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Für die Gesundheit ist es nie zu spät!

Für Prävention ist es nie zu spät! Und Prävention geht uns alle an! Jeder Mensch kann eines Tages selber krank, behindert oder pflegebedürftig werden. Deswegen ist das Vorbeugen chronischer, teilweise schwerer Erkrankungen nicht nur für junge BürgerInnen wichtig.

Am 6. Oktober 2016 wurde ich von der Interessengemeinschaft Dialyse und Transplantation (IDT) Berlin e.V. sowie der Interessengemeinschaft künstliche Niere und Transplantation Berlin (IKN) e.V. zu einer Seminarveranstaltung auf dem Gelände der Charité Campus Benjamin Franklin (CBF) eingeladen. Die beiden Vereine sind Selbsthilfegemeinschaften, deren Mitglieder sich in regelmäßigen monatlichen Treffen vertrauensvoll miteinander über den Verlauf ihrer Erkrankungen austauschen, aber auch ihre Freizeit miteinander teilen, die mit den regional tätigen NephrologInnen, mit Verantwortlichen der Sozialleistungsträger und auch anderen Organisationen aus dem Bereich der PatientInnen- und Selbsthilfegruppen, sowie den hierfür  zuständigen staatlichen Stellen gute Kontakte pflegen. Auf diesem Wege erfolgt ein schneller und inhaltlich fundierter Austausch zu allen relevanten medizinischen und  sozialen Fragen, die für die Betroffenen wichtig sind bzw. sein können.

Der Einladung über das neue Präventionsgesetz sowie die Pflegestärkungsgesetze (PSG) I, II und III, zu referieren, bin ich sehr gerne gefolgt. Zumal ich als erste Zentrale Frauenbeauftragte der Charité - Universitätsmedizin Berlin nach wie vor einen engen Kontakt zu meinem früheren Arbeitsumfeld pflege.

Prävention geht uns alle an

Gerade in einer älter werdenden Gesellschaft ist es wichtig, schon früh mit präventiven Maßnahmen zu beginnen. Deshalb ist es auch mein Ziel, dass das 2015 vom Deutschen Bundestag verabschiedete Präventionsgesetz auf allen Ebenen seine Wirkung entfalten kann. Mit dem Präventionsgesetz werden die Prävention und die Gesundheitsförderung direkt im Lebensumfeld - in der Kita, der Schule, am Arbeitsplatz und im Pflegeheim - gefördert. Das Präventionsgesetz stärkt die Grundlagen für eine stärkere Zusammenarbeit der Sozialversicherungsträger, Länder und Kommunen, denn Prävention und Gesundheitsförderung sollen dort greifen, wo Menschen leben, lernen und arbeiten. Mit Hilfe des Gesetzes werden außerdem die Früherkennungsuntersuchungen bei Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen weiterentwickelt und wichtige Maßnahmen ergriffen, um Impflücken in allen Altersstufen zu schließen. Ziel ist es, Krankheiten zu vermeiden, bevor sie entstehen.

Die wesentlichen Inhalte des Präventionsgesetzes:

  • Der Gesetzentwurf setzt auf die zielgerichtete Zusammenarbeit der Akteure in der Prävention und Gesundheitsförderung: Neben der gesetzlichen Krankenversicherung werden auch die gesetzliche Rentenversicherung und die gesetzliche Unfallversicherung, die Soziale Pflegeversicherung und auch die Unternehmen der privaten Krankenversicherung eingebunden. In einer Nationalen Präventionskonferenz legen die Sozialversicherungsträger unter Beteiligung insbesondere von Bund, Ländern, Kommunen, der Bundesagentur für Arbeit und der Sozialpartner gemeinsame Ziele fest und verständigen sich auf ein gemeinsames Vorgehen.
  • Die Soziale Pflegeversicherung erhält einen neuen Präventionsauftrag, um künftig auch Menschen in stationären Pflegeeinrichtungen mit gesundheitsfördernden Angeboten erreichen zu können.
  • Das Präventionsgesetz fördert durch eine Reihe gesetzlicher Maßnahmen die Impfprävention.
  • Weiterentwickelt werden die bestehenden Gesundheits- und Früherkennungsuntersuchungen für Kinder, Jugendliche und Erwachsene. Dabei wird nun ein stärkeres Augenmerk auf individuelle Belastungen und auf Risikofaktoren für das Entstehen von Krankheiten gelegt werden. ÄrztInnen erhalten die Möglichkeit, Präventionsempfehlungen auszustellen und damit zum Erhalt und zur Verbesserung der Gesundheit ihrer PatientInnen beizutragen.
  • Die Krankenkassen und Pflegekassen werden künftig mehr als 500 Mio. Euro für  Gesundheitsförderung und Prävention investieren. Der Schwerpunkt liegt dabei auf der Gesundheitsförderung in den Lebenswelten wie Kita, Schule, Kommunen,  Betrieben und Pflegeeinrichtungen mit insgesamt mindestens rund 300 Mio. Euro jährlich.
  • Im Rahmen einer nationalen Präventionsstrategie verständigen sich die Sozialversicherungsträger mit den Ländern und unter Beteiligung der Bundesagentur für Arbeit und den kommunalen Spitzenverbänden auf die konkrete Art der Zusammenarbeit bei der Gesundheitsförderung insbesondere in den Kommunen, in Kitas, Schulen, in Betrieben und in Pflegeeinrichtungen.
  • Die finanzielle Unterstützung der gesundheitlichen Selbsthilfe wird durch das Präventionsgesetz um rund 30 Mio. Euro erhöht. Für Selbsthilfegruppen, -organisationen und -kontaktstellen stellen die Krankenkassen ab dem Jahr 2016 je versicherter Person 1,05 Euro zur Verfügung.

