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Informationsaustausch mit Polizeibeamt*innen im Abschnitt 41 im Schöneberger Norden

Von vermehrten homophoben Übergriffen im Regenbogenkiez wurde mir während des Lesbisch-schwulen Stadtfestes beim Austausch mit Vereinen, Verbänden, Projekten und Initiativen berichtet. Insbesondere Maneo, das Schwule Anti-Gewalt-Projekt in Berlin hatte mich diesbezüglich angesprochen und auf den im Mai 2017 veröffentlichten MANEO-Report 2016 verwiesen. Wir alle wollen uns sicher fühlen, folglich waren diese Hinweise Grund genug für mich, mit dem zuständigen Polizeiabschnitt einen Gesprächstermin zu vereinbaren.

Polizeiabschnitt 41: der kleinste Abschnitt Berlins

Am 7. August 2017 besuchte ich mit meinem Team den Abschnitt 41 der Berliner Polizeidirektion 4 in der Gothaer Straße. Der Abschnittsleiter Uwe Berndt, die Leiterin des Führungsdienstes Christiane Strauß und der Leiter der Dienstgruppe 2 Herrn Schröder, der selbst viel vor Ort unterwegs ist, nahmen sich sehr viel Zeit für uns. Auch dafür möchte ich mich herzlich bedanken.

Der Polizeiabschnitt 41 im Schöneberger Norden ist mit 3,16 km² Gesamtfläche der kleinste Abschnitt Berlins und beherbergt etwa 57.000 Menschen.

Auf relativ kleiner Fläche sind neben vielfältigsten Ladengeschäften insgesamt 402 gastronomische Betriebe, sechs Spielhallen und drei Diskotheken ansässig. Besonderer touristischer Anziehungspunkt ist der Wittenbergplatz und die Tauentzienstraße mit dem KaDeWe als Teil der größten Einkaufsmeile der Stadt, dem “Ku’damm”.

Im Bereich Schöneberg Nord befindet sich die größte zusammenhängende Homosexuellenszene Europas. Diese hat seit Anfang der 80er Jahre eine starke Anziehungskraft entwickelt und ist über die Grenzen Deutschlands hinaus bekannt. Das von den im Regenbogenfonds e.V. organisierten Wirten in diesem Jahr bereit zum 26. Mal durchgeführte „Lesbisch-schwule Straßenfest“ lockt in jedem Jahr bis zu 500.000 Menschen an.

Strategien zur Bekämpfung von Straftaten im „Regenbogenkiez“

Auch im Polizeiabschnitt 41 sind die Schlagzeilen um homophobe An-und Übergriffe im „Regenbogenkiez“ bekannt. Allerdings decken sich die belastbaren Zahlen und Fakten nicht mit den Schlagzeilen. Dies wurde uns anhand Präsentation veranschaulicht. Bis zu unserem Besuch hatte es insgesamt 216 Anzeigen in diesem Jahr gegeben. Allein 105 Anzeigen -also fast die Hälfte-  bezogen sich auf Taschendiebstahl. Hierbei, so die Erfahrungen der Polizei, wird der Antänzertrick benutzt. Zumeist junge Männer tanzen um ihre Opfer herum. Dass dies ein Ablenkungsmanöver ist, um Brieftasche oder Geldbörse zu stehlen, merken die Opfer leider erst später. 66 angezeigte Straftaten werden im Zusammenhang mit Verstößen zum Betäubungsmittelgesetz geführt. Dazu kommen 7 Sexualdelikte, 16 Körperverletzungen und 22 Raubüberfälle. Das sind selbstverständlich 216 Straftaten zu viel, zumal nicht jede Straftat angezeigt wird.

Der „Regenbogenkiez“ steht mittlerweile auf der Liste kriminalitätsbelasteter Orte Berlins. Dennoch müsse konstatiert werden, dass das subjektive und objektive Sicherheitsgefühl nicht deckungsgleich sind. Zur Stärkung der Kriminalitätsbekämpfung zeigt die Polizei vor Ort Präsenz: sowohl mit motorisierten Streifen, mit Fußstreifen im Rahmen des täglichen Dienstes, u. a. auch vom Kontaktbereichsdienst als auch durch intensive Aufklärungsmaßnahmen durch Kräfte des Streifendienstes.

Herr Schröder, der im Kiez auch Streife läuft, berichtete, dass er seine „Pappenheimer“ kenne. Es gäbe rumänische junge Männer, die sich am Bolzplatz treffen und sich als Prostituierte verdingen würden. Ihnen hätte vor allem Respekt eingeflößt, dass die Polizei sie mittlerweile mit dem Namen ansprechen könne. Sehr wirkungsvoll sei auch der ab und zu stattfindende gemeinsame Streifendienst mit Kolleg*innen der rumänischen Polizei. Für die Polizei sei problematisch, dass Straftäter*innen schneller wieder auf der Straße sind als der Bericht fertig geschrieben sei. Hier wünscht sich die Polizei von der Politik mehr Phantasie bei den möglichen gesetzlichen Straffindungen. Die Androhung von Strafen, die jungen testosterongesteuerten Männern mehr wehtun als die Nacht im Gewahrsam zu verbringen oder gar eine Gefängnisstrafe absitzen zu müssen, würde wahrscheinlich fruchtbarere Ergebnisse bringen.

