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Wahlkampf NRW: Besuch der Schule für Gesundheitsberufe in Coesfeld

Ich stamme gebürtig aus Coesfeld, einer Kreisstadt im Münsterland. In NRW wird am 14. Mai gewählt - so auch hier. Eingeladen vom SPD-Landtagskandidaten Hermann-Josef Vogt habe ich zusammen mit ihm Einrichtungen besucht, die eine hohe Bedeutung für Coesfeld und Umgebung haben. Hermann-Josef Vogt kandidiert für die SPD in Havixbeck, Billerbeck, Rosendahl, Coesfeld, Gescher, Velen-Ramsdorf, Reken, Raesfeld, Heiden und Südloh-Oeding. Ich danke Hans Hermann-Josef Vogt und meinen Gesprächspartner*innen für die sehr interessanten Gespräche und das Viele, was sie mir auch mit auf den bundespolitischen Weg gegeben haben.  

Besuch der Schule für Gesundheitsberufe der Christophorus Kliniken

Noch im Juni diesen Jahres wird der Deutsche Bundestag das Gesetz über die Pflegeberufe beschließen. In den kommenden Jahren wird es Änderungen in der Ausbildungsstruktur geben und Änderungen in Bezug auf die Führung der Berufsbezeichnung, des Ausbildungszieles und auch Vorbehaltsaufgaben für Pflegefachkräfte. Das ursprüngliche Ziel einer generalistischen Ausbildung ab 2019 wurde von der CDU/CSU torpediert. Es wurde notwendig, einen politischen Kompromiss zu finden, ansonsten wäre die Chance zur Modernisierung der Pflegeberufe sowie der Sicherung der Bedarfe von Patient*innen und Pflegebedürftige auf Jahre hinaus völlig vertan. Die nun bestehenden Optionen werden an vielen Orten lebhaft debattiert - so auch in dieser Runde. Ich bedanke mich für die zahlreichen Anmerkungen.

Es ist mein dritter Besuch in der Schule für Gesundheitsberufe des Christophorus-Trägergesellschaft in Coesfeld-Goxel und die Diskussion mit Lehrenden und Auszubildenden war jedes Mal sehr informativ auch für mich.

Norbert Falke, Leiter der Schule für Gesundheitsberufe, verwies auf die dringende Notwendigkeit, für sämtliche weitere Gesetzesvorhaben einschließlich der Entwicklung einer Ausbildungs- und Prüfungsverordnung vermehrt Bildungsexpert*innen aus der Pflege einzubeziehen. Nur hierdurch sei sichergestellt, dass der Einfluss der Verbände mit überwiegenden Nutzerinteressen gering gehalten würde. Beklagt wird die Ermangelung von Pflegekammern in den meisten Bundesländern und auf Bundesebene.

Auch in den Einrichtungen der Christophorus Trägergesellschaft stellen Pflegekräfte die größte Berufsgruppe dar, so Dr. Mark Lönnies, Vorsitzender der Geschäftsführung der Christophorus-Trägergesellschaft. Zu dieser gehören neben den Krankenhäusern in Dülmen, Coesfeld und Nottuln außerdem noch drei Altenheime, die Schule für Gesundheitsberufe und der ambulante Pflegedienst VICA. Die Christophorus-Trägergesellschaft ist mit rund 2.500 Mitarbeiter*innen im Kreis Coesfeld der größte Arbeitgeber. Es gibt mehr als 155 Ausbildungsplätze. Grundsätzlich wurde die politische Einigung der Regierungskoalition auf eine Entwicklung der Pflegeberufsausbildung begrüßt, letztlich bleibt aber die konkrete Ausgestaltung abzuwarten. „Willkommen ist jede Maßnahme, die geeignet ist, die Ausbildung in den Pflegeberufen zu stärken und somit einen Beitrag gegen den Fachkräftemangel zu leisten.“ Auch die gesetzliche Vorgabe von Mindestpersonalbesetzungen in pflegesensitiven Bereichen wurde als Instrument zur Identifizierung und Steuerung des prioritären Einsatzbedarfs für zusätzliche Pflegekräfte grundsätzlich akzeptiert. „Ein nachhaltiger Personalaufbau erfordert jedoch die konsequente Ausfinanzierung für die zu erwarteten Kostensteigerungen.“

Melanie Ermert, Dipl.-Pflegewissenschaftlerin (FH) hat die Stabsstelle Pflegeentwicklung und -management inne. Sie befürchtete, dass die Branche der professionellen Pflege nicht im vergleichbaren Maße wächst, wie der steigende Anteil von Menschen, die krank und hilfs- bzw. pflegebedürftig sind. Zwei Maßnahmen seien bedeutsam:

  • die Gewinnung junger Menschen für den Pflegeberuf
  • Maßnahmen, die es bereits qualifizieren Pflegefachkräften ermöglicht, im Beruf tätig zu sein bzw. zu bleiben. Dazu gehört unter anderem der Ausbau der Betreuungsinfrastruktur und der familienunterstützenden Dienstleistungen. Vorgeschlagen werden auch steuerliche Regelungen sowie Änderungen im Rentensystem. „Es muss unbedingt vermieden werden, dass eine Sicherung der Pflege- und Versorgungsqualität in einem Bereich nicht zu Lasten eines anderen Bereiches fällt!“

In verschiedenen Feldern der Altenpflege kriselt bereits jetzt dramatisch, angefangen bei der Ausbildung, betonte Julia Hayck. Sie leitet des Caritas Fachseminar für Altenpflege mit rund 250 Ausbildungsplätzen, das mit über 50 Kooperationspartnern im Kreis Coesfeld und aus dem Umkreis zusammen arbeitet. Nach wie vor sei die Ausbildung der Altenpfleger*innen deutlich benachteiligt gegenüber der Krankenpflege. Das wirke sich natürlich auf die Ausstattung und Personalsituation aus. Leider sei schon jetzt ein abnehmendes Interesse jungen Menschen an der Ausbildung spürbar. 

