Die innereuropäischen Debatten der vergangenen Tage und Wochen haben bewirkt, dass zu Unrecht die historische Wiener Vereinbarung über das iranische Atomprogramm in den Hintergrund medial in den Hintergrund gedrängt wurde.
Nach Jahren der Angst vor einer iranischen Atombombe im Westen und im Nahen Osten konnten die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini und der iranische Außenminister Mohammed Dschawad Sarif am 14. Juli 2015 in Wien die Einigung zu einem Atomabkommen verkünden: Der international verbindliche Vertrag soll dem Iran die Nutzung der Atomkraft ermöglichen, aber den Bau einer Atombombe verhindern. Im Gegenzug will der Westen die Wirtschaftssanktionen gegen das Land schrittweise aufheben. Mit dieser Vereinbarung haben die 5+1-Gruppe, die fünf Vetomächte im Sicherheitsrat USA, Russland, China, Großbritannien, Frankreich, Deutschland und der Iran, eine politische Lösung für einen brandgefährlichen Konflikt gefunden, der die Welt bereits mehrfach an den Rand einer militärischen Auseinandersetzung gebracht hat - mehr noch: auch in Zukunft zu bringen drohte.
Die Umsetzung wird voraussichtlich noch Monate dauern. Der US-Kongress hat ein 60-tägiges Prüfrecht. In dieser Zeit dürfen die US-Sanktionen nicht aufgehoben werden. US-Präsident Barack Obama hat noch einen harten Kampf vor sich, um die ParlamentarierInnen im Senat und im Repräsentantenhaus vom Abkommen zu überzeugen.
Ich danke unserem Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) sehr für seinen wichtigen Beitrag für diesen historischen Erfolg. Dies war und ist eine Sternstunde der Diplomatie. Angesichts der gegenwärtig vielen gewaltsam ausgetragenen Konflikte der Gegenwart ist es ein positives Signal, dass sich in dieser zentralen weltpolitischen Frage der lange Atem friedlicher Verhandlungen durchgesetzt hat.
Die Welt rückt zusammen - im Guten wie im Schlechten
Die sprichwörtliche Redewendung „In China fällt ein Sack Reis um“ - was interessiert´s mich“ war wahrscheinlich schon früher nicht richtig - in unserer globalen Welt, in unserem „globalen Dorf“ ist sie auf jeden Fall falsch. Die existierenden schweren Konflikte auf unserer Welt zeigen Wirkungen auch auf und in Europa, auf und in Deutschland: in Bezug auf unsere politischen Verflechtungen, in Bezug auf das Ansteigen von Flüchtlingen, in Bezug auf die Ausbreitung von Terrorgruppen wie ISIS. Außerdem gilt: Als deutsche Nation, die wir uns selber der Rechtsstaatlichkeit und Humanität verpflichtet haben, stehen wir auch in der Pflicht, mit dafür zu sorgen, dass sich Frieden und Sicherheit in den jeweiligen anderen Gemeinwesen ausweitet.
Die Wiener Vereinbarung
Die Wiener Vereinbarung bedeutet ein Mehr an Sicherheit für die Region und schließt einen Griff Teherans nach der Atombombe langfristig und nachprüfbar aus. Weitreichende Beschränkungen der iranischen Nuklearaktivitäten sind mit einem engmaschigen, umfassenden Kontrollregime abgesichert. Dafür erhält der Iran im Gegenzug Schritt für Schritt eine Lockerung, Suspendierung und dann auch Aufhebung des vielschichtigen vom Westen verhängten politischen und wirtschaftlichen Sanktionsregimes.
Wer die Bilder im Fernsehen an diesem Tag gesehen hat, hat die Freude über dieses Abkommen wahrnehmen können, insbesondere bei viele jungen Leute, die sich mit der damit verbundenen Öffnung nach innen und nach außen auch eine tiefgreifende Änderung der Gesellschaft und der Wirtschaft versprechen. Mit diesem Abkommen werden die Kräfte im Iran gestärkt, die für Stabilität und Ausgleich mit den Staaten der Region eintreten. So können auch die Sicherheitsinteressen Israels und der arabischen Golfstaaten befriedigt werden. Es ist im deutschen Interesse, diese Entwicklungen zu stärken und unsere bilateralen Beziehungen mit Teheran neu zu beleben - politisch und wirtschaftlich, aber auch kulturell und zwischengesellschaftlich.
Es geht aber um noch mehr: Die Wiener Vereinbarung eröffnet dem Iran auch die einmalige Gelegenheit, nach jahrzehntelanger Isolation und Konfrontation auf die Staatengemeinschaft zuzugehen. Sie lässt hoffen, dass sich über die Zeit in Teheran auch über Wien hinaus eine Politik durchsetzt, die im Mittleren Osten nicht mehr nur Gegner, sondern potenzielle Partner und Win-Win-Konstellationen sieht.