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Mehr Schutz für geflüchtete Frauen und Mädchen

Länder und Kommunen stehen derzeit vor der Herausforderung, die große Zahl geflüchteter Menschen unterzubringen, zu versorgen und zu integrieren. Dabei stehen vor allem Fragen der Unterbringung und Kostenübernahme im Fokus, über die Qualität der Unterkünfte und die Wahrung der Rechte von Asylsuchenden wird wenig diskutiert. Schutzbedürftige Flüchtlingsgruppen wie Frauen und Mädchen brauchen jedoch besondere Unterstützung. Sie fliehen unter anderem vor geschlechtsspezifischer Gewalt in ihren Herkunftsländern, erfahren Gewalt auf der Flucht und mitunter auch in Unterkünften in Deutschland.

Das Deutsche Institut für Menschenrechte (DIMR) organisierte am 14. Januar 2016 die Veranstaltung "Frauen in Flüchtlingsunterkünften: Lage erkennen - Rechte wahren" gemeinsam mit der Beauftragten der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration, Aydan Özoğuz, in Berlin. Hierzu erklärt Prof. Dr. Beate Rudolf, die Direktorin des DIMR:

"Deutschland ist verpflichtet, geflüchtete Frauen besonders zu schützen und ihnen psychosoziale Unterstützung sowie Gesundheitsversorgung zu gewähren, unabhängig davon, ob sie allein oder im Familienverband einreisen. Diese Verpflichtung ergibt sich aus der EU-Aufnahmerichtlinie, die Mindestanforderungen für die Aufnahme von Asylsuchenden in der Europäischen Union formuliert und deren Umsetzung in Deutschland seit Juli 2015 überfällig ist. Bislang fehlen verbindliche Vorgaben für die Rechte von Frauen in Flüchtlingsunterkünften, deren Einhaltung regelmäßig überprüft wird. Diese Vorgaben müssen sowohl für Erstaufnahmeeinrichtungen der Bundesländer als auch für kommunale Gemeinschaftsunterkünfte gelten. Die besonderen Bedürfnisse von Mädchen, Schwangeren, Frauen mit Beeinträchtigungen, Lesben, Transfrauen und Opfern sexualisierter Gewalt müssen dabei berücksichtigt werden. Dies setzt voraus, dass Programme und Maßnahmen aus der Perspektive und unter Beteiligung von Flüchtlingsfrauen konzipiert werden. Den Zugang zu Rechten zu gewährleisten bedeutet beispielsweise auch, Sprachmittlung, Kinderbetreuung oder Frauenräume in den Unterkünften bereitzustellen."

Die EU-Aufnahmerichtlinie (Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung von Normen für die Aufnahme von Personen, die internationalen Schutz beantragenenthält Mindestnormen für die Aufnahme von Asylsuchenden in der Europäischen Union und verlangt von den Mitgliedstaaten unter anderem:

  • geschlechtsspezifische Aspekte bei der Unterbringung zu berücksichtigen,
  • Maßnahmen zu ergreifen, um geschlechtsbezogene Gewalt einschließlich sexueller Übergriffe und Belästigungen in allen Unterkünften zu verhindern,
  • Schutzsuchenden mit besonderen Bedürfnissen wie psychisch Kranken, Schwangeren oder Gewaltbetroffenen die erforderlichen medizinischen und sonstigen Hilfen zur Verfügung zu stellen.

Der Schutz vor geschlechtsspezifischer Gewalt in Flüchtlingsunterkünften ist defizitär

Im Policy Paper Nr. 32 (2015) „Effektiver Schutz vor geschlechtsspezifischer Gewalt - auch in Flüchtlingsunterkünften“ hat sich das Deutsche Institut für Menschenrechte schon intensiv mit geschlechtsspezifischer Gewalt in Flüchtlingsunterkünften befasst.

Das Fazit: Der Schutz vor geschlechtsspezifischer Gewalt in Flüchtlingsunterkünften weist erhebliche Defizite auf. Die Europaratskonvention gegen Gewalt gegen Frauen sieht detaillierte Verpflichtungen des Staates zum Schutz vor Gewalt vor. Diese beziehen sich auch auf geflüchtete Frauen, die aufgrund der strukturellen und rechtlichen Rahmenbedingungen ihres Lebens in Unterkünften in ihrer Autonomie, ihrem Zugang zum Recht und damit in ihrer Wehrfähigkeit eingeschränkt sind.

Das Papier gibt konkrete und detaillierte Empfehlungen für eine menschenrechtskonforme Weiterentwicklung des Gewaltschutzsystems für Asylsuchende und Geduldete in Flüchtlingsunterkünften.