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Das Bundesteilhabegesetz: Die parlamentarische Beratung startet im September

 Am 1. Januar 2017 soll das Bundesteilhabegesetz (BTHG) in Kraft treten - und auch ich möchte aktiv dazu beitragen, dass der parlamentarische Beratungs- und Entscheidungsprozess transparent ist. Ich werde auch dafür kämpfen, dass wir im letzten Quartal 2016 ein Bundesteilhabegesetz (BTHG) beschließen. Dabei bin ich mir völlig bewusst, dass das Strucksche Gesetz „Kein Gesetz kommt aus dem Parlament so heraus, wie es eingebracht worden ist.“ Auch beim BTHG gilt. Ich will den ersten Schritt für ein Bundesteilhabegesetz aber auf jeden Fall in dieser Legislaturperiode gemacht wissen.

Ich werde Sie in den kommenden Monaten viele Informationen dazu auf meiner Website und bei Facebook finden. Dazu nutze ich bereits von Dritten aufbereitete Materialien, berichte aber auch über eigene Veranstaltungen oder die Dritter.

Noch liegt mir kein dem Deutschen Bundestag zugeleiteter Gesetzentwurf vor. Das wird sich im September ändern - dann beginnt das parlamentarische Verfahren. Geplant ist derzeitig folgender weiterer Zeitplan:

  • 22./23.9.2016: 1. Lesung Bundestag
  • u.a. Ausschussberatungen, öffentliche Anhörung
  • Dezember 2016: 2./3. Lesung Bundestag
  • Geplantes Inkrafttreten: 1. Januar 2017

Im Koalitionsvertrag (S. 110 f.) wurde vereinbart, dass wir ParlamentarierInnen des Deutschen Bundestages in dieser Legislaturperiode mit einem Bundesteilhabegesetz die Eingliederungshilfe reformieren und die Lebenssituation von Menschen mit Behinderungen weiter verbessern. „Wir wollen die Menschen, die aufgrund einer wesentlichen Behinderung nur eingeschränkte Möglichkeiten der Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft haben, aus dem bisherigen „Fürsorgesystem“ herausführen und die Eingliederungshilfe zu einem modernen Teilhaberecht weiterentwickeln. Die Leistungen sollen sich am persönlichen Bedarf orientieren und entsprechend eines bundeseinheitlichen Verfahrens personenbezogen ermittelt werden. Leistungen sollen nicht länger institutionenzentriert, sondern personenzentriert bereitgestellt werden. Wir werden das Wunsch- und Wahlrecht von Menschen mit Behinderungen im Sinne der UN-Behindertenrechtskonvention berücksichtigen. Menschen mit Behinderung und ihre Verbände werden von Anfang an und kontinuierlich am Gesetzgebungsprozess beteiligt.“ Unser politisches Ziel ist: mehr Selbstbestimmung und Teilhabe für Menschen mit Behinderungen.

Die Reform der Eingliederungshilfe, die Entwicklung eines modernen Teilhabegesetzes ist eine riesengroße sozialpolitische Herausforderung auf dem Weg zu einer inklusiven Gesellschaft. Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales ist federführend für den Prozess der Ausgestaltung dieses Gesetzes verantwortlich. Mitberatend beteiligt sind unter anderem zahlreiche weitere Bundesressorts, die Bundesländer und Kommunen, Sozialversicherungsträger, Sozialpartner und zahlreihe bundesweit agierende zivilgesellschaftliche Akteure der Behindertenhilfe. Es handelt sich um ein zustimmungspflichtiges Gesetz, d.h. der Bundesrat muss diesem nach der Verabschiedung im Deutschen Bundestag zustimmen.

Spannungsfeld Gesetzgebungsverfahren

Zu einem Gesetzgebungsverfahren gehören immer - in unterschiedlichem Ausmaß - vor, während und danach die Beteiligung zivilgesellschaftlicher Akteure sowie eine mediale Berichterstattung. Nicht alle Interessen können jeweils mit einem einzigen Gesetz abgedeckt werden. Daher auch: „Nach der Reform ist vor der Reform.“. Dieses Mitgestaltung, dieses Einmischen ist ein Zeichen gelebter und lebendiger Demokratie - und zugleich Ausdruck vieler und vielfältiger, auch unterschiedlicher und sich ggf. widersprechender Interessen in unserer Gesellschaft.