Pflege betrifft immer mehr Menschen

Ein Blick auf die demographische Alterspyramide der deutschen und auch der europäischen Bevölkerung zeigt, dass die älteren und alten Mitmenschen eindeutig in der Mehrzahl gegenüber denen im jungen und mittleren Alter sind. Mit diesem demographischen Wandel müssen wir weitsichtig und nachhaltig umgehen. Älter werden und pflegebedürftig sein bedeutet schließlich keinesfalls, dass der einzelne Mensch nicht mehr an der Gesellschaft teilhaben möchte.

Mit den drei Pflegestärkungsgesetzen stehen ab dem 1. Januar 2017 jährlich mehr als fünf Milliarden Euro zusätzlich für die Pflege zur Verfügung. Die Pflegeversicherung ist damit um etwa 20 Prozent leistungsfähiger. Gerade Menschen mit Demenz erhalten erstmals einen gleichberechtigten Zugang zu allen Leistungen der Pflegeversicherung.

Das Pflegestärkungsgesetz I

Seit dem 1. Januar 2015 haben pflegebedürftige Menschen in Deutschland Zugang zu verbesserten Leistungen der Pflegeversicherung erhalten. Es stehen deutlich mehr Mittel für die häusliche Pflege zur Verfügung. Viele Leistungen wurden dynamisiert, so stieg das Pflegegeld um 4 Prozent, ausgeweitet wurde der Anspruch auf Betreuungsleistungen in der ambulanten Pflege. Pflegebedürftige mit Pflegestufe I bis III ohne eingeschränkte Alltagskompetenz erhalten seitdem einen zusätzlichen Betreuungsbetrag von bis zu 104 Euro pro Monat. Viele weitere Einzelmaßnahmen sorgen für konkrete Verbesserungen. Deutlich angehoben wurden die finanziellen Zuschüsse für Umbaumaßnahmen, wie den Abbau von Schwellen oder den Einbau barrierefreier Duschen, nämlich auf bis zu 4.000 Euro pro Maßnahme. Wohnen mehrere Anspruchsberechtigte zusammen, kann ein Betrag von bis zu 16.000 Euro eingesetzt werden. Ausgebaut wurden die Leistungen der Kurzzeit- und Verhinderungspflege und sie können nun besser miteinander kombiniert werden. Tages- und Nachtpflege lassen sich ungekürzt neben den ambulanten Geld- und Sachleistungen in Anspruch nehmen. Eingeführt wurden neue Entlastungsleistungen, etwa für Hilfen im Haushalt oder AlltagsbegleiterInnen und ehrenamtliche HelferInnen. Dafür können nun bis zu 40 Prozent des Betrags der ambulanten Pflegesachleistung eingesetzt werden.

Erstmals erhalten an Demenz Erkrankte mit der sogenannten Pflegestufe 0 die Möglichkeit, auch Leistungen der teilstationären Tages- oder Nachtpflege sowie der Kurzzeitpflege in Anspruch zu nehmen. Sie können auch die zusätzlichen Leistungen für Mitglieder ambulant betreuter Wohngruppen und Zuschüsse für neu gegründete Wohngruppen erhalten. Für alle diese Leistungen ist ein Antrag bei der Pflegekasse der versicherten Person gestellt werden.

Das Pflegestärkungsgesetz II

Das PSG II ist ein Meilenstein für die Pflege. Es ist seit dem 1. Januar 2016 in Kraft. Damit wurden zahlreiche weitere Verbesserungen für Pflegebedürftige, Angehörige und Pflegekräfte auf den Weg gebracht.

