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Zwei Frauen für ihr politisches Engagement mit Willy-Brandt-Preis geehrt

Die ungarische Professorin und Philosophin Ágnes Heller wurde mit dem 4. Internationalen Willy-Brandt-Preis auf der Festveranstaltung im Willy-Brandt-Haus am 19. Oktober 2015 geehrt. Die SPD würdigt hiermit ihren beispielgebenden Einsatz für Freiheit und Verständigung in Europa. Als überzeugte Kämpferin gegen Antisemitismus, Rassismus und Diskriminierung stellt sie sich in aller Deutlichkeit gegen einen neuen Autoritarismus in ihrem eigenen Land Ungarn, weist unermüdlich auf politische und gesellschaftliche Missstände hin.

Für „Mehr Demokratie wagen“ tritt auch die britische Journalistin Sarah Harrison ein. Sie erhielt den Sonderpreis für besonderen politischen Mut, den sie mit ihrem Engagement für WikiLeaks und speziell in der Begleitung von Edward Snowden bewiesen hat. Ihr Wirken steht exemplarisch für das Streben nach Transparenz und den Einsatz gegen ausufernde Überwachung. Der von Egon Bahr und Sigmar Gabriel initiierte Willy-Brandt-Preis wird seit 2011 an Menschen oder Institutionen vergeben, die sich in vorbildlicher Weise für die internationale Verständigung zwischen den Völkern einsetzen.

Ich bewundere Àgnes Heller und Sarah Harrison. Sie erhalten den Internationalen Willy-Brandt-Preis sehr verdient, wagen sie doch mehr Demokratie an jedem Tag.

Ágnes Heller

Die Laudation für die Autorin und Philosophin Prof. Ágnes Heller hielt der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel. Er verwies auf die Parallelen im Leben von Willy Brandt und Ágnes Heller. Für beide seien die großen Themen ihres Lebens Freiheit, Humanismus, Demokratie und Moralität und beide seien ZeitzeugInnen des „Jahrhunderts der Extreme“, wie der Historiker Eric Hobsbawm das 20. Jahrhundert nannte. Die Jüdin Àgnes Heller überlebte den Holocaust nur mit viel Glück, viele ihrer Verwandten starben in Konzentrationslagern. Willy Brandt musste vor den Nationalsozialisten fliehen und überlebte im norwegischen Exil.

Das philosophische Schaffen von Àgnes Heller beschäftigt sich vor allem mit Fragen der Moral. Nach dem Krieg trat sie der kommunistischen Partei bei, erkannte aber ihren Irrtum und wurde zur Dissidentin im kommunistischen Ungarn. Nach dem Parteiausschluss verlor sie auch ihren Lehrstuhl an der Universität. Sie floh 1977 ins Exil nach Australien und den USA. 1986 wurde sie dort die Dort wurde sie 1986 die Nachfolgerin von Hannah Arendt am Lehrstuhl für Philosophie an der New School for Social Research in New York. Die Philosophie von Àgnes Heller ist nicht abgehoben sondern pragmatisch, menschlich, im Alltag der Menschen verortet. Nach vielen Jahren im Ausland lebt sie nun wieder in ihrer Heimat Ungarn, wo sie sich mit dem repressiven Regime von Viktor Orbán angelegt und gegen Totalitarismus und für Freiheit kämpft.

Dieser Preis bedeute ihr sehr viel, betonte Àgnes Heller in ihrem Dankeswort. Die Einsetzung von Willy Brandt ins Amt des Bundeskanzlers von Deutschland „war für mich wie auch für alle anderen im Leben gebliebenen Opfer des Nazismus das Zeichen, dass Deutschland unwiderruflich mit dieser Vergangenheit gebrochen hat, um zur großen Tradition der deutschen Sozialdemokratie zurückzukehren.“ Sehr klar sprach sie sich gegen eine Philosophie aus, die sich in politischer Absicht mit autoritären Herrschern, mit gefährlichen politischen Regimen verbündet. Unter den osteuropäischen Staaten brauche besonders Ungarn einen Staatsmann, wie Willy Brandt einer gewesen sei. „Wir brauchen heute keine Helden“, sagte Heller, „aber Regierende, die nicht an die schlimmsten, sondern an die besten Instinkte der Bevölkerung appellieren“.

Sarah Harrison

In seiner Laudatio beschrieb Prof. Julian Nida-Rümelin, Vorsitzenden der Jury, Sarah Harrison als eine der bekanntesten WikiLeaks-AktivistInnen und enge Beraterin von Julian Assange. 2013 begleitete Sarah Harrison den amerikanischen Whistleblower Edward Snowden auf seiner Flucht aus Hongkong nach Moskau. Sie lebt heute in Berlin, da ihr in ihrem Heimatland Großbritannien die Verhaftung drohen würde. Sie setzt sich weiterhin gegen Überwachung und für politisches Asyl für Edward Snowden ein.

Ihren politischen Mut bewies die Investigativ-Journalistin und Aktivistin Sarah Harrison auch an diesem Tage. Sie nutzte ihre Dankesrede für einen leidenschaftlichen Appell an die Politik und warb für das Engagement der Whistleblower, für Menschenrechte, für politisches Asyl für Edward Snowden und gegen eine ausufernde Überwachung. Freiheit müsse immer wieder erkämpft werden. Großbritannien, die USA und andere Länder würden den Begriff der „nationalen Sicherheit“ benutzen, um ihre BürgerInnen auszuspähen. Auch der deutsche BND arbeite immer noch für die Amerikaner statt für das deutsche Volk. Nach dem Mauerbau 1961 habe Willy Brandt zum US-Präsidenten John F. Kennedy gesagt: „Berlin expects more than words.“ Sie erwarte dieses auch heute von der Politik: „Lasst uns mehr Demokratie wagen!“

Auch jetzt gehe es darum, den USA die Stirn zu bieten: „Ich wünsche mir, das Land, welches das tut, wäre Deutschland.“ Edward Snowden müsse politisches Asyl gewährt werden - aber bisher sei schon verhindert worden, dass er vor dem NSA-Untersuchungsausschuss aussagen könne. Hier stehe die SPD in der Pflicht. Sie erwarte mehr Einsatz gegen Überwachung und die Einschränkung der Freiheit.

Internationaler Willy-Brandt-Preis

Der Internationale Willy-Brandt-Preis ist eine 2011 von der SPD ins Leben gerufene Auszeichnung. Mit dem Preis geehrt werden Personen oder Institutionen, die sich in vorbildlicher Weise für die internationale Verständigung zwischen den Völkern eingesetzt haben. Dotiert ist der jährlich vergebene Preis mit 25.000 Euro. Die Auszeichnung soll an Leben und Wirken des früheren Bundeskanzlers und SPD-Vorsitzenden Willy Brandt erinnern.