Jedes Gesetzgebungsverfahren folgt festen Regeln. An den vorgeschriebenen Stationen des Gesetzgebungsprozesses werden die entsprechenden zivilgesellschaftlichen Interessensgruppen und Akteure beteiligt. Die Annahme, Gesetze würden ausschließlich ohne Bezug mit der Praxis „von denen da oben“ alleine entschieden, ist schlichtweg falsch.

Intensiver Beteiligungsprozess von Anfang an - „Nichts über uns ohne uns“

Was wurde bisher getan?

  • Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) hat den Gesetzgebungsprozess zur Reform der Eingliederungshilfe mit einem einmalig breiten und intensiven Prozess der Partizipation gemäß des Grundsatzes "Nichts über uns ohne uns" begonnen. VertreterInnen verschiedener gesellschaftlicher Gruppen, von Bund, Ländern und Kommunen, der Sozialversicherungsträger und der Sozialpartner haben in neun Arbeitsgruppensitzungen zwischen dem 10. Juli 2014 und dem 15. April 2015 relevante Schwerpunktfelder diskutiert. Dieser partizipative Dialogprozess ist kontinuierlich veröffentlicht worden. Es liegt auch ein umfangreicher Abschlussbericht http://www.gemeinsam-einfach-machen.de/GEM/DE/AS/Bundesteilhabegesetz/Ab... vor.
  • Anschließend hat das federführende BMAS einen Gesetzentwurf erstellt.
  • Der vom 26. April 2016 datierte Bearbeitungsstand des „Referentenentwurf des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der Teilhabe und Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderungen (Bundesteilhabegesetz - BTHG)“ wurde in die Ressortabstimmung sowie zur Länder- und Verbändebeteiligung gegeben.
  • Zahlreiche Verbände haben zu diesem Referentenentwurf Stellungnahmen abgegeben und sich auch an der Verbändeanhörung des BMAS beteiligt.
  • Das BMAS hat zahlreiche Anregungen aufgegriffen und noch etliche Veränderungen vorgenommen.
  • Am 28. Juni 2016 ist der so entstandene 382-seitige Gesetzesentwurf zum Bundesteilhabegesetz - inklusive Begründungsteil - sowie der ebenfalls in der Koalitionsvereinbarung vereinbarte Nationale Aktionsplan (NAP) 2.0 vom Bundeskabinett beschlossen worden. Zeitgleich hat das BMAS die neue Schwerpunktseite „Inklusion“ eingerichtet. Das Motto: „Mehr möglich machen. Weniger behindern“. Hier sind die Kabinettsfassung des Bundesteilhabegesetzes, eine kurze Übersicht über die wichtigsten darin enthaltenen Regelungen, der NAP 2.0 und weitere Informationen zur Politik für Menschen mit Behinderungen auch in Gebärdensprache und in Leichter Sprache veröffentlicht.
  • Hierzu Bundesministerin für Arbeit und Soziales, Andrea Nahles: „Wir haben heute mit dem Bundesteilhabegesetz eine der großen sozialpolitischen Reformen dieser Legislatur beschlossen. Wir schaffen mehr Selbstbestimmung und Teilhabe, indem wir die Verfahren vereinfachen und den Wünschen und Vorstellungen von Menschen mit Behinderungen mehr Gewicht verleihen. Wir wollen mehr möglich machen, weniger behindern. Mit unserem Gesetz soll es niemandem schlechter gehen, aber den meisten besser.“
  • „Mit dem Bundesteilhabegesetz (BTHG) soll die Eingliederungshilfe aus dem "Fürsorgesystem" der Sozialhilfe herausgeführt werden. Es soll mehr individuelle Selbstbestimmung durch ein modernes Teilhaberecht und die dafür notwendigen Unterstützungsleistungen ermöglichen. Die wichtigsten Regelungen:
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      •  "BezieherInnen von Leistungen der Eingliederungshilfe wird es nun möglich sein, deutlich mehr vom eigenen Einkommen zu behalten und zu sparen. Ehegatten und Lebenspartner werden zukünftig weder mit ihrem Einkommen noch mit ihrem Vermögen herangezogen. Die Verbesserungen gelten auch beim gleichzeitigen Bezug von Eingliederungshilfe und Hilfe zur Pflege, wenn der Betroffene erwerbstätig ist.
      • Künftig reicht ein Reha-Antrag aus, um alle benötigten Leistungen von verschiedenen Reha-Trägern zu erhalten, und die Zusammenarbeit der Reha-Träger wird straffer geregelt: Leistungen "wie aus einer Hand" sollen der Regelfall sein.
      • Die Betroffenen werden durch eine ergänzende unabhängige Teilhabeberatung gestärkt.
      • Mit dem Budget für Arbeit wird Menschen mit Behinderungen bundesweit mehr Teilhabe am Arbeitsleben ermöglicht.
      • Die Rechte der Schwerbehindertenvertretungen in Unternehmen und Werkstatträten werden gestärkt.
      • Ein eigenes Kapitel zur Teilhabe an Bildung ermöglicht erstmals Assistenzleistungen für höhere Studienabschlüsse (z.B. Masterstudium, in bestimmten Fällen auch Promotion).
      • In der Sozialen Teilhabe wird ein eigener Tatbestand für Elternassistenz eingeführt und das ehrenamtliche Engagement von Menschen mit Behinderungen wird gestärkt.“
  • Nach der Beschlusslage wurde der Kabinettsentwurf dem Bundesrat zur Stellungübernahme zugeleitet.
  • Der Deutsche Bundesrat wird den Kabinettsentwurf als auch die Stellungnahme des Bundesrates mit einer Einschätzung seitens des Bundesministeriums erhalten.
  • Der Parlamentarische Beratungsprozess beginnt im September 2016.

