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Das Paul-Löbe-Haus braucht sich nicht hinter dem Reichstagsgebäude verstecken!

Kunst- und Architekturführung im Paul-Löbe-Haus 

Was haben zwei Neonlicht Skulpturen und der Deutsche Bundestag gemeinsam? Warum sieht es an einigen Stellen des Paul-Löbe-Hauses auch jahrelang nach der Fertigstellung noch so aus, als wären die BesucherInnen mitten auf einer Baustelle? Diese und weitere Fragen haben sich geklärt in der Kunst- und Architekturführung im Bundestagsgebäude Paul-Löbe-Haus (PLH) am Samstag, den 10. Oktober 2015. Diese war von Mechthild Rawert, Bundestagsabgeordnete für Tempelhof-Schöneberg, für die BürgerInnen ihres Bezirkes initiiert worden.

Nördlich des Reichstagsgebäudes befindet sich das Paul-Löbe-Haus des Deutschen Bundestags. Das Gebäude ist Teil des symbolischen Gesamtkonzepts „Band des Bundes“, denn es verbindet den ehemaligen West- und Ostteil der damals geteilten Stadt Berlin mit zwei Brücken. Der Münchener Architekt Stephan Braunfels hat das Paul-Löbe-Haus als postmodernes Parlamentsgebäude realisiert. Das achtgeschossige, gläserne Gebäude besteht aus jeweils zweimal fünf Seitenkammern und acht Zylindern und einer 200 Meter langen Halle. Zwischen den insgesamt zehn Seitenkammern befinden sich jeweils begrünte Lichthöfe.

Im PLH sind drei Arbeitsbereiche angesiedelt: Zum einen die Arbeitsgruppen- und Ausschussräume. Die grundlegende parlamentarische „Kärrner“- und Entscheidungsarbeit findet in den jeweiligen Facharbeitsgruppen der einzelnen Fraktionen und in den Ausschüssen statt. Im Plenum des Deutschen Bundestages im Plenarsaal des Reichstagsgebäudes findet die öffentliche Debatte zu den bereits entschiedenen Beschlüssen zu den jeweiligen Anträgen und Gesetzentwürfen statt. Des Weiteren sind dort auch der Besucherdienst und die Öffentlichkeitsarbeit untergebracht. Bei drei Millionen Menschen, welche jedes Jahr den deutschen Bundestag besuchen, ist Organisation sehr wichtig.

Zur Westseite des PLH bietet sich ein wunderbarer Blick auf das BundeskanzlerInnenamt, welches sich auch in der großen Glasfassade spiegelt. Zur Ostseite fällt der Blick auf die Bibliothek und die große Treppe des Marie-Elisabeth-Lüders-Haus (MELH). Zwischen PLH und MELH befinden sich auch die zwei Brücken, welche Teil des symbolischen Band des Bundes sind. Nicht nur in der parlamentarischen Arbeit sondern auch in der Architektur und Ausstattung ist Transparenz im PLH großgeschrieben: Alle Aufzüge sind gläsern und alle 1.000 Büros sind es auch.

untitled restaurant"

Die erste Station unseres Rundgangs war das Abgeordnetenrestaurant im Erdgeschoss, welches eine Glasfassade mit direkter Sicht auf die Spree und die Fassade des MELH bietet. Die Besonderheit dieses Restaurants besteht darin, dass es von dem kubanischen Künstler Jorge Pardo als flächendeckendes Kunstwerk entworfen worden ist. Dazu hat der Designer und Architekt farbige Kristallleuchten und individuelle Tische und Stühle mit verschiedenen Ornamenten entworfen.

"Mann auf der Leiter"

An der Ostfassade befinden sich zwei zehn Meter hohe und weithin sichtbare neonfarbene Lichtfiguren, welche nicht so ganz in das sonst weitgehend seriöse Gesamtkonzept des Parlamentsgebäudes hineinpassen wollen. Die Figuren entspringen aus der Feder des Leipziger Malers Neo Rauch. Die zwei neongrünen Figuren haben eine geheimnisvolle Ausstrahlung, welche sich nicht eindeutig zuordnen lässt. Zwei Männer stehen in fast identischer Haltung auf einer Leiter und scheinen zu winken oder nach einem Gegenstand, welcher sich über ihnen befinden könnte, zu greifen. Ihre Gebärden stehen symbolisch für die Kultur des demokratischen Gemeinwesens und verkörpern beispielsweise eine/n Redner/in oder allgemein eines Menschen, der nach höheren Zielen greift. Damit bildet es den symbolischen Kern unserer Gesellschaft, welche versucht, immer nach neuen Innovationen aus ist, um das Leben für alle einfacher und angenehmer zu gestalten.

Neoninstallation "Haute et basse tension"

Ein weiterer Kontrast zur sonst eher nüchtern wirkenden Beton-Innenfassade des PLH bilden die Neonlichtbänder des französischen Künstlers Francois Morellet. In grellen Farben, darunter rot, gelb, grün und blau verlaufen die Neonlichtbänder halb lianenartig durch die große Mittelhalle und prägen mit ihren aufdringlichen und bunten Farben einen schwungvollen, fast schon fröhlichen Charakter.

Raumlabyrinth“

Die Lichthöfe sind in den Rotunden vorgelagert. Einige Höfe sind von KünstlerInnen auch gestaltet worden. Darunter ist beispielsweise ein Nordhof, welcher von Franka Hörnschemeyer gestaltet worden ist und der auf den ersten Blick an eine Baustelle erinnert. Die Künstlerin hat gelbe und rote Schalelemente verwendet, wie sie beispielsweise zum Gießen von Betonwänden benutzt werden, um daraus ein riesiges, unübersichtliches Raumlabyrinth zu kreieren. Einerseits gibt es Wege, die hinein und auch wieder hinausführen oder auch Räume, die passierbar sind. Jedoch gibt es auch geschlossene Kammern. Die Gitter greifen die frühere und die derzeitige Bebauung dieses Ortes auf: Sie bilden die Grundrisse ehemaliger DDR-Grenzmauern und Teile vom Grundriss des Paul-Löbe-Hauses. Damit besteht eine symbolische Überlagerung der Gegenwart und Vergangenheit. Durch das Labyrinth wird indirekt die Frage nach dem richtigen Weg gestellt, was eine kritisch, reflektierte Auseinandersetzung voraussetzt.

Während des gemeinsamen Rundgangs konnten noch weitere künstlerische und architektonische Besonderheiten bestaunt werden, die hier jedoch nicht alle ausführlich beschrieben werden können.

Politik zum Anfassen

Leider konnte Mechthild Rawert dieses Mal nicht persönlich an der Kunst- und Architekturführung teilnehmen - sie war auf der zeitgleich stattfindenden Kreisdelegiertenversammlung der SPD-Tempelhof-Schöneberg. Selbstverständlich stand aber das „Büro Rawert“ den TeilnehmerInnen im Anschluss für politische Diskussionen zu Verfügung: Sachkundig beantworteten Petra Warda und Frederic Fraund im SPD-Fraktionssaal im Reichstagsgebäude alle Fragestellungen rund um das vielseitige Arbeitsfeld von Mechthild Rawert.

Anschließend bestand die Möglichkeit zum Besuch der Reichstagskuppel, um bei tollem Herbstwetter die überragende Aussicht zu genießen.

 

Autor: Frederic Fraund, FSJ-P'ler im Bundestagsbüro

Dankeschön für die Fotos an Alex Smola und Fokko Ukena!