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Die Opfer des „Blutprodukteskandals“ werden nicht im Stich gelassen

Zu Beginn der 1980er Jahre traten weltweit Infektionen durch HIV-kontaminierte Blutprodukte auf. In Deutschland wurden fast 90 Prozent aller ständig behandlungsbedürftigen Patient*innen mit Hämophilie in dieser Zeit mit HIV infiziert. Hinzukommen Menschen, denen verunreinigte Blutkonserven oder Blutprodukte im Rahmen von medizinischen Behandlungen verabreicht wurden. 1250 der häufig auch jungen Opfer des „Blutprodukteskandals“ in Deutschland sind mittlerweile verstorben.

Die 553 an HIV-infizierten und/oder AIDS-erkrankten Menschen leben immer wieder in der Unsicherheit, ob ihre Entschädigungsleistungen durch die Bundesstiftung „Humanitäre Hilfe für durch Blutprodukte HIV-Infizierte Personen“ (HIV-Stiftung) auch andauert. Für viele der Betroffenen ist dies die einzige Existenzgrundlage.

Politcafé der Blutskandal-Kampagne "Gegen das Vergessen"

Ziel der seit einigen Monaten laufenden Blutskandal-Kampagne "Gegen das Vergessen" ist die Sicherung der Entschädigungszahlung der durch die Blutprodukte HIV-infizierte Personen. Es gab gute Neuigkeiten auf der am 30. März 2017 im Café Ulrich's dazu organisierten Veranstaltung. Es wurde rege diskutiert, es gab sehr interessante Inputs von Jürgen Möller-Nehring VOB e.V. (Verband der Opfer des Blutskandals), Holger Wicht, Deutsche Aidshilfe, den Bundestagsabgeordneten Maria Michalk (CDU) und Mechthild Rawert (SPD). Ein großer Dank auch an die Lebensgefährtinnen von Betroffenen Lynn Sziklai und Doris Willmer für die Organisation, Durchführung und Moderation. Insbesondere diskutiert wurden die verschiedenen Sichtweisen zur rechtlichen und moralischen Verantwortung der damaligen Verantwortlichen. Die im Deutschen Bundestag anstehenden Entscheidungen zur lebenslangen Absicherung der Betroffenen wurden positiv gewürdigt.

HIV-Hilfegesetz: Endlich Planungssicherheit für die Betroffenen

Die beiden Politikerinnen konnten frohe Nachrichten verkünden: Auf Initiative der SPD-Bundestagsfraktion verändert die Große Koalition im Rahmen eines „Omnibus“-Gesetzgebungsverfahrens zum Blut- und Gewebegesetz auch das HIV-Hilfegesetz (HIVHG). Die finanziellen Hilfen sollen zukünftig lebenslang gewährt werden, ab dem 1. Januar 2019 werden die finanziellen Hilfsleistungen für die Betroffenen endlich entsprechend der Inflationsanpassungen in der gesetzlichen Rentenversicherung dynamisiert. Eine Aufhebung der Stiftung kommt nicht mehr in Betracht. Der Bund wird in Zukunft alleine die finanziellen Mittel aufbringen und dafür rund 8,7 Millionen Euro jährlich zur Verfügung stellen. Ab 2019 steigt der Betrag wegen der Dynamisierung der Leistungen auf etwa neun bis zehn Millionen Euro. Auch ich bin sehr froh, dass es uns endlich gelungen ist, den Betroffenen des „Blutprodukteskandals“ Planungssicherheit für ihr Leben zu geben.

Hintergrund: „Humanitäre Hilfe für durch Blutprodukte HIV-Infizierte Personen“

Der Blutprodukteskandal erschütterte vor rund 30 Jahren unser Land. Die Betroffenen mussten bisher Jahr um Jahr bangen, ob sie weiter unterstützt werden. Die SPD-Bundestagsfraktion stellt jetzt endlich sicher, dass die Stiftung langfristig weiterfinanziert wird. Auf diese lebenslange Planungssicherheit mussten die Betroffenen viel zu lange warten.

Auf der Grundlage des HIV-Hilfegesetzes (HIVHG) wurde am 24. Juli 1995 die Bundesstiftung des öffentlichen Rechts „Humanitäre Hilfe für durch Blutprodukte HIV-Infizierte Personen“ (HIV-Stiftung) gegründet. Deren alleiniger Stiftungszweck besteht darin, aus humanitären und sozialen Gründen die durch verunreinigte Blutprodukte HIV-infizierten Frauen und Männer finanziell zu unterstützen. Seit dem Start der Stiftung schwebte über den durch die HIV-Infektion häufig stark körperlich und seelisch belasteten und zudem vielfach diskriminierten Betroffenen das in § 14 HIVHG formulierte Damoklesschwert. „Die Stiftung wird aufgehoben, denn der Stiftungszweck erfüllt ist oder die Mittel für die finanzielle Hilfe erschöpft sind.“ Die vom Bund, den Bundesländern, den mitverantwortlichen Pharma-Unternehmen (Bayer AG, Immuno GmbH, Baxter Deutschland GmbH, Behringwerke AG, Armour Pharma GmbH, Alpha Therapeutic GmbH) und dem Deutschen Roten Kreuz (DRK) in einem zähen Prozesse ausgehandelten Entschädigungsmittel sind bereits mehrfach ausgeschöpft gewesen. Aufgrund des medizinischen Fortschritts und der verbesserten Therapiemöglichkeiten leb(t)en etliche der Menschen länger als ihre anfangs berechnete noch verbleibende Lebenserwartung es erwarten ließ.

Derzeit ist die Finanzierung der HIV-Stiftung trotz einer Überbrückungsfinanzierung des Bundes nur noch bis März 2018 gesichert. Es wird immer schwieriger, weitere Finanzierungszusagen von den pharmazeutischen Unternehmen und dem DRK für die Opfer zu erhalten. Diese Organisationen stehen zwar immer noch in der moralischen Pflicht für ihr damaliges Tun, einen Rechtsgrund gibt es aber nicht. Die vertraglich vereinbarte finanzielle „Schuld“begleichung ist erfolgt. Die betroffenen HIV-Infizierten erhalten momentan eine monatliche Zahlung von 766,94 Euro. Die Zahlung erhöht sich, wenn eine AIDS-Erkrankung vorliegt auf 1.533,38 Euro monatlich. Kinder haben nach dem Tod eines infizierten Elternteils Anspruch auf monatlich 511,29 Euro bis zum Abschluss der Berufsausbildung.

Für viele der Betroffenen ist die Existenz der Stiftung häufig die einzige Existenzgrundlage, Tendenz steigend – das hat die Prognos-Studie „Lebenssituation von Leistungsempfängerinnen und -empfängern der Stiftung „Humanitäre Hilfe für durch Blutprodukte HIV-infizierte Personen“ bereits 2014 dargelegt.