Wie beschäftige ich mich mit dem BTHG?

Seitdem der Referentenentwurf öffentlich wurde, gibt es eine breite Beschäftigung mit dem BTHG. Die Resonanz ist unterschiedlich: von verhaltender Zustimmung bis hin zu gänzlich ablehnenden Protesten gemäß der Devise #NichtMeinGesetz. Dieses wurde unter anderem deutlich auf Veranstaltungen, die ich besucht bzw. auch selbst organisiert habe:

  • Am 4. Mai 2016 fand der diesjährige „Europäische Protesttag zur Gleichstellung von Menschen mit Behinderung“ begangen. Rund 1.500 Menschen mit und ohne Behindertung(en) demonstrierten vor dem Bundeskanzleramt und dem Brandenburger Tor gegen die Diskriminierung von Menschen mit Behinderung und die Verweigerung der Teilhabe am Leben mitten in der Gesellschaft. Folgende Forderungen wurden aufgestellt:
    • „Ein Bundesteilhabegesetz, dass die volle wirksame und gleichberechtigte Teilhabe der Menschen mit Behinderungen in Deutschland sicherstellt. So wie es im Koalitionsvertrag versprochen wurde;
    • Einen Kurswechsel in der Behindertenpolitik der Bundesregierung: Ein Paradigmenwechsel - weg von der Fürsorge, hin zu Selbstbestimmung und Würde - muss endlich umgesetzt werden;
    • Abschaffung der Anrechnung von Einkommen und Vermögen bei Leistungen zur Teilhabe;
    • Die unverzügliche und vollständige Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention;
    • Politische Rahmenbedingungen für echte Inklusion: gemeinsames Leben, Lernen und Arbeiten von Menschen mit und ohne Behinderung von Beginn an.“
  •  Zum 31 Mai 2016 hatte ich zusammen mit meinen sozialdemokratischen Kolleginnen Eva Högl und Kerstin Tack, behindertenpolitische Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion, zur Fraktion vor Ort-Veranstaltung „Teilhabe statt Diskriminierung - Das Bundesteilhabegesetz“ eingeladen. Uns war es wichtig, über den Gesetzentwurf zu informieren und bereits jetzt die Anregungen und Kritikpunkte aufzunehmen, obwohl der Gesetzentwurf den Bundestag noch gar nicht erreicht hat. Weit über hundert Interessierte sind unserer Einladung in den Vorstandssaal der SPD-Fraktion im Reichstagsgebäude gefolgt. Als kompetente ImpulsgeberInnen schilderten Raul Krauthausen, Norbert Müller-Fehling und Dr. Irene Vorholz ihre differenzierten Bewertungen des Bundesteilhabegesetzes. Ich habe noch einmal erklärt, dass ich die breite gesellschaftliche Diskussion begrüße, sorgt diese doch auch dafür, dass die Anliegen von Menschen mit Behinderung aus dem Nischendasein ins Rampenlicht der gesellschaftlichen und politischen Debatte gelangen. Natürlich setze ich mich für ein „gutes“ Bundesteilhabegesetz ein. Keine Verabschiedung eines Bundesteilhabegesetzes kommt für mich aber nicht in Frage und ist meiner Meinung nach nicht im Interesse einer inklusiven Gesellschaft. 
  • Seit Mitte August führe ich einen regen Dialog mit zahlreichen Initiativen, Verbänden und Organisationen - und das weit über den eigenen Wahlkreis hinaus. Viele bereiten derzeitig ihre Stellungnahmen u.a. für die Öffentliche Anhörung im Deutschen Bundestag bzw. ihre für den Herbst angekündigten Aktionen vor. Es wird spannend.