Die Stärkung der ambulanten Pflege sei wichtig und gut, aber es sei falsch, den stationären Bereich auszuklammern, erläuterte Jochen Fallenberg. Er ist Geschäftsführer aller ambulanten und stationären Altenpflegeeinrichtungen der Christophorus Trägergesellschaft, also der St.-Katharinen-Stift GmbH, der St.-Elisabeth-Stift GmbH, der St.-Laurentius- Stift GmbH und bei VICA Die ambulante Pflege GmbH. Abgebaut werden müssten die starren Sektorengrenzen im Sozialgesetzbuch XI zwischen ambulant, teilstationär und stationär. Viele Heimleiter*innen der stationären Pflege gingen von einer Verschlechterung der Pflegequalität aus. „Wir sehen eindeutig, dass die Euphorie um die Pflegestärkungsgesetze in der Branche verflogen sind.“ Es gäbe den klaren „Handlungsauftrag an die Politik für ein Pflegestärkungsgesetz IV!“

Die Hochschulen des Gesundheitswesens erwarten eine Sicherung der grundständigen Akademisierung der Pflegeberufe, machte Daniela Schlosser deutlich. Sie ist die Ansprechpartnerin für die Gesundheits- und Krankenpflege- sowie die Hochschulbildung im BLGS, Bundesverband Lehrende Gesundheits- und Sozialberufe, Landesverband Nordrhein-Westfalen. Sie betonte nachdrücklich, dass Obligatorisch müsse eine Finanzierung der im Gesetz verankerten Lehre, Praxisbegleitung und Praxisanleitung sein. Die Finanzierung der Auszubildenden (mittels Gehalt/Lohn) sei ebenfalls wünschenswert.

Der Bundesvorsitzende des BLGS Carsten Drude war extra zum Gespräch angereist. Der derzeit in groben Zügen bekannt gewordene vorliegende politische Kompromiss zum Pflegeberufereformgesetz wird von den Bildungsexpert*innen für die Pflege als „in weiten Teilen berufspolitisch rückständig“ bewertet. Die Fortführung der traditionellen Dreiteilung des Pflegeberufs unterlaufe europäische Mindeststandards und gefährde die angemessene pädagogische Versorgung der Bevölkerung. Die Chance, die Pflegeausbildung an den aktuellen und zukünftigen Herausforderungen auszurichten und bedarfsgerecht weiterzuentwickeln, werde vertan. Den Schulen werde bei völlig unsicherem Nutzen ein erheblicher Mehraufwand zur Umsetzung eines fachlich und berufspädagogisch „unsinnigen“ Konzepts aufgebürdet. An den BLGS-Mitgliedsschulen würden schon jetzt „Symptome einer politisch induzierten, destruktiven Destabilisierung des Pflegebildungssystems“ erlebt. Begrüßt werden aber die Formulierungen zu den Vorbehaltsaufgaben und die reguläre Etablierung hochschulischer Bildungswege.

Pädagogischer Handlungsbedarf existiert vor allem in den Bereichen:

  • Finanzierung:
    • Die auskömmliche Finanzierung aller Ausbildungsstätten muss anhand einer genau bestimmten Anzahl genehmigter Ausbildungsplätze erfolgen. Schulen brauchen Planbarkeit.
    • Abgelehnt werden Individualbudgets, anzustreben seien Pauschalvergütungen auf Länderebene. Zweckgebundene Investitionsmittel müssen direkt an die Schulen gehen.
  • Grademix und Bildungsgänge:
    • Pflegehelfer*innen müssen klar von Ausbildungsabbrecher*innen unterschieden werden, da die Ausbildung von vornherein am EQG-Level-4-5 orientiert ist. Für Abbrecher*innen sollten die Länder geeignete Anrechnungsmodelle für ihre Helfer*innenausbildungsgänge entwickeln.
    • Die Länder müssen die Entwicklung neuer und adäquater Weiterbildungen für spezialisierte Bereiche massiv vorantreiben und entsprechende Weiterbildungsverordnungen erlassen. Diese sind länderübergreifend zu harmonisieren.
  • Politischer Prozess und Mitwirkung:
    • Erwartet wird eine schnelle Aufklärung über die inhaltlichen Details des Gesetzes und über den politischen Fahrplan.
    • Der BLGS als Zusammenschluss von Bildungsexpert*innen für die Pflege möchte in allen relevanten Gremien und Arbeitsgruppen vertreten sein, die sich mit der konkreten Ausgestaltung der einzelnen Bildungsgänge befassen. Dies betrifft insbesondere die Mitwirkung bei der Gestaltung von Ausbildungs-und Prüfungsverordnungen, von Rahmenlehrplänen, etc.

Im Anschluss an das über zwei Stunden andauernde Fachgespräch haben wir eine Schulklasse besucht. Auch den Schüler*innen mein Dank für ihr Interesse an einer zukunftsfesten Ausbildung in der Pflege.