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Der 3. Deutsche Pflegetag begrüßt den Beginn der parlamentarischen Beratung zur Schaffung eines neuen Berufsbildes Pflege

In den vielen Veranstaltungen und Foren des 3. Deutschen Pflegetages spielte die geplante Pflegeberufereform eine herausragende Rolle. Einer der Höhepunkte war das Diskussionsforum „Cockpit Pflege“ am 11. März 2016, an dem die pflegepolitischen SprecherInnen der vier Bundestagsfraktionen Stellung zu verschiedenen Themen nahmen.

Wir alle wissen:

  • Der Bedarf von Pflegefachkräften steigt enorm, pro Jahr mindestens um 20 000.
  • Und die Zahl der Pflegebedürftigen steigt in den kommenden 15 Jahren von 2,6 auf dann 3,3 Millionen.

In meinem einleitendem Statement bin ich im Hinblick auf die Umsetzung einer würdevollen Pflege für jede und jeden auf zahlreiche Herausforderungen eingegangen:

  • Die generalistische Pflegeausbildung ist eine dringend notwendige Anpassung an die Erfordernisse der demografischen Veränderungen und medizinischen Entwicklungen in Richtung Professionalität. Dabei handelt es sich um eine neue Art der Ausbildung mit einem vollkommen neuen Denken und einer vollkommen neuen Struktur. Geschaffen wir ein neues Berufsbild. Das Prinzip des Lebensbegleitenden Lernens im auch in dieser Branche implementiert.
  • Eine bedürfnisorientierte Pflege gerade der hochaltrigen und multimorbiden älteren Menschen wird „der Markt“ alleine nicht richten, es bedarf einer ausgewogenen Balance von ehren- und hauptamtlicher Pflege neben der Angehörigenpflege. 
  • Der Megatrend Vielfalt: Wir werden älter und bunter: Gerade beim Thema kultur-, gender – und gruppensensible Pflege muss die Politik intensiv am Ball bleiben.
  • Die zahlreichen gesetzgeberisch bereits durchgesetzten bzw. noch in der Beratung befindlichen Reformen.
  • Um Pflegearmut zu vermeiden, Angebote auszubauen, mehr Personal zu gewinnen und dieses gerecht zu bezahlen, führt für die SPD kein Weg an der Bürgerversicherung in der Pflege vorbei.
  • Eine hohe Beteiligung von ZuwanderInnen und Geflüchteten in der pflegerischen Ausbildung und auf dem pflegerischen Arbeitsmarkt ist anzustreben. Es gibt bereits seit Jahren Modellprojekte, die zeigen, wie es gelingen kann.
  • Mit der Schaffung einer Pflegekammer auf Länder- und Bundesebene haben professionell Pflegende eine eigene Interessenvertretung. Die bei dieser berufsfachlichen Selbstbestimmung aktiv zu unterstützen, ist mein Ziel.

18. März 2016: 1. Lesung zur generalistischen Pflegeausbildung im Deutschen Bundestag

Es wird Zeit, dass der Deutsche Bundestag nach Jahrzehnten des Diskutierens eine gesetzgeberische Entscheidung zur Einführung einer generalistischen Ausbildung in der Pflege trifft. Obgleich die Fraktionen hierzu eine unterschiedliche Haltung haben, verlief diese Diskussion durchaus zivilisiert – im Gegensatz zu dem zunehmend unversöhnlich geführten Streit der BefürworterInnen und GegnerInnen außerhalb des Deutschen Pflegetages. Ich bin der festen Meinung, dass sich die ProtagonistInnen der unterschiedlichen Lager erst nach einer parlamentarischen Entscheidung wieder zusammenraufen.

Am Freitag, den 18. März 2016, 9.00 Uhr bis 10:30 Uhr findet im Bundestag als Tagesordnungspunkt 19 die 1. Lesung des Entwurfs eines Gesetzes zur Reform der Pflegeberufe (Pflegeberufereformgesetz – PflBRefG, Drucksache 18/7823) statt. Anschließend werden die parlamentarischen Beratungen und die dazugehörige Anhörung stattfinden. Die abschließende 2./3. Lesung ist für Ende Juni geplant. Das Gesetz muss dann erneut in den Bundesrat. Wir ParlamentarierInnen tragen eine hohe Verantwortung für die Zukunftsfestigkeit der Pflege und werden die auftauchenden Fragen in der Beratung als auch in der Öffentlichen Anhörung sorgfältig diskutieren.

Der Bundesrat hat der Reform in 1. Lesung bereits grundsätzlich zugestimmt, fordert aber eine Verschiebung des Starts auf den 1.1.2016. Ich sage voraus: Die generalistische Pflegeausbildung wird auch im Deutschen Bundestag mit Mehrheit beschlossen werden. Ich werde auf jeden Fall dafür stimmen – denn ich bin davon überzeugt, dass ein einheitliches Pflegeberufsbild und ein einheitlicher Berufsabschluss „Pflegefachfrau“ beziehungsweise „Pflegefachmann“ das Richtige ist. Ich bin zuversichtlich, dass die neue Ausbildung zu besseren Karrierechancen und zu einer angemesseneren Bezahlung, insbesondere in der Altenpflege, führen wird und dass sie die Basis für die dringend benötigten gut ausgebildeten und motivierten Pflegefachkräfte bildet. Es findet eine Aufwertung der Pflegearbeit statt.

Im neuen Ausbildungsprofil wird das Wissen aus allen drei Pflegebereichen gebündelt. Dies ist aus mehreren Gründen notwendig:

  • Der Bedarf an Pflegefachkräften steigt enorm. Bis 2030 wird eine Versorgungslücke von bis zu 500.000 Vollzeitkräften prognostiziert.
  • Die Anzahl der Pflegebedürftigen wird in den kommenden 15 Jahren von heute 2,6 auf dann 3,3 Millionen ansteigen.
  • Es werden künftig zunehmend übergreifende pflegerische Qualifikationen benötigt, beispielsweise durch den Anstieg an Demenzkranken in medizinischen Versorgungseinrichtungen.

GegnerInnen und BefürworterInnen der neuen Pflegeausbildung

Der Deutsche Pflegetag startete mit scharfen Angriffen von Teilen der Arbeitgeberschaft gegen die generalistische Ausbildung in der Pflege. Ich unterstütze die in der Eröffnungspressekonferenz des Pflegetags am 10. März getroffene Aussage des Pflegebeauftragten der Bundesregierung Karl-Josef Laumann: "Menschen, die keine Tarifverträge wollen, meinen es nicht gut mit der Pflege". Fakt ist, dass in zahlreichen privaten Pflegeeinrichtungen keine Tariflöhne gezahlt werden.

Beim Berufsverband privater Anbieter sozialer Dienste (bpa) ist auf der Internetseite nachzulesen, das die Reform vor allem von den "großbürokratischen Multis von Caritas und Diakonie“ unterstützt werde, dass das Gesetz mit manipulierten Zahlen durchs Parlament gepeitscht werden solle und dass es bei den ambulanten Pflegediensten und kleineren Heimen Ausbildungsplätze vernichten werde. Die Wahrheit sei, dass die generalistische Pflegeausbildung von tausenden kleinen und mittleren Unternehmen aus der privaten Pflegewirtschaft abgelehnt werde. Sie verträten 60 Prozent der ambulanten und 40 Prozent der stationären Pflege. "Wer angesichts dieser Zahlen behauptet, die Pflegenden würden voll hinter der Reform stehen, der sollte zum Arzt gehen und sich auf seine Wahrnehmungsfähigkeit untersuchen hin lassen".

Die Verbände in der Altenpflege befürchten ein verloren gehendes Fachwissen, befürchten einen Weggang aus der Altenpflege in die besser bezahlende Krankenpflege. Die Deutsche Stiftung Patientenschutz lehne die Zusammenlegung der drei Pflegeausbildungen wegen der Unterschiedlichkeit von Akut- und Langzeitpflege ab.

Grundsätzlich begrüßen alle Wohlfahrts- und Pflegeverbände die generalistische Pflegeausbildung. Der AWO-Bundesverband als auch der Paritätische Wohlfahrtsverband wollen konstruktiv mitarbeiten und aus ihrer Sicht noch offen gebliebene Fragen klären, wie zum Beispiel die ausreichende Anzahl der Ausbildungs-Einsatzstellen. Von den AWO-Landesverbänden sprechen sich 14 für die generalistische Pflegeausbildung aus, die Gegenposition vertreten die AWO-Landesverbände in Bayern und in Berlin. Durch die Vorlage der Eckpunkte der Ausbildungs- und Prüfungsverordnung konnten bereits viele Fragestelllungen geklärt werden. Unterstützung kommt vom Deutschen Pflegerat als auch vom Spitzenverband der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV).

Gesetzentwurf zur Reform der Pflegeberufe

Am 13. Januar 2016 hat das Bundeskabinett einen Gesetzentwurf zur Reform der Pflegeberufe beschlossen, nach die bislang drei unterschiedlichen Fachberufe in der Alten-, Kranken- und Kinderkrankenpflege zu einem Beruf werden. Es gibt einen einheitlichen Berufsabschluss. Die Fachkräfte nennen sich dann "Pflegefachfrau" oder "Pflegefachmann". Der erste Jahrgang soll am 1. Januar 2018 starten.

Das immerhin noch immer in 6 von 16 Bundesländern von den PflegeschülerInnen zu zahlende Schulgeld wird endgültig abgeschafft. Die Auszubildenden erhalten stattdessen während der dreijährigen Ausbildungszeit eine Vergütung. Parallel zum Gesetz sind mittlerweile die Eckpunkte und weitere Ausführungen für eine Ausbildungs- und Prüfungsverordnung gelegt worden:

  • Die Ausbildung dauert drei, in Teilzeit höchstens fünf Jahre. Sie soll 4600 Stunden umfassen, 2100 Stunden Theorie und Praxis in der Pflegeschule, 2500 Stunden praktische Ausbildung.
  • Die konkreten Ausbildungsinhalte werden von einer Fachkommission erarbeitet. Dabei soll es nicht um die Addition der bisherigen Curricula gehen sondern um eine Neukonzeption.
  • Die praktische Ausbildung beginnt mit einem Orientierungseinsatz (400 Stunden); für die stationäre Akutpflege, die stationäre Langzeitpflege und die ambulante Pflege sind jeweils 400 Stunden vorgesehen.
  • Die Pflichteinsätze in der Pädiatrie und der Psychiatrie umfassen 120 Stunden.
  • Die Spezialisierung erfolgt in 500 Stunden während der praktischen Ausbildung.
  • Für die Pädiatrie gelten Sonderregeln. Wer sich darauf spezialisieren will, soll schon während der Ausbildung rund 1500 Stunden ausschließlich in der pädiatrischen Versorgung lernen können.
  • Die die mit dem Gesetz eingeführte berufsqualifizierende universitäre Pflegeausbildung folgt im Wesentlichen der Aufteilung der beruflichen Pflegeausbildung. Die Praxiszeiten sollen jedoch auf 2300 Stunden begrenzt werden können.

Geplant ist auch ein Pflegestudium. Damit werden die Berufs- und Karrierechancen mittelfristig verbessert. Ich bin davon überzeugt, dass davon viele Frauen, die fast drei Viertel der Pflegefachