„Kinder suchtabhängiger Eltern haben genauso ein Recht auf Erziehung durch ihre eigenen Eltern wie suchtkranke Eltern ein Recht auf die Erziehung der eigenen Kinder haben“ - diese eigentlich selbstverständliche Erkenntnis fand erneut Bestätigung durch den Besuch des Tannenhofes e.V. in Lichtenrade am 13. August 2013 während der Sommertour „gesund-sozial-queer“ zusammen mit Mitgliedern der SPD-Fraktion der Bezirksverordnetenversammlung Tempelhof-Schöneberg. Deutlich wurde: Die Förderung der Erziehungs- bzw. allgemein der Elternfähigkeit ist eine gemeinsame Aufgabe für die Sucht- und Jugendhilfe.
Der von uns besuchte Tannenhof e.V. ist Teil des 1979 gegründeten gemeinnützigen Vereins Tannenhof Berlin-Brandenburg. „Wege aus der Sucht und Hilfen für Kinder und Jugendliche“ ist sein Motto. Der Tannenhof ist eine stationäre Rehabilitationseinrichtung für drogenabhängige Frauen und Männer ab 18 Jahren, die den körperlichen Entzug hinter sich haben und an einer in der Regel sechsmonatigen Entwöhnungsbehandlung teilnehmen. Die Maßnahme wird vom Renten- bzw. Krankenversicherungsträger finanziert. Im Haupthaus können 56 Menschen aufgenommen werden - 40 Erwachsene und 16 Kinder. Auf dem gleichem Gelände befindet sich ein Kinderhaus, welches im Rahmen der Jugendhilfe familientherapeutische Betreuung und Beratung anbietet. Für die Eltern wird ein spezielles Coaching und Elterntherapiegruppen angeboten. Die vielfältigen Angebote des Kinderhauses sind speziell auf die Bedürfnisse von Kindern suchtkranker Eltern ausgerichtet.
Wir wurden mit hoher Wertschätzung im Tannenhof in Lichtenrade empfangen: Wolfgang Penkert, mir noch aus meiner Zeit im Haus am Rupenhorn bekannt als Drogenbeauftragter des Landes Berlin (1986 - 1993), nun Vorstandsmitglied des Tannenhof Berlin-Brandenburg e.V., und der Geschäftsführer Horst Brömer, begrüßten uns. Für unsere Fragen zur Verfügung standen auch M. Dewitz, Therapeutische Leiterin, Dr. Bernd-Thomas Donnerhack, ärztlicher Leiter vom Zentrum I, H. Tzschoppe, Leiterin des Kinderhauses, sowie Manuela Dewitz, therapeutische Leiterin, und der Pressesprecher B. Knoblich. Nach einem Rundgang über das Gelände gab es viele Informationen und rege Diskussionen im Turmzimmer des Hauptgebäudes.
Das Kinderhaus ist ein Erfolgsmodell - doch die Finanzierung ist unvollständig
Eltern, die mit ihren Kindern in die Suchttherapie des Tannenhofes e.V. kommen, beenden ihre Therapie häufiger regulär als Erwachsene ohne Kinder. Die Abbrüche sind signifikant zurückgegangen, berichtet Horst Bröhmer voller Stolz. Das Kinderhaus sei ein wirkliches Erfolgsmodell. Grundlage des Erfolgs sei die Verbindung von therapeutischen Notwendigkeiten und menschlicher Aspekte.
Und hier setzen auch die Probleme des Trägers an: Es ist nicht möglich, einige der aus Sicht des Trägers notwendigen Familientherapieformen bei den Kranken- und Rentenversicherungsträger abzurechnen. Die Förderung der Erziehungsfähigkeit der Eltern, eine Voraussetzung für ein in Eigenverantwortung zu leistendes funktionierendes Familienleben „nach dem Tannenhof“, ist eine solche Leistung. Für den Tannenhof wäre es wichtig, dass solche Notwendigkeiten in der Eltern-Kind-Betreuung auch finanziell unterstützt werden würden. Dazu wären Veränderungen in der Reha-Verordnung notwendig.
„Ich werde mich kümmern“
Ich nehme diese Bitte des Trägers mit und werde mich in der kommenden Legislaturperiode darum kümmern. Auch ich möchte, dass das Recht von Eltern und Kindern auf ein gemeinsames Familienleben ermöglicht wird. Ob die „Förderung der Erziehungsfähigkeit“ dann als Teil einer medizinischen Rehabilitation oder ob es zu neuartigen Kooperationsformen zwischen Reha- und Jugendhilfeträgern kommen soll und muss, wird zu klären sein.
„Die Gefährlichkeit der Partydroge Crystal wird völlig unterschätzt“
Ein stark anwachsendes Problem ist die verbreitete Nutzung der Partydroge Meth-Amphetamin (Crystal Meth). Bei 35 Prozent der Patientinnen und Patienten im Tannenhof war das die Hauptdroge, gefolgt von Opiaten (Heroin) mit 25 Prozent und Cannabis mit 18 Prozent. Die illegale Droge Crystel Meth mindert Gefühle wie Angst, Hunger und Schmerz, wirkt euphorisierend und steigert den Eindruck von Leistungsfähigkeit. Lässt die Wirkung nach, stellen sich Antriebsarmut und Gereiztheit ein. Schon der einmalige Konsum kann süchtig machen und zu einer psychischen Abhängigkeit führen. Der regelmäßige Gebrauch verändert die Persönlichkeit der Konsumentinnen und Konsumenten. Die Folgen des Konsums sind erschreckend: Die Droge ruft Psychosen mit Wahnvorstellungen, Halluzinationen und Denkstörungen hervor. Die geistigen Fähigkeiten leiden oft darunter, da das Gehirn geschädigt wird. Betroffene können sich schlecht konzentrieren und Informationen verarbeiten. Körperliche Folgen sind beispielsweise Herzprobleme oder Infekte. Crystal Meth gehört zu den gefährlichsten illegalen Drogen.
Debattiert wurde im Anschluss an diese Diskussionen über die Substitutionsprogramme, darüber, dass unter sehr strengen Bedingungen eine Behandlung schwerstabhängiger HeroinkonsumentInnen mit Diamorphin im Rahmen der Regelleistung der Gesetzlichen Krankenkassen ermöglicht wird. Als zuständige Berichterstatterin in der AG Gesundheit habe ich mich zusammen mit der SPD-Bundestagsfraktion und mit anderen Fraktionen in der letzten Legislaturperiode dafür stark gemacht. Immer wieder wird aber klar: Die Nutzung von Drogen ist schädlich und mensch leidet ein Leben lang.
Sommertour „gesund-sozial-queer“
Der Besuch des Tannenhofs in Lichtenrade am 13. August 2013 ist Teil der SPD Sommertour „gesund-sozial-queer“, die ich gemeinsam mit meinen Genossinnen und Genossen aus der SPD-Fraktion der Bezirksverordnetenversammlung Tempelhof-Schöneberg absolvierte. Mit dabei waren Hermann Zeller (SPD-Sprecher Soziales, Vorsitzender des Ausschuss für Gesundheit), Marijke Höppner (Vorsitzende des Jugendhilfeausschusses), Jörg Tänzer (Ausschuss für Soziales), Dr. Rainer Baack (Ausschuss für Gesundheit). Diese Reise durch die Einrichtungen des Bezirks soll ein Zeichen setzen, dass Gesundheits-, Sozial- und Queerprojekte in der öffentlichen Wahrnehmung und gesellschaftlichen Anerkennungskultur zu Unrecht häufig eine Nebenrolle spielen. Dabei sind gerade sie vielfach die Garanten für eine selbstbestimmte und selbständige Lebensführung, für Teilhabe und Partizipation aller.