Zur Ausübung dieser Funktion gehört natürlich auch eine Menge organisatorische Arbeit.

Die Mitarbeit in welchem Bundestagsausschuss (derzeit ordentliches Mitglied im Gesundheitsausschuss) hat Ihnen bisher die meiste Freude bereitet?
Ich habe zwei Bundestagsausschüsse kennengelernt. Ich war neben dem Ausschuss für Gesundheit von 2005 bis 2009 noch im Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz. Auch das hat mir sehr viel Freude gemacht. Verbraucherschutz ist etwas sehr Wichtiges für uns alle. Die Mitgliedschaft in diesem Ausschuss habe ich aufgegeben, weil ich in meiner zweiten Legislaturperiode in sehr viele Querschnittsarbeitsgruppen reingegangen bin. Ich habe an der Verbesserung unserer SPD-Programmatik gearbeitet. Geblieben bin ich in dem für die Bevölkerung existenziell wichtigen Ausschuss für Gesundheit.


Wissen Sie noch das Thema ihrer ersten Rede im Deutschen Bundestag?

Ja, dass war eine Rede zum Mutterschutzgeld.

Was war ihre bisher schwierigste politische Entscheidung bzw. Abstimmung?
Da gab es schon mehrere. Eine schwierige Entscheidung war damals zum Beispiel die Föderalismusreform. Eine schwierige Entscheidung war  auch der europäische Fiskalpakt, beziehungsweise der Europäische Stabilitätsmechanismus. Eine schwierige Entscheidung ist auch immer alles was sich um Gendiagnostik, um Organspende und Ähnlichem dreht.

Gab es oder gäbe es einen Punkt, bei dem Sie nicht mit ihrer Fraktion gestimmt haben bzw. stimmen würden?

Ja, unter anderem habe ich nicht mit meiner Fraktion gestimmt, als es seiner-zeit um das Optionsrecht, also das Aufenthaltsrecht für junge Menschen mit Migrationsbiografie ging. Aus meiner Sicht sind alle Kinder und alle Jugend-lichen, die hier leben, Berlinerinnen und Berliner. Es kann nicht sein, dass ein Teil dieser Menschen, nur weil sie Eltern haben, die nicht deutschstämmig sind, sich zwischen 18 und 23 Jahren entscheiden müssen, ob sie die deutsche oder eine andere Staatsbürgerschaft wollen? Das fand ich nicht in Ordnung und habe deshalb dagegen gestimmt. Ich möchte, dass wir hier in Deutschland das Recht auf Doppel- bzw. Mehrstaatlichkeit einführen.

Kommen Sie gut mit ihren Kolleginnen und Kollegen aus und wie funktioniert die Zusammenarbeit mit anderen Fraktionen? Gibt es Freundschaften in der „Großen Politik“?
Ja, ich komme gut klar mit den Kolleginnen und Kollegen. Wir arbeiten professionell miteinander. Ein freundschaftliches Miteinander erleichtert das Zusammenarbeiten ungemein. Wenn man sich außerhalb des formalen Raums trifft, ist mancher Umgang auch mit KollegInnen anderer Fraktionen leichter. Es gibt jedoch ein paar Kolleginnen und Kollegen, mit denen werde ich im Leben niemals konfliktfrei arbeiten können.

Haben Sie es jemals bereut, dass Sie in die Politik gegangen sind?
Nein. Ich habe sehr interessante Begegnungen mit wunderbaren Menschen gehabt.  Das sind alles Erfahrungen, die ich ohne die Politik nicht hätte machen können.

Wenn Sie nicht in der Politik aktiv wären, in welchem Beruf würden Sie dann arbeiten?
Ich habe, wie bereits erwähnt, eine Ausbildung als Sozialpädagogin und eine Ausbildung als Diplompädagogin und wäre in dem Bereich, der ja sehr vielschichtig sein kann, tätig.

Was macht eine/einen gute/guten Abgeordnete/Abgeordneten aus? Sind Sie eine gute Abgeordnete?

Ja, dass würde ich von mir selbst behaupten. Aus meiner Sicht macht eine gute Volksvertreterin aus, dass sie sehr dialogorientiert mit den Bürgerinnen und Bürgern ihres Wahlkreises ist. Es ist wichtig, dass man viel vor Ort ist, dass man viel Interesse am eigenen Wahlkreis hat und eben viel im Gespräch ist. Wir müssen nicht immer einer Meinung sein. Ich möchte wissen, was die Menschen bewegt. Nur so kann ich ihre Interessen gut vertreten. Ich denke, dass mache ich gut und das mache ich auch sehr vielfältig. Die andere Seite ist das Engagement auf der Ebene des Parlaments. Da heißt es natürlich, dass ich mich gut um die gesundheitlichen Belange der Bevölkerung zu kümmern habe. Ich habe einen Antrag zur Eindämmung der Individuellen Gesundheitsleistungen (IGeL) eingebracht. Da ist eine stärkere Regulierung notwendig, weil es sehr viel Abzocke in manchen Praxen gibt. Ein anderer Bereich an dem ich ganz aktuell arbeite, ist die Ausweitung der sogenannten Notfallkontrazeptiva („Pille danach“). Wenn es mal ein Malheur bei der Verhütung gibt, dann sollen auch die Frauen hier in Deutschland die Möglichkeit haben, die „Pille danach“ rezeptfrei zu bekommen. Für viele Frauen weltweit ist das bereits so, und ich möchte, dass dies auch in Deutschland so ist.

Wollen Sie sich im nächsten Jahr erneut zur Wahl für den Bundestag stellen?
Ich möchte mich gerne erneut zur Wahl aufstellen lassen. Die SPD führt in meinem Wahlkreis eine Mitgliederbefragung durch. Im Augenblick sind wir schon sechs Kandidatinnen und Kandidaten.

Wir danken Ihnen für das nette und informative Gespräch.

Angelina Wendt, Ewelina Zych und Maraike Schahn
Praktikantinnen bei der Verwaltung des Deutschen Bundestages, Referat ZT 4 -Teilbereich Etagendienst-