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Frauengesundheit: Zu Gunsten der eigenen Gesundheit handeln

Brauchen wir auch heute noch eine starke Frauengesundheitsbewegung?“, „Wie weit sind wir mit dem Gendering im Gesundheitswesen?, und „Was kann ich für meine eigene Gesundheit tun?“; diese und andere Fragen waren Gegenstand meines Besuchs im Feministischen FrauenGesundheitsZentrum (FFGZ) am 14. August. Eine hochwertige Gesundheitsversorgung für alle ist Aufgabe sowohl der Bundes- als auch der Bezirksebene. Daher nahmen an dem im Rahmen der „Frauensommertour“ stattfindenden sehr informativen Besuch im FFGZ auch die Bezirksbürgermeisterin Angelika Schöttler, als Mitglieder der SPD-Fraktion in der BVV Tempelhof-Schöneberg, Marijke Höppner, frauenpol. Sprecherin, Hermann Zeller, sozialpolitischer Sprecher, Ingrid Kühnemann, gesundheitspolitische Sprecherin, sowie für den Vorstand der AsF-Tempelhof-Schöneberg Manuela Harling und Dr. Gisela Pravda teil.

Aufgabe des FFGZ ist es, Bedarfe und Defizite in der gesundheitlichen Versorgung von Mädchen und Frauen zu benennen und diese Themen voranzutreiben. Im Mittelpunkt steht das Empowerment der Frauen, die Befähigung auch selber Vorsorge für sich und die eigene Gesundheit zu übernehmen.

Unterstützung seitens der Politik erwarten Petra Bentz, Cornelia Burgert und Martina Schröder vom FFGZ unter anderem zu folgenden Themen:

  • Um das Recht auf umfassende gesundheitliche Aufklärung für alle umzusetzen, bedarf es zielgruppenbezogener, vor allem auch muttersprachlicher Informationen. Nur so können Mädchen und Frauen vor einer übertriebenen Medikalisierung aller Lebensphasen und Lebensgeschehnisse geschützt werden.
  • Nach wir vor ist eine sachgerechte Aufklärung über die HPV-Impfung, eine derzeit als präventive Maßnahme angebotene Impfung gegen zwei der über 100 verschiedenen Human Papilloma Viren, geboten. Die pharmazeutischen Hersteller arbeiten mit Hochdruck an einem therapeutischen Impfstoff, von dem riesige Gewinne erwartet werden. Zu Recht ist vor wenigen Jahren die mit großem Marketingaufwand beworbene HPV-Impfung in die Kritik, insbesondere von Frauengesundheitspolitikerinnen, geraten. Präventiv wirkt die HPV-Impfung nur bei Mädchen und Frauen vor dem ersten Geschlechtsverkehr - verkauft wurde sie aber durchaus auch an 40-jährige Frauen.
    Um bereits 12-jährige Schülerinnen zu erreichen, bedarf es einer engen Kooperation mit den Schulen und einer besseren Aufklärung der Eltern. Hierzu gab es im Jahr 2008 auch eine umfassende Kampagne des bezirklichen Gesundheitsnetzwerkes. Aber: die Schülerinnen „wachsen“ nach. Um auch Familien mit Migrationshintergrund zu erreichen, haben Politikerinnen aus Tempelhof-Schöneberg - so auch ich - mit privaten Mitteln dafür gesorgt, dass auch nicht-deutschsprachige Informationsflyer gedruckt werden konnten.
  • Wechseljahre - diese Phase im Leben einer Frau ist nicht nur geprägt von hormonellen Umstellungen des Körpers, sondern auch von vielen sozialen Veränderungen. Körperlich treten aufgrund der hormonellen Umstellung bei fast 30 Prozent der Frauen keine größeren, bei 60 Prozent bemerkbare und bei 10 Prozent gravierende Beschwerden auf. Zu vermeiden ist eine flächendeckende Medikalisierung dieser „normalen“ Lebensphase. Es gehört zu den großen Erfolgen der Frauengesundheitsbewegung, dass die vor Jahren noch kritiklos propagierte Hormontherapie nicht mehr zu den automatisch erfolgenden Verschreibungen gehört, dass FrauenärztInnen sensibler geworden sind auch für die schädlichen Nebenwirkungen. Das FFGZ klärt in einer neuen Broschüre umfassend über die „Wechseljahre“ - damit verbundene Stoffwechseländerungen, den Prozess des Älterwerdens, hormonelle Umstellungen,  etc. - auf. Ziel ist ein guter Start in ein gesundes Alter(n).
  • Eine herausragende Aufgabe ist immer noch das Thema Verhütung. Vermisst wird, dass junge Frauen bis 20 oder auch Frauen in finanziell prekären Situationen Zugang zu einer kostenlosen Verhütung haben. In Deutschland wird diese kostenfreie Verhütung bislang nur in einzelnen Kommunen umgesetzt. Meine Initiative „Rezeptfreiheit von Notfallkontrazeptiva („Pille danach“) gewährleisten“ wird sehr begrüßt.
  • Auszubauen sind Kurse zum Thema gesundheitliche Stressbewältigung und Depression, insbesondere für Frauen mit Migrationsbiografie und mehreren Kindern sowie für (ältere) Frauen im ALG II-Bezug. Diesen würde seitens der Jobcenter häufig vermittelt, dass es „für Frauen ab 50 Jahren keine Möglichkeiten mehr gäbe“. Wünschenswert wäre eine entsprechende Kursfinanzierung durch die Jobcenter. Die bisherigen gemeinsamen Anstrengungen in Kooperation mit Gesundheit Berlin e.V.  seien nicht ausfinanziert.
  • Gefordert wird eine überregionale Trauma-Ambulanz zur Verbesserung der gesundheitlichen Versorgungssituation für Frauen nach erlebter sexueller und/oder häuslicher Gewalt. Viele Frauen leiden unter nicht behandelten gesundheitlichen Langzeitfolgen, haben posttraumatische Störungen. Im Gesundheitswesen Beschäftigte sind für die entsprechenden Symptome besser zu sensibilisieren. Das erfordert entsprechende Aus-, Fort- und Weiterbildungsinhalte aber auch spezialisierte Versorgungsangebote. Bisher liegen seitens des Bundesgesundheitsministeriums hinsichtlich der Einrichtung von Trauma-Ambulanzen nur Absichtserklärungen vor.

Trauma-Ambulanzen für von sexueller Gewalt Betroffene gehören auch zum Forderungskatalog der ehemaligen Missbrauchsbeauftragten der Bundesregierung, Dr. Christine Bergmann. Dieses Amt war eingerichtet worden nach dem Bekanntwerden unsäglich vieler sexueller Missbräuche gerade auch in kirchlichen Einrichtungen. Erschreckend hoch ist aber auch die sexuelle Gewalt gegenüber Frauen mit Behinderungen. Dies hat die jüngst veröffentlichte Studie „Lebenssituation und Belastungen von Frauen mit Beeinträchtigungen und Behinderungen in Deutschland“ ergeben.
Stärker als bisher hat das Gesundheitswesen entsprechende gesellschaftspolitische Studienergebnisse auch aus anderen Fachrichtungen aufzugreifen und in eine qualitativ hochwertige gesundheitliche Versorgungssituation zu integrieren.

Das Feministische FrauenGesundheitsZentrum, Bamberger Str. 51, ist seit 1985 in Schöneberg ansässig. Als aktiver Teil der seit den 1970er Jahren existierenden Frauengesundheitsbewegung gehört das FFGZ heute zum Integrierten Gesundheitsprogramm Berlins. Es ist Mitglied sowohl des aus 9 Vertreterinnen von Verbänden und Vereinigungen bestehenden bezirklichen „Netzwerk Frauengesundheit“ als auch des „Netzwerk Frauengesundheit Berlin“. Als Mitglied der Qualitätsgemeinschaft des Paritätischen Wohlfahrtsverband Berlin erfolgt eine kontinuierliche Kontrolle sowohl der Leistungserbringung als auch des Geldflusses.  Da das FFGZ sich im Zuwendungsrecht befindet,  ist eine staatliche Kontrolle der Finanzierung sowieso gegeben. In Folge der sogenannten „Maserati-Affäre“ ist die Gefahr allerdings sehr groß, dass überbordende Kontrollansprüche, die für den Entgeltbereich sicherlich noch zu verbessern sind, vor allem einer politischen Instrumentalisierung dienen.

Die Beratungen für Frauen zum Thema Gesundheit werden entweder persönlich vor Ort, telefonisch oder auch berlinweit im Rahmen von Informationsveranstaltungen, Workshops und Patientinnenschulungen in Kooperation mit Volkshochschulen oder Migrationsprojekten geleistet.

Das FFGZ verfügt über eine für Interessierte offene umfassende Bibliothek zur Frauengesundheit und gibt die Abonnementzeitschrift Clio und diverse Broschüren heraus, in denen in verständlicher Sprache für Frauen relevante gesundheitliche und medizinische Sachverhalte differenziert dargestellt werden.