Etwas ärgerlich findet die Polizei, dass mensch mittlerweile bei mehreren Projekten in der Stadt bzw. mit Online-Angeboten homophobe Taten anonym anzeigen könne. Zum einen werde dadurch das „Lagebild“ verfälscht, da dieselbe Tat oft mehrfach gemeldet würde und zum anderen, weil bei anonymen Anzeigen bei Zeug*innen und Opfern, die sich ggf. auch entfernen, keine Nachfragen mehr gerichtet werden können.

Bereits seit 1997 gibt es das Präventions- und Ermittlungsteam (PE/Team) im Abschnitt 41. Das PE/Team betreibt auf der Grundlage eines niederschwelligen Gesprächsangebotes kiezorientierte Gewalt- und Kriminalitätsprävention. Zu diesem Zweck findet eine ständige Vernetzung mit allen in diesem Bereich relevanten Behörden, Institutionen und natürlich mit den Betroffenen statt.

Beeindruckt hat mich die hohe Sensibilität in Bezug auf Prävention und Opferschutz. Die Angehörigen des Präventions- und Ermittlungsteams arbeiten sehr vernetzt mit allen relevanten Akteur*innen im Kiez und im Bezirk zusammen. So wird der Abschnitt in Kürze erneut alle Akteur*innen im Kiez, die Wirte, die Politik und Anwohner*innen unter dem Motto „Gemeinschaft stärkt!“ zum Gespräch einladen.   

Kiezorientierte Gewalt- und Kriminalitätsprävention in punkto Straßenprostitution

Zweiter Themenschwerpunkt war die Straßenprostitution. Mit EU-Osterweiterung hat sich der „uralte“ Straßenstrich, der von deutschen Prostituierten dominiert worden war, gewandelt. Nun stehen hier zumeist Frauen aus Bulgarien, Ungarn. Rumänien und der Tschechischen Republik. Die Polizei geht davon aus, dass es zwischen den Gruppen eine Revieraufteilung gegeben hat. Soll heißen, dass die Nationalitäten immer zusammenstehen. Da die Rotlichtszene europaweit agiert, ist sie durchaus polizeierfahren. Für die Öffentlichkeit störend sei vor allem die Anbahnung, die nicht diskret verläuft und die Ausübung des Sexualverkehrs in der Öffentlichkeit. Das Prostitutionsgewerbe werde aber auch die zunehmende bauliche Verdichtung erschwert, früher hätten die unterschiedlichen Nachbar*innen getrennter von einander gelebt.

Anwendung des Prostitutionsschutzgesetzes

Seit dem 1. Juli 2017 ist das neue "Gesetz zur Regulierung des Prostitutionsgewerbes sowie zum Schutz von in der Prostitution tätigen Personen" in Kraft. Die Umsetzung ist Sache der Länder und Kommunen. Sowohl in Berlin als auch in anderen Bundesländern geschieht dieses aber noch nicht. Die "Verordnung zur Umsetzung des ProstSchG im Land Berlin" befinde sich noch in Bearbeitung. Unklar sind derzeitig unter anderem noch die Finanzierung, der zusätzliche Personalbedarf in den Gesundheitsämtern aber auch die Sicherung des Datenschutzes.

Ich habe im vergangenen Jahr gegen das Prostitutionsschutzgesetz gestimmt. Schon allein die obligatorische Gesundheitsberatung, die dem Beratungsgedanken des Infektionsschutzgesetzes widerspricht, aber Voraussetzung für die Anmeldung als Prostituierte ist, hätte mir als Grund gereicht. Unklar war und ist mir auch die künftige Arbeit des öffentlichen Gesundheitsdienstes. Normalerweise wird hier auf der Grundlage der Freiwilligkeit - bei Wunsch auch anonym - beraten. Für „Zwangsberatungen“ mit denen der Zwangsprostitution begegnet werden soll, ist der öffentliche Gesundheitsdienst nicht ausgerichtet.

Wie die Kontrolle der Kondompflicht funktionieren soll, konnte mir schon damals niemand nachvollziehbar erklären. Diese Frage hat sich auch der Dienstgruppenleiter Herr Schröder gestellt. Er wies zudem darauf hin, dass die Polizei bei Kontrollen vor Ort nicht in jedem Fall in der Lage sei festzustellen, ob der „Hurenpass“ den die Prostituierten bei sich tragen müssten, echt oder gefälscht sind. Er plädierte dafür, dass diese nur in Verbindung mit dem Pass bzw. Personalausweis gültig sein dürften.  Die Zuverlässigkeitsprüfung für die Anmeldung eines Bordells, befürchtet er, könnte über Strohmänner umgangen werden. 

Sorgen macht sich die Polizei auch über die Visafreiheit für ukrainische Staatsbürger*innen. Aus Sicht der Polizei führt diese zu weiterem „Rotlichtimport“ und damit zu weiteren Spannungen im Kiez und zu Gebietsstreitigkeiten. Die Polizei befürchtet verstärkte Beschwerden der künftigen Anwohner*innen der sich derzeit noch im Bau befindlichen Wohnanlagen.

Ein dringender Wunsch der Polizeibeamt*innen ist die Schaffung von mehr Frauenhausplätzen für Aussteigerinnen bzw. für Zwangsprostituierte. Die in Berlin vorhandenen Frauenhausplätze würden nicht ausreichen. Oftmals müsste in Brandenburg nach Plätzen gefragt werden, da die Berliner Einrichtungen belegt seien.

Verabredet sind weitere Treffen, schon allein wegen der Umsetzung des Prostitutionsschutzgesetzes. Ich freue mich über dieses Gesprächsangebot.