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150 Jahre SPD: „Schöneberg war von Anfang an Hochburg sozialdemokratischer Geschichte“

Berlin war um 1900 die Hauptstadt der deutschen Sozialdemokratie und Zentrum der europäischen Arbeiterbewegung. Ihre führenden Köpfe August Bebel, Rosa Luxemburg, Eduard Bernstein und Karl Kautsky wohnten und arbeiteten bevorzugt in Schöneberg, in der seit 1898 selbstständigen und selbstbewussten Stadt vor den Toren von Berlin.  

Schöneberg war ein Nest der politischen Denker_innen und Akteur_innen der Sozialdemokratie. Gleich zwei Abteilungen des Kreises Tempelhof-Schöneberg nahmen das zum Anlass, auf öffentlichen Stadtspaziergängen zu den Orten zu wandern, die heute noch den Geist der prominenten und unvergessenen sozialdemokratischen Persönlichkeiten atmen. Beide Rundgänge wurden durch die Möglichkeit, Wohnorte und Wirkungsstätten von August Bebel, Eduard Bernstein, Rosa Luxemburg, Luise und Karl Kautsky hautnah zu erleben, zur beeindruckenden Lektion in Sachen „150 Jahre Parteijubiläum der SPD“.

„Zusammenhalten und nicht aufgeben! Die Stärke der Schwachen muss gebündelt werden durch Solidarität“ - Großer Stadtspaziergang zum Parteijubiläum

Der SPD-Abteilung Friedenau war es zum 150. Parteijubiläum ein besonderes Anliegen, die Geschichte der Sozialdemokratie in ihrem Abteilungsbereich an den Wohnorten und Wirkungsstätten von August Bebel, Eduard Bernstein, Rosa Luxemburg und Luise und Karl Kautsky durch einen großen Stadtspaziergang am 15. August 2013mit vielen Gästen und der Bundestagskandidatin Mechthild Rawert erlebbar zu machen. Die SPD-Abteilung Friedenau ist sich ihrer Besonderheit bewusst, dass diese historischen Gestalter_innen der sozialdemokratischen Geschichte alle eng benachbart in Friedenau wohnten oder begraben sind.

Über dem Hauseingang Hauptstraße 97, letzter Wohnort von August Bebel, hängt eine Gedenktafel für ihn, die vor der Veranstaltung von zwei jungen Friedenauer Genossen mittels hoher Leiter geputzt worden war. Bebel hatte mehrere Wohnungen in Schöneberg: Großgörschenstraße 22a, Hauptstraße 94 und Hauptstraße 97, immer in der Nähe seiner Weggenoss_innen und Kampfgefährt_innen.

Ein Nachbar in dem historisch weitgehend erhaltenen Haus Hauptstraße 97 öffnete der Gruppe spontan die Haustür, so dass die Gruppe im Gartenhof des Hauses, ungestört vom tosenden Straßenlärm, den Worten von Serge Embacher, Vorsitzender der Abteilung Friedenau, folgen konnte. Diese mündeten in der Bebelschen Maxime: „Zusammenhalten und nicht aufgeben! Die Stärke der Schwachen muss gebündelt werden durch Solidarität.“

Der älteste Friedhof Schönebergs an der Eisackstraße war das nächste Ziel. Seit 2006 aufgegeben, bildet sich die Ruhestätte langsam zu einer Parkfläche heraus, allerdings umtost vom Lärm der Stadtautobahn. Hier hat Eduard Bernstein 1932 seine letzte Ruhestätte gefunden. Die Ehrengrabwürde ist 2011 aufgehoben worden und wird nach Zusage der Senatskanzlei hoffentlich noch in diesem Jahr wieder vergeben werden. Das Grab selber leuchtet frisch und gepflegt mit dem besonders ästhetisch gestalteten Grabstein, der unter maßgeblicher Beteiligung der Historischen Kommission der SPD Berlin 2007 geschaffen und aufgestellt wurde. Fünf Bernstein-Patinnen aus der Abteilung Friedenau sorgen ständig für die würdige Pflege des Grabes. Gudrun Blankenburg verlas am Grab Bernsteins Auszüge aus dem Nachruf der Vossischen Zeitungen vom 19.12.1932. Darin hieß es: '… Er war eine der hervorragendsten Persönlichkeiten aus jenen Jahren der sozialdemokratischen Partei, die man in gewissen Sinne das Heldenzeitalter der Partei nennen kann.'

Der Stadtspaziergang verlief weiter durch die Ceciliengärten, die heute noch gültige reformerische Schöpfung des Schöneberger Stadtbaurats Heinrich Lassen, und machte Station an der Wohnung des Malers Hans Baluschek. Dieser war seit 1920 Mitglied der SPD und Vorsitzender der Schöneberger Kunstdeputation, in der er darum kämpfte, mittellosen Künstler_innen mehr Einfluss zu verschaffen. Die Stadt Schöneberg ehrte 1929 den Schöpfer zahlreicher Bilder, in denen er das schwere Schicksal der proletarischen Bevölkerung anklagte, mit einer mietfreien Atelierwohnung, aus der er 1933 von den Nazis vertrieben wurde.

Mit Ottokar Luban, Historiker und Vorsitzender der Internationalen Rosa-Luxemburg-Gesellschaft, hatte die Rundganggruppe einen kompetenten Referenten für das Leben von Rosa Luxemburg in Friedenau. Vor dem Haus Cranachstraße 58 ging er auf das private und politische Leben der Vorkämpferin der Arbeiterbewegung ein. Die interessierte Gruppe hatte auch die Möglichkeit, den Hof des historisch erhaltenen Hauses zu betreten. Das war Geschichte zum Anfassen!

Nach der langen Wanderung durch Friedenau waren die schon müden, aber immer noch wissbegierigen Rundgangteilnehmer_innen zu einem Abschlussgespräch im Luise & Karl Kautsky-Haus in der Saarstraße 14 eingeladen. Dilek Kolat, Kreisvorsitzende der SPD Tempelhof-Schöneberg und Senatorin für Arbeit, Frauen und Integration, hatte es sich nicht nehmen lassen, dabei zu sein und den Worten des Historikers und Publizisten Günter Regneri zu folgen, der sehr lebendig über die Familie Kautsky und insbesondere über das schwere Schicksal von Luise Kautsky sprach. Von Günter Regneri stammt auch die erste Biografie über Luise Kautsky, die 2013 im Verlag Hentrich & Hentrich innerhalb der Reihe 'Jüdische Miniaturen'  erschienen ist.

„Dieser Friedenauer Stadtspaziergang zur Geschichte der Sozialdemokratie war eindrücklich wie ein Geschichtsbuch.“


Helga Grebing, Genossin aus der SPD-Abteilung City, und Siegfried Heimann, Genosse aus der SPD-Abteilung Friedenau, haben zum Jubiläumsjahr im Ch. Links Verlag das Grundlagenwerk „Arbeiterbewegung in Berlin. Der historische Reiseführer“ herausgebracht. Wer noch mehr wissen möchte über die Orte der Arbeiterbewegung in Berlin, kann mit dem Buch in der Hand alle Berliner  geschichtsträchtigen Orte der Sozialdemokratie selber erkunden.