Die „neue Pflegewelt“ ab dem 1. Januar 2017

Mit dem PSG II wurde auch ein neuer Pflegebedürftigkeitsbegriff eingeführt, der körperliche, geistige und seelische Beeinträchtigungen künftig gleichrangig in der Begutachtung berücksichtigt. Und der neu geschaffene Pflegegrad 1 sorgt dafür, dass bis zu 500.000 Menschen zusätzlich in den nächsten Jahren Leistungen der Pflegeversicherungen erhalten können.

Bei dem neuen Begutachtungsverfahren stehen nicht mehr die Defizite, sondern die (noch) vorhandenen Fähigkeiten und der Grad der Selbständigkeit in sechs pflegerelevanten Lebensbereichen im Vordergrund. Im Mittelpunkt steht nun die Frage: „Was können die Pflegebedürftigen noch selbständig bewerkstelligen, zum Beispiel in den Bereichen Mobilität und Kommunikationsfähigkeit? In welchen Lebensbereichen können sie sich noch selbst versorgen oder braucht die Person doch Unterstützung von Dritten und wenn ja, in welchen Bereichen. Statt der bisherigen drei Pflegestufen gibt es fünf Pflegegrade. Damit ist eine differenziertere Einstufung möglich, die hoffentlich auch als würdevoller erlebt werden wird. Mit all dem kommen wir ParlamentarierInnen dem Wunsch der Menschen nach, so lange wie möglich in der vertrauten Umgebung zu bleiben.

In der Diskussion wurde nach der Pflegedokumentation gefragt. Auch diese verändern wir, damit sie nicht mehr so zeitintensiv ist. Eine Dokumentation in der Pflege ist notwendig. Eingeleitet worden ist aber ein Veränderungsprozess: Es muss nicht mehr jeder pflegerische Vorgang festgehalten werden, sondern nur noch das, was von den professionellen Routinen abweicht.

Es besteht Einvernehmen darüber, dass wir qualifiziertes Pflegepersonal brauchen. Die Pflegeberufe müssen attraktiver werden und ihre negative Konnotation verlieren. Auch dafür bieten die Pflegestärkungsgesetze I und II Chancen. Es fehlt aber noch die Umsetzung des Pflegeberufereformgesetzes.

Jeder Mensch hat ein gesetzlich verbrieftes Recht auf Beratung

Immer wieder betone ich gern, dass die besten Leistungen nichts nützen, wenn die BürgerInnen gar nicht von ihrer Existenz wissen. Deshalb werden wir mit dem Pflegestärkungsgesetz III die Beratungsstrukturen stärken: Wir werden 60 Modellprogramme einrichten, um zu lernen, wie dies in den Kommunen erfolgen kann. Leider wurde diese Erfahrung auch prompt wieder bestätigt: Kaum jemand kennt die Pflegestützpunkte, die Einrichtungen, in der jede BürgerIn eine wohnortnahe, wertneutrale und trägerübergreifende Beratung erhalten soll.

In jedem Berliner Bezirk gibt es Pflegestützpunkte. In Tempelhof-Schöneberg haben wir bereits drei Standorte. In diesen Pflegestützpunkten erfolgt nur eine Beratung, ggf. auch zu Hause. Es erfolgt von hier aus keine Betreuung oder Pflegeleistung. In jedem Bezirk existieren auch Freizeit- und Begegnungsstätten für Ältere und Pflegebedürftige - aber es ist noch vieles zu tun, um den Herausforderungen des demographischen Wandels zu entsprechen.

Hingewiesen habe ich auf das Berliner Seniorenmitwirkungsgesetz. Rund 892.000 SeniorInnen über 60 Jahren sind zur Wahl der bezirklichen SeniorInnenvertreterInnen aufgerufen, die voraussichtlich vom 27. bis 31. März 2017 stattfindet. Bis zum 24. Oktober 2016 müssen die Vorschläge beim Bezirksamt eingegangen sein. Hier können über 60-Jährige, natürlich auch die Mitglieder der Interessengemeinschaften, die Möglichkeit nutzen, sich in die Politik ihrer Bezirke einzubringen. Damit könnten sie beispielsweise den Ausbau von Pflegestützpunkten und Begegnungsstätten unterstützen.

Ich hoffe, mit meinem Besuch konnte ich bei den anwesenden Mitgliedern der Selbsthilfegemeinschaften einige Bedenken nehmen, wie „Ich habe noch nie gehört, dass neue Gesetze etwas Besseres bewirkt haben“ oder auch den Glauben geben, dass es möglich ist, dass „Ungerechtigkeiten in der Pflege endlich aufhören“. Ich werde auf jeden Fall weiter für eine wirkungsvolle Umsetzung des Präventionsgesetzes oder der drei Pflegestärkungsgesetze kämpfen.