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Das Schicksal der Heimkinder darf nicht vergessen werden - Aufruf an ZeitzeugInnen: "Wie kann Aufarbeitung gelingen?"

Unter uns leben über eine Million Menschen, die als Opfer der Heimerziehung Unrecht und Leid erlitten haben. Davon betroffen waren rund 800.000 Menschen in Westdeutschland in den Jahren von 1949 bis 1975 und rund 300.000 Menschen in der DDR in den Jahren 1949 bis 1990.

Seit 2006 wird im Rahmen des politischen Dialogs und durch die Arbeit des „Runden Tisch Heimerziehung“ nach Lösungsansätzen gesucht, die immaterielle und materielle Formen der Aufarbeitung und Wiedergutmachung für die ehemaligen Heimkinder umfassen. Denn sie mussten zahlreiche Rechtsverstöße und viel Leid durchleben. Gemeinsam vom Bund, den Bundesländern und christlichen Organisationen wurden zwei Fonds eingerichtet: der Fonds „Heimerziehung in der Bundesrepublik Deutschland in den Jahren 1949 bis 1975“ und der Fonds „Heimerziehung in der DDR in den Jahren 1949 bis 1990“. Gegründet wurden Anlauf- und Beratungsstellen. Hier werden den Betroffenen Beratungsleistungen angeboten werden und der Abschluss von Vereinbarungen über die Fondsleistungen ermöglicht. Mehrmals habe ich - auch zusammen mit weiteren KollegInnen aus dem Deutschen Bundestag - die Berliner Anlaufstelle, Beratungsstelle und Treffpunkt für ehemalige Heimkinder in Berlin-Friedenau besucht.                       

Die Fonds und alle damit verbundenen Strukturen enden am 31. Dezember 2018. Schon heute stellt sich die Frage: Und was dann?

Fortführung der politischen und sozialen Arbeit im Interesse der ehemaligen Heimkinder und auch unserer gesamten Gesellschaft

Der „Berliner Fachbeirat zur Begleitung der Anlauf- und Beratungsstelle für ehemalige Heimkinder“ traf sich am 14. Juni 2016 zu ihrer 29. Fachbeiratssitzung – dieses Mal aber mit einem erweitertem TeilnehmerInnenkreis: Jedes Beiratsmitglied konnte zwei weitere TeilnehmerInnen mitbringen. Ich danke Elvira Berndt, Vorsitzende des Landesjugendhilfeausschuss Berlin, dass sie mich eingeladen hat. Es war eine sehr intensive Sitzung.

In vier Workshops wurde sich mit folgenden Fragestellungen beschäftigt:

  1. Psychosoziale Angebote für die spezifischen Bedarfe Betroffener ehemaliger Heimkinder
  2. Altersprobleme - spezifische Altersprobleme Betroffener und daraus erwachsende Bedarfe
  3. Wissenssicherung und Zukunftsgestaltung - Wie kann das umfangreiche und wertvolle Wissen gesichert werden und für Betroffene langfristig zugänglich bleiben?
  4. Wie schaffen wir den Wissenstransfer in die Zukunft, damit derartiges Unrecht nie wieder geschieht?

In der Abschlussdiskussion wurde sehr deutlich, dass es um sehr komplexe Zielstellungen geht:

  • Den betroffenen ehemaligen Heimkindern soll auch ab dem 1. Januar 2019 Möglichkeiten geboten werden, sich weiterhin zu begegnen und auszutauschen. Die Probleme, die die ehemaligen Heimkinder haben, existieren vielfach weitere, es kommen neue „altersbedingte“ Beeinträchtigungen hinzu.
  • In der Kinder- und Jugendhilfe darf das staatliche Versagen in der Heimerziehung sowohl in der alten Bundesrepublik als auch in der DDR nicht vergessen werden. Wir brauchen auch hier eine aktive Gedenk- und Mahnkultur, brauchen die Schaffung von Strukturen, die Historie für die Zukunft aufbereitet. Es braucht entsprechende Lehrinhalte in der Aus- und Fortbildung, es braucht entsprechende Praxisreflexionen.
  • Es braucht auch die Schaffung einer öffentlichen Kultur und politischen Öffentlichkeit, die sich stark macht für Chancengleichheit überall – für jede und jeden in allen Altersphasen überall. 

Die Ideenschmiede wird fortgesetzt. Ich freue mich darauf, mitzumachen.

Aufruf an ZeitzeugInnen: "Wie kann Aufarbeitung gelingen?"

Das Deutsche Institut für Heimerziehungsforschung arbeitet gegenwärtig im Auftrag der Beauftragten für die neuen Bundesländer, Iris Gleicke (SPD), an der Errichtung einer Internetplattform. Hier soll die Heimerziehung des vergangenen Jahrhunderts umfassend dokumentiert werden. Ziel ist, dass vieles von dem Wissen, was benötigt wird, um eine menschenwürdige Heimerziehung zu organisieren, über die Homepage anrufbar ist. Dazu zählen nicht allein wissenschaftliche Informationen, sondern vor allem Berichte von ZeitzeugeInnen, die Zeugnis davon ablegen, wie es wirklich gewesen ist.

Deshalb bittet das Deutsche Institut für Heimerziehungsforschung um Mithilfe und Beteiligung von ehemaligen Heimkindern. Bitte füllen Sie den Fragebogen aus. Nehmen Sie teil!