Und was steht für mich demnächst im Besonderen an?

Arbeitsgemeinschaft Selbst Aktiv

Als stellvertretende Landesvorsitzende der Berliner Arbeitsgemeinschaft Selbst Aktiv - Menschen mit Behinderungen in der SPD ist es mir wichtig, wie wir uns als AG zum BTHG positionieren.

Wir verstehen uns als Brücke zwischen der SPD und den BürgerInnen mit und ohne Handicap, die an einer solidarischen, teilhabeorientierten Gesellschaft mitwirken wollen. Wir bieten eine Plattform zur politischen Einmischung für Menschen mit Behinderungen jeglicher Art, die über die klassischen Angebote zur politischen Mitwirkung oft nicht erreicht werden. Bei uns machen sogenannte geistig behinderte Menschen genauso mit wie körperbehinderte, blinde, hörgeschädigte und seelisch belastete Menschen. Wir wissen, dass die Zahl der Menschen, die durch ein Handicap in ihrer Lebensführung und -gestaltung behindert werden, groß ist und durch den demographischen Wandel in den nächsten Jahren ansteigen wird. „Selbst Aktiv“ will dazu beitragen, dass die Teilhabe von Menschen mit einem Handicap fester Bestandteil einer ganzheitlichen Gesellschaftspolitik wird. Dazu gehört auch eine „Barrierefreiheit in den Köpfen“. Dies kann nur unter direkter Beteiligung von Menschen mit einem Handicap geschehen. Menschen mit Behinderungen sollen zukünftig auch als Mandatsträgerinnen und –träger in Parlamenten, Kommissionen und Parteigremien adäquat vertreten sein und dort für sich selbst sprechen. Wir brauchen das Expertenwissen und die Erfahrung möglichst vieler Menschen. Deshalb laden wir Sie herzlich zur Mitarbeit ein! Bei uns kann jede/r mitmachen, die/der sich an der Gestaltung der Gesellschaft beteiligen will, egal ob mit kleinem, großem oder keinem Handicap, ob mit oder ohne Parteimitgliedschaft. Nehmen Sie Kontakt rainermichael.lehmann@spd.parlament-berlin.de mit uns auf! Wir freuen uns auf Sie!

Schnittstelle Bundesteilhabegesetz und Pflegestärkungsgesetz

Als zuständige Berichterstatterin für das auch noch 2016 zu verabschiedende Pflegestärkungsgesetz III - die erste Lesung ist für den 22./23. September geplant - werde ich mich verstärkt der Schnittstelle Bundesteilhabegesetz und Pflegestärkungsgesetz zuwenden.

Der Deutsche Behindertenrat hat am 21. Juli 2016 den gemeinsamen Aufruf von Deutscher Behindertenrat, Die Fachverbände für Menschen mit Behinderung, Der Paritätische Gesamtverband, Deutsches Rotes Kreuz, Deutscher Gewerkschaftsbund veröffentlicht. Der Aufruf "Nachbesserung jetzt!" positioniert sich insbesondere zu den Kabinettsentwürfen Bundesteilhabegesetz in Verbindung mit dem Pflegestärkungsgesetz III.

  • Auch die SPD-Bundestagsfraktion wird in den kommenden Monaten Veranstaltungen zum Bundesteilhabegesetz durchführen.
  • Für die BürgerInnen und zivilgesellschaftlichen Initiativen, Verbände und Organisationen möchte ich ebenfalls noch eine entsprechende Dialog-Veranstaltung organisieren.

Packen wir die Herausforderung einer gemeinsamen inklusiven Gesellschaft gemeinsam an!