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Wir übernehmen Verantwortung für Frieden: Erinnerung an den 75-jährigen Überfall Deutschlands auf die Sowjetunion

In den frühen Morgenstunden des 22. Juni 1941 brach vor 75 Jahren die Hölle los. Es begann der deutsche Angriffskrieg gegen die Sowjetunion. Die Wehrmacht besetzte mehrere Sowjetrepubliken, die Ukraine, Weißrussland, das Baltikum sowie einen großen Teil Russlands. Es begann ein beispielloser Vernichtungsfeldzug im Osten Europas gegen sogenannte „Untermenschen“, die Angehörigen der slawischen Völker. Hier sollte mit Waffengewalt "Lebensraum" für Deutsche geschaffen werden. Der Vernichtungsfeldzug wurzelte in der menschenverachtenden nationalsozialistischen Rassenideologie. Opfer dieses nationalsozialistischen Unrechts wurden 27 Millionen Menschen in der Sowjetunion, WeißrussInnen, UkrainerInnen, RussInnen; JüdInnen und viele mehr, die allermeisten von ihnen ZivilistInnen.

In Anwesenheit der Botschafter Russlands, Armeniens und Tadschikistans, von VertreterInnen der Botschaften von Belarus, der Ukraine sowie anderer Botschaften unserer Nachbar- und Partnerländer fand im Deutschen Bundestag eine Debatte zum „75. Jahrestag des Überfalls Deutschlands auf die Sowjetunion“ statt. Alle RednerInnen betonten unsere Verantwortung, dass etwas Vergleichbares nie wiedergeschehen darf.

Für Freiheit und Frieden in Europa tragen wir Deutsche mehr Verantwortung als andere

Wir Deutsche sollten Lehren aus unserer Geschichte ziehen, bekräftige Bundestagspräsident Prof. Dr. Norbert Lammert. Eine der Lehren ist, dass wir nie und nirgends dulden wollen, dass die unumstößlichen Prinzipien von Freiheit und Frieden in Europa infrage gestellt werden. Wir alle bekennen uns zu einer auf Menschenrechten und Grundfreiheiten beruhenden Demokratie: „Nach dem Zweiten Weltkrieg und der Teilung Europas wurde in der Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa gemeinsam nach Wegen gesucht, die eine geregelte friedliche Entwicklung auf unserem Kontinent ermöglichen. Die KSZE-Schlussakte von 1975 schwor einer Konfrontationspolitik ab. Sie war die Lehre aus einer furchtbaren historischen Gewalterfahrung vor 1945. Nach Überwindung der Teilung Europas fanden deren Leitprinzipien Eingang in die Charta von Paris, darunter Gleichberechtigung und Selbstbestimmungsrecht der Völker, Unverletzlichkeit der Grenzen, territoriale Integrität der Staaten und friedliche Regelung von Streitfällen. Mit dieser Charta haben im November 1990 34 Staats- und Regierungschefs innerhalb und außerhalb Europas – darunter die der Bundesrepublik Deutschland und der Sowjetunion – ihr unerschütterliches Bekenntnis zu einer auf Menschenrechten und Grundfreiheiten beruhenden Demokratie, Wohlstand durch wirtschaftliche Freiheit und soziale Gerechtigkeit und gleiche  Sicherheit für alle unsere Länder“ zum Ausdruck gebracht.“

Von einem Zeitalter des Friedens sind wir heute leider noch weit entfernt

Wir Deutsche dürfen nie vergessen, was wir in der Sowjetunion angerichtet haben, erinnerte und mahnte Bundesaußenminister Dr. Frank-Walter Steinmeier. Viel Gutes sei den Deutschen „über die Jahrzehnte nach dem Krieg vergönnt gewesen“, Schritt um Schritt wieder hineinzuwachsen ins Herz der internationalen Gemeinschaft: „zunächst als Bundesrepublik in das Bündnis der westlichen Demokratien, auch der NATO, dann in das großartige Friedensprojekt der europäischen Einigung, in die Europäische Union (…) und schließlich als wiedervereintes Land in eine gemeinsame europäische Sicherheitsarchitektur, die Ost und West umfasst und deren Prinzipien über die Schlussakte von Helsinki in der OSZE verankert sind, deren Vorsitz wir Deutsche in diesem Jahr innehaben. (…) Dennoch seien wir von einem Zeitalter des Friedens leider weiter entfernt, als wir es jemals seit dem Ende des Kalten Krieges waren. Es tobten blutige Konflikte in Europas Nachbarschaft. Und auch durch Europa gehe ein tiefer Riss: „Mit der Annexion der Krim und der Destabilisierung der Ostukraine hat sich erstmals seit dem Ende des Kalten Krieges ein Unterzeichnerstaat der Schlussakte von Helsinki offen gegen eines der leitenden Prinzipien der europäischen Friedensordnung gestellt, die Unverletzlichkeit der Grenzen und die Souveränität eines anderen Staates. Gerade ob unserer historischen Verantwortung für die europäische Friedensordnung habe die deutsche Bundesregierung auf diesen Prinzipienbruch klar und unmissverständlich reagiert.

Eine der Lehren sei: „so viel Verteidigungsbereitschaft wie nötig, so viel Dialog und Zusammenarbeit wie möglich. Beide Säulen müssen stark sein.“ Es sei aber auch unsere Pflicht, das „Risiko von militärischen Missverständnissen zu minimieren“ und einen „Prozess der Vertrauensbildung und hoffentlich langfristig auch Wiederannäherung möglich zu machen“. Dauerhafte Sicherheit in Europa kann es nur mit und nicht gegen Russland geben. Steinmeier betonte: Wir brauchen den doppelten Dialog: über Trennendes als auch über Gemeinsames.

Die politische Sprachlosigkeit überwinden

Der „Draht zwischen den Menschen“ müsse gestärkt werden, betonte Steinmeier. Zusammen mit dem Außenministers Russlands habe er daher vor wenigen Tagen das Deutsch-Russische Jahr des Jugendaustausches eingeläutet. Gerade die jungen Menschen müssten „sozusagen kontrafaktisch“ die drohende Sprachlosigkeit in der Politik überwinden.

Gemeinsam mit der russischen Regierung sei eine neue Initiative beschlossen  worden. Archivmaterialien über sowjetische und deutsche Kriegsgefangene des Zweiten Weltkrieges sollen lokalisiert, systematisch erfasst und digital zugänglich gemacht werden. Alle offiziellen Stellen und die ForscherInnen seien zur Mitarbeit aufgerufen. Den Nachfahren der vielen Gefangenen und Verstorbenen solle ein würdiges Andenken ermöglicht werden.

Gedenkveranstaltung/Friedenskundgebung: Nie wieder Krieg!

Пусть больше никогда не будет войны!

Нехай більше ніколи не буде війни!

Թող այլևս երբե՛ք պատերազմ չլինի

Müharibə yenidən heç vaxt edək!

Der vielsprachige Ruf der Kriegsgeneration angesichts der 27 Millionen Menschen, die in der damaligen Sowjetunion gewaltsam zu Tode gekommen sind, bleibt aktuell. Die gesellschaftlichen Folgen des deutschen Vernichtungskrieges, das Trauma der Nachkriegszeit wirken in Russland, Belarus und anderen ehemaligen Sowjetländern bis heute nach.

Ich danke daher dem Verein KONTAKTE-KOHTAKTbI e.V., dass er mit Unterstützung des Deutsch-Russischen Forums und mit Förderung des Auswärtigen Amtes eine Gedenkveranstaltung zum 75. Jahrestag des deutschen Überfalls auf die Sowjetunion am Russischen Ehrenmal an der Strasse des 17. Juni in Berlin organisiert hat. Auf dieser Friedenskundgebung wurde das Grußwort gehalten von Prof. Dr. Günter Morsch, Leiter der Gedenkstätte Sachsenhausen, es sang der Hanns-Eisler-Chor Berlin.

Die Rede hielt der mittlerweile 90-jährige Prof. Dr. Erhard Eppler (SPD), Bundesminister a.D., der einst (1981) im Bonner Hofgarten Redner auf der größten Friedensdemo der Nachkriegsgeschichte war. Eppler fordert den Frieden in der Welt, will keine Kriege mehr mit Millionenfachen Toten in dieser Welt. Seine Rede ist als Video in zwei Teilen auf Youtube anzuschauen (Teil 1 und Teil 2).  

Ich schätze die Arbeit von KONTAKTE-KOHTAKTbI e.V. für die Völkerverständigung zwischen Deutschland und Russland und ehemaligen Ländern der Sowjetunion. Nicht umsonst hat der Verein 2002 die Carl-von-Ossietzky-Medaille für die Ost-West-Völkerverständigung erhalten.