Hauptmenü

10. Wohnzimmer-Gespräch: „Gesundheit darf kein Luxusprodukt werden!“

Mein zehntes Wohnzimmer-Gespräch am 15. August 2013 fand bei Cordula Biniasz in Friedenau statt. Bereits im Wahlkampf 2009 war ich von Frau Biniasz zu einem „Politischen Gespräch“ eingeladen, um mit KollegInnen, FreundInnen und Bekannten über meine politischen Ziele und das Programm der SPD zu diskutieren. Über die erneute Einladung habe ich mich gefreut und danke allen sehr für den spannenden Austausch.

Topthema Gesundheitspolitik
Schwerpunktthema des Abends war die Gesundheitspolitik, möglicherweise auch kein Zufall, da wir uns alle zu den 50plus zählen.

Erste Frage: Was ist die Bürgerversicherung und wie funktioniert sie?

Darauf lässt sich in vier Punkten antworten:

  1. Die Bürgerversicherung ist GERECHT, denn sie setzt der Zwei-Klassen-Medizin ein Ende. Ärztinnen und Ärzte sollen für die gleiche Behandlung auch die gleiche Vergütung erhalten - damit gibt es auch im Wartezimmer keine ungerechte Bevorzugung mehr gibt. In der Bürgerversicherung entscheidet allein die Schwere der Krankheit über Art und Schnelligkeit der Behandlung.
  2. Die Bürgerversicherung ist SOLIDARISCH, weil alle gemäß ihres Einkommens in die Versicherung einzahlen. Arbeitgeber übernehmen künftig wieder den gleichen Anteil an der Finanzierung wie die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Dadurch profitieren die Versicherten von einer moderaten Verringerung des Beitragssatzes.
  3. Die Bürgerversicherung ist STABIL, weil sie nicht vom Zinsniveau an internationalen Finanzmärkten abhängt. Stattdessen basiert sie auf der Solidarität zwischen Jung und Alt, zwischen Familien und Alleinstehenden, zwischen Gesunden und Kranken und zwischen Menschen mit höheren und niedrigeren Einkommen. Das gibt ihr ein stabiles Fundament.
  4. Die Bürgerversicherung ist offen FÜR ALLE, denn sie gibt auch Privatversicherten die Chance, freiwillig in die gesetzliche Krankenversicherung zurückzukehren, um nicht durch exorbitante Prämiensteigerungen erdrückt zu werden. In der Bürgerversicherung muss niemand mehr zahlen, als sein Einkommen erlaubt.


Für mich als Berlinerin ist von hoher Bedeutung, dass mit dieser Finanzierungsform auch die Versorgungsstrukturen flächendeckend für alle verbessert werden können. Auf mittelfristige Strecke wird es keinen Grund mehr geben, die Praxis im bereits übervollen Grunewald zu eröffnen und nicht in Schöneberg-Nord. Wenn die Leistungen gleich honoriert werden, gibt es keinen Grund für eine ungleiche Behandlung, weder bei der Wartezeit noch bei der Therapie. Verdient wird im Grunewald nicht mehr als hier.
Die Anwesenden erhoben die Forderung, alle erzielten Einkommen zur Finanzierung der Bürgerversicherung heranzuziehen. Das Finanzamt hätte einen Überblick über alle Einkommen. Das sei gerecht. Dann könnte der Steueranteil, der in die Bürgerversicherung fließen muss, geringer ausfallen.

Zweite Frage: Ist die BürgerInnenversicherung eine „Einheitskasse“?
Bürgerinnen und Bürger können derzeit zwischen rund 140 gesetzlichen Krankenkassen und 43 private Krankenversicherungsunternehmen wählen. Und NEIN: Die BürgerInnenversicherung ist keine „Einheitskasse“. Die Anzahl der Kassen schrumpft nicht auf eine. Das SPD-Modell der BürgerInnenversicherung bedeutet: ab einem Stichtag gleiche Spielregeln für alle existierenden Krankenversicherungen und privaten Versicherungsunternehmen.
Zwischen den Existierenden können BürgerInnen nach wie vor wählen. Augenblicklich Privatversicherte müssen sich ab dem Stichtag innerhalb eines Jahres entscheiden, ob sie bei ihrem privaten Versicherungsunternehmen bleiben oder in die Bürgerversicherung eintreten. Neuversicherte treten sofort in die Bürgerversicherung ein. Mit der Einführung der BürgerInnenversicherung wird nach dem SPD-Modell zu einem Stichtag das Neugeschäft der PKV-Vollversicherung gestoppt. Jedes Unternehmen kann allerdings den neuen Bürgerversicherungstarif und auch weiterhin Zusatzversicherungen anzubieten.
Der derzeitig aus der privaten Versicherungswirtschaft erhobene Vorwurf, die BürgerInnenversicherung gefährde zum einen viele tausend Arbeitsplätze ist daher haltlos: Auch die PKV kann die Bürgerversicherung anbieten! Selbst wenn einzelne PKV-Unternehmen nur noch Zusatzversicherungen anbieten, wären nur die Bereiche Akquisition bzw. Außendienst im Bereich Krankenversicherung betroffen. Derzeit bearbeiten etwa 10.000 bis 20.000 MitarbeiterInnen die rund 80.000 Neuverträge für Vollversicherungen und 530.000 Verträge für Zusatzversicherungen pro Jahr.

Dritte Frage: Bleibt das Geld im Gesundheitsfonds?
Bedroht ist auch nicht die Qualität der Gesundheitsversorgung: Die einheitliche Honorarordnung garantiert, dass die gleiche Menge Geld im Gesundheitssystem verbleibt und an die Ärztinnen und Ärzte sowie die anderen LeistungserbringerInnen verteilt wird. Arbeitsplätze im medizinischen Bereich sind ebenfalls nicht bedroht.
Die Einzigen, die dem Gesundheitsfonds Geld entnehmen, ist die derzeitige schwarz-gelbe Bundesregierung. Auch ich teile die Kritik der Anwesenden an den schwarz-gelben Haushaltsplänen 2014: Schwarz-Gelb will laut neuem Haushaltsentwurf 3,5 Mrd. Euro vom Gesundheitsfonds in den globalen Bundeshaushalt einfließen lassen. Ich möchte, dass dieses Geld im Fonds bleibt und dem Gesundheitssektor zur Verfügung steht.

Vierte Frage: Was sind Voraussetzungen für „gute Arbeit“ im Pflegebereich?
In den letzten Jahre haben sich die Arbeitsbedingungen für Ärzte und Ärztinnen in den Krankenhäusern verbessert. Leider fand das häufig auf dem Rücken der Pflegeberufe statt, viele Pflegekräfte wurden entlassen, Leiharbeit eingeführt, Vollzeitstellen wurden seltener.
Junge Menschen, die sich für einen Pflegeberuf entscheiden, verweilen durchschnittlich nur noch 7-8 Jahre in ihrem Beruf - und verlassen dann die Gesundheitsbranche. Dies ist für mich nicht hinnehmbar. Der bereits heute deutlich werdende Fachkräftemangel erfordert auch Änderungen im Berufsbildungssystem. Sehr viel stärker als bisher muss auch im Gesundheitssektor auf Durchlässigkeit der Berufe geachtet werden, müssen im Berufsbildungssystem Änderungen erfolgen. Wir SozialdemokratInnen wollen eine gesellschaftliche Aufwertung dieser Berufe, wollen bessere Löhne - „Geld schändet den weiblichen Charakter nicht!“ - wollen Personalmindeststandards einführen.

Fünfte Frage: Sollte das Wahlergebnis für Rot-Grün nicht reichen, ist mir dann eine rot-rot-grüne Koalition oder eine so genannte große Koalition lieber?
Eine große Koalition unter Führung der CDU/CSU kommt für mich nicht in Frage. Rot-Rot-Grün ist nach Durchsicht der Programme wegen Unvereinbarkeit einiger gewichtiger programmatischer Äußerungen nicht möglich, für mich kommt zum Beispiel ein Ausstieg aus der Nato nicht in Frage. Außerdem ist die Linksfraktion in sich - zumindest derzeitig - sehr zerstritten.
Zusammen mit meinen GenossInnen kämpfe ich bis zum 22. September, 18 Uhr für eine rot-grüne Mehrheit!