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SPD Friedenau: BER - wie weiter?

Im Mittelpunkt der Mitgliederversammlung der SPD Friedenau am 22. Januar - neben der Analyse der erfolgreichen Wahl in Niedersachsen, der Beschlussfassung eines Antrages „Gute Arbeit im Verantwortungs- und Einflussbereich der SPD umsetzen“ - stand die Diskussion zum Thema „BER - wie weiter?“.

Die erneute Verschiebung des Eröffnungstermins bewegt Genossinnen und Genossen ebenso wie Bürgerinnen und Bürger. Diskutiert wurden u.a. folgende Fragen: Wie wird die „gesamtstaatliche Verantwortung“ (Verkehrsminister Peter Ramsauer) von den drei Gesellschaftern Berlin und Brandenburg (jeweils 37 Prozent) und dem Bund (26 Prozent) wahrgenommen? Kommen Mehrkosten auf die Bürgerinnen und Bürger zu? Welche Funktionen haben Aufsichtsrat und welche die Geschäftsführung? Was passiert mit Tegel? Wie ist es mit dem Lärmschutz? Wie wird die Vergabe von Teillosen anstelle eines Generalunternehmers nachträglich eingeschätzt? Wurde im Rahmen der Planfeststellungsverfahren eine ausreichende BürgerInnenbeteiligung umgesetzt. Und vor allem: Was lehrt uns das?

Neues Vertrauen aufbauen

„Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser“, dachten wohl viele Berlinerinnen und Berliner als sie von der erneuten Verschiebung hörten. Fakt ist: Die mehrmalige Verschiebung der Eröffnung ist ein großes Ärgernis. Obwohl nicht „die Politik“ den 27. Oktober 2013 als Eröffnungstermin auf Gutdünken festgelegt hat, stehen Politiker im Visier. Der Termin war nach ausgiebiger Prüfung der Flughafen-Baustelle von Horst Amann, dem nach der nunmehr vorletzten Verschiebung neu eingesetzten Technik-Geschäftsführer, benannt worden. Am 4. Januar teilte Amann in einem Schreiben den Gesellschaftern mit, dass auch dieser Termin wieder gecancelt werden muss. Derzeit ist niemand in der Lage einen neuen Termin zu benennen.

Selbstverständlich erwarten alle Berlinerinnen und Berliner Transparenz und Offenheit. Ohne diese Tugenden, ohne eine verbesserte Informations- und Öffentlichkeitspolitik wird es nicht möglich sein, das verloren gegangene Vertrauen wieder aufzubauen. Situationen wie diese bringen es mit sich, dass nicht nur nach Verantwortlichen sondern auch nach „Schuldigen“ gesucht wird. Dabei ist bemerkenswert, wer sich zur Verantwortung bekennt, Matthias Platzeck und Klaus Wowereit, und wer, Dr. Peter Ramsauer, diese Mitverantwortung lauthals ablehnt. Nun sitzt Verkehrsminister Ramsauer nicht persönlich im Aussichtsrat - Warum eigentlich nicht? - sondern hat seinen Staatssekretär Rainer Bomba hierein entsendet. Ein Schelm wer Böses dabei denkt.

So oder so: Ein Neustart muss für das gesamte Flughafen-Projekt in Bezug auf die Bestandsaufnahme der bisherigen Baumaßnahmen erfahren. Ein Neustart muss hinsichtlich der Controlling-Strukturen erfolgen: zwischen Aufsichtsrat und Geschäftsführung, zwischen Geschäftsführung und den Gewerken. Neustarten muss auch der Aufbau von Vertrauen der Beteiligten, zwischen Planern und Baufirmen und Genehmigungsbehörden, und nicht zuletzt zwischen Aufsichtsrat und Geschäftsführung untereinander.

BER an den Start bringen
Wir Berlinerinnen und Berliner wollen ebenso wie der Berliner Senat, dass der neue Flughafen BER sobald als möglich an den Start geht. Matthias Platzeck, Ministerpräsident Brandenburgs, ist seit dem 16. Januar Vorsitzender des Aufsichtsrats der Flughafengesellschaft, Klaus Wowereit, Berlins Regierender Bürgermeister, ist nun stellvertretender Aufsichtsrats-vorsitzender. In seiner Rede vor dem Berliner Abgeordnetenhaus am 10. Januar hat er sich ausdrücklich zu seiner Verantwortung bekannt. Die Zusammensetzung des Aufsichtsrats wird sich möglicherweise noch ändern, außerdem soll zusätzliche externe Expertise hinzugezogen werden. Erneut haben sich alle drei Gesellschafter zu ihrer „gesamtstaatlichen Verantwortung“ bekannt.

Als Berliner Bundespolitikerin interessiert mich dabei vor allem die Bundesebene: Was macht Verkehrsminister Peter Ramsauer (CSU)? Was machen die Koalitionsfraktionen CDU/CSU und FDP, damit diese gesamtstaatliche Aufgabe auch tatsächlich wahrgenommen wird, damit der BER so schnell als möglich eröffnet wird. Fakt ist, dass die Verantwortung für den Flughafen immer bei drei Gesellschaftern gelegen hat und nicht nur bei Berlin und Brandenburg, wie in aktuellen Äußerungen seitens der Bundespolitik derzeitig häufig der Anschein geweckt wird. Außerdem wurde in der Aufsichtsratssitzung am 16. Januar beschlossen, dass die Geschäftsführung der Flughafengesellschaft umstrukturiert und personell durch einen Geschäftsführer für Finanzen verstärkt und dass Rainer Schwarz als Sprecher der Geschäftsführung der Flughafengesellschaft abberufen wird.

BER als wirtschafts- und beschäftigungspolitische Schubkraft
Der BER ist das größte Infrastrukturprojekt Ostdeutschlands. Er ist für Berlin, für die Region Berlin-Brandenburg von immenser Bedeutung. Bereits jetzt hat der Bau des BER wirtschaftliche Effekte für die Region gebracht und bereits jetzt tausende neue Arbeitsplätze entstehen lassen. Mehr als 60 Prozent des bisherigen Auftragsvolumens ging an regionale Unternehmen, von gut 3.100 Subunternehmen kamen über die Hälfte aus der Region. Ich möchte mir nicht vorstellen, wie die beschäftigungspolitische Situation in Berlin ohne diese wirtschaftliche Schubkraft aussehen würde: Von den 40.200 geleisteten Personenjahre entfielen im Zeitraum 2005 bis Mai 2009 rund 70 Prozent auf Beschäftigte in Berlin-Brandenburg. Ich bin davon überzeugt, dass noch viele weitere tausende Arbeitsplätze in den kommenden Jahren geschaffen werden.

Uns bewegte in der Diskussion selbstverständlich auch die Frage, wie es um die Unternehmen - und ihre Beschäftigten - steht, die am BER in diesem Jahr Betriebe eröffnen wollten: Bisher hat kein Unternehmen Insolvenz anmelden müssen - und das soll auch so bleiben. Es ist erklärtes Ziel des Berliner Senats, dass es zu keinen verschiebungsbedingten Insolvenzen kommt. Deshalb bietet das Land Berlin den betroffenen Unternehmen Unterstützung über den Unternehmensservice unter der Hotline Service-fuer-BER-Unternehmen@berlin-partner.de an. Bis zum 04. Januar – der Tag des Schreibens von Technik-Chef Horst Amann an die Gesellschafter - haben sieben und danach ein weiteres Unternehmen dieses Angebot in Anspruch genommen. Laut Angaben des Handelsverbandes gibt es keine Vertragskündi-gungen. Vielmehr ist es so, dass nach wie vor Unternehmen auf der Warteliste stehen, da sie Betriebe am neuen BER eröffnen wollen.

Konsequenzen der Zunahme des Passagieraufkommens

Die Fluggastzahlen von und nach Berlin nehmen kontinuierlich zu. In den letzten zehn Jahren hat sich das Passagieraufkommen mehr als verdoppelt: in 2012 waren es fast 25 Millionen Passagiere. Entgegen der Kritik in den 90 Jahren ist der Flughafen nicht zu groß sondern eher zu klein geplant worden. Deshalb wurden in den vergangenen Jahren bereits während des Bauprozesses Erweiterungen beschlossen, um die Kapazitäten des neuen Flughafens zu vergrößern. Vergrößert worden ist das Terminal von ursprünglich 220.000 auf 360.000 Quadratmeter, zwei zusätzliche Piers sind gebaut worden und ebenso Doppelstockbrücken, um die europäische, internationale Drehkreuz-Funktion des Flughafens zu ermöglichen. Auch ein späterer Eröffnungstermin ändert nichts daran, dass schon bald über die nächste Erweiterung der Abfertigungskapazitäten entschieden werden muss.

In einzelnen Bürgerbriefen wird die Sinnhaftigkeit des internationalen Drehkreuzes in Frage gestellt, da umsteigende Passagiere für die Region Berlin-Brandenburg kein Gewinn seien. Es ist richtig: UmsteigerInnen übernachten nicht in Berliner oder Brandenburger Hotels, besuchen keine kulturellen Veranstaltungen. Richtig ist aber auch, dass dadurch, dass BER ein internationales Drehkreuz wird, unsere Region für zum Beispiel arabische Airlines überhaupt erst spannend wird. Es geht auch um die globale Attraktivität von Regionen, um das Anfliegen von Europa, von Deutschland - abgesehen davon, dass auch in Deutschland lebende Menschen beruflich oder privat - zunehmend Fernreisen nach Afrika, Australien, Asien, in arabische Staaten unternehmen und Flüge mit möglichst wenigen Zwischenstopps bevorzugen.

Mehrkosten für den BER?
Für den aktuellen Baubetrieb des größten Infrastrukturprojektes in Ostdeutschland ergeben sich zunächst keine Mehrkosten über die bereits von den drei Parlamenten bewilligten 1,2 Milliarden hinaus. Diese bisherige Ausfinanzierung reicht vorläufig aus. Im Dezember 2012 hat die EU dem Land Berlin bestätigt, dass die Deckung des zusätzlichen Kapitalbedarfs der Flughafengesellschaft in Höhe von 1,2 Mrd. Euro durch öffentliche Gelder - im Bedarfsfall auch für eine höhere Summe - EU-rechtlich möglich ist. Der Abschluss des Notifizierungsverfahrens ist für uns ein großer Erfolg. Während das Abgeordnetenhaus von Berlin seinen Beitrag - gemäß der Anteilshöhe 444 Millionen Euro - im Rahmen eines Nachtragshaushaltes bereits bereitgestellt hat, ist nun auch der Bund gefordert, seinen kompletten Anteil an der Nachfinanzierung zügig frei zu geben. Zur Wahrnehmung gesamtstaatlicher Verantwortung gehört auch, dem Flughafenbau keine weiteren Steine in den Weg zu legen. Von diesen 1,2 Milliarden Euro sind rund 300 Millionen Euro Mehrkosten aufgrund der Verschiebung. 600 Millionen Euro sind reale Zusatzinvestitionen unter anderem in Schallschutzmaßnahmen bzw. in die Vergrößerung des Flughafens. Cirka 305 Millionen Euro werden für den zusätzlichen Lärmschutz gebraucht, was im Juni 2012  gerichtlich festgestellt worden ist. Fakt ist, dass der Lärmschutz am neuen Flughafen weit besser sein wird als an irgendeinem anderen großen deutschen Airport.

Derzeit ist jede Spekulation über künftige weitere Kosten Kaffeesatzleserei. Erst wenn die von Horst Amann im Schreiben vom 04. Januar angekündigten weiteren Prüfungen und die Festlegung von erforderlichen Maßnahmen ermittelt sind, kann sowohl eine Neubewertung der Projektkosten und ein zusätzlicher Finanzierungsbedarf ermittelt werden. Abwarten ist sowohl für uns PolitikerInnen als auch für die an einer neuen Terminierung Interessierten nervenzerrend, aber alles andere nutzt in naher Zukunft leider nichts.

Sicherheit geht vor

So ärgerlich eine Verschiebung des Eröffnungstermins für den BER für uns alle ist: Ich finde es richtig, dass seitens der Kontrolleure und der brandenburgischen Genehmigungsbehörden die Sicherheit der Beschäftigten und der Passagiere die absolute Top 1 ist und Vorrang vor allem anderen hat. Wenn die extra für den BER konzipierte hoch technologisierte Brandschutzanlage, eine speziell auf BER-Verhältnisse angepasste Maßanfertigung aus mehreren Einzelkomponenten, noch nicht einsatzbereit ist, dann darf sie von den zuständigen Behörden nicht genehmigt werden. Niemand möchte zu Recht vermeidbare Schuld auf sich laden.

Bisherige Prüfungen haben ergeben, dass zwar Umbauten bei der technischen Gebäudeausstattung (Schaltschränke, Kabelschächte und Schaltanlagen) nötig sind, aber wahrscheinlich kein Abriss von Gebäudeteilen notwendig ist.

Flughäfen Tegel und Schönefeld

Bis der BER in Betrieb geht, bleiben die Flughäfen Tegel und Schönefeld in Betrieb. Ihre Betriebserlaubnis verlängert sich automatisch.

Beide Flughäfen sind grundsätzlich auch in der Lage, die zusätzlichen Passagierkapazitäten aufnehmen. Fakt ist aber auch, dass dringender Renovierungsbedarf in einigen Bereichen besteht. Notwendige Investitionen sind diese von der Flughafengesellschaft zu leisten. Die Mitglieder des Aufsichtsrats sind sich auch einig, dass der reibungslose Betriebsablauf in Tegel und Schönefeld sichergestellt werden muss. Ausnahmen vom Nachtflugverbot kann es in Tegel nur in zu genehmigenden Einzelfällen geben.

Verständlicherweise sind die BürgerInnen im Wedding, in Spandau, in Pankow „nicht glücklich“ über die Zunahme des Flugverkehrs, zumal mit dem baldigen Stop gerechnet wurde. Hier ist aktiv nach Lösungen für die entstehenden Benachteiligungen zu suchen. Gleiches gilt für die Verbesserung der Arbeitsbedingungen von Beschäftigten auf dem Flughafen Tegel.

Politischer Klärungsbedarf
Am 14. Dezember 2012 habe ich in der Aktuellen Stunde zum Thema „Versagen der Bundesregierung angesichts der Kostenexplosion bei Infrastrukturgroßprojekten S21/BER“ in meiner Rede die Fragen gestellt „Warum hat Herr Ramsauer eine SoKo zum BER, nicht aber zur neuen BND-Zentrale eingerichtet, obwohl der Kostenanstieg hier viel markanter ist? Warum hat Herr Ramsauer keine Sonderkommission zu Stuttgart 21 eingerichtet? Warum hat Herr Ramsauer keine Sonderkommission zum neuen Regierungsflughafen eingerichtet, dessen Inbetriebnahme sich noch viel länger, nämlich bis 2016 / 2017 verzögert?“.

Aktuellen Pressemeldungen zu Folge sind die Ergebnisse der von Herrn Ramsauer selbst eingesetzten SoKo zum BER aber durchaus sehr spannend. Noch vermag ich aus eigener Klärung nicht abschließend einzuschätzen, was in der Presse behauptet wird: „Aus den jetzt bekannt gewordenen Geheimprotokollen geht außerdem hervor, dass Ramsauers Sonderkommission spätestens ab Sommer 2012 weniger darauf hingearbeitet habe, den maroden Flughafen zu retten, sondern vor allem belastendes Material für eine Ablösung von Flughafenchef Rainer Schwarz zu sammeln. Ramsauer habe sich gegen Vorwürfe absichern und dem politischen Gegner, den SPD-Ministerpräsidenten Matthias Platzeck und Klaus Wowereit, die Alleinschuld zuschieben wollen. Ramsauer habe Schwarz loswerden wollen, die Sitzungen seien „zum Tribunal“ geworden“ (Der Tagesspiegel). Aber schon heute ist klar, dass die Ausübung der Verantwortung des Bundes für den neuen Flughafen-Willy-Brandt Gegenstand der kommenden Plenarwoche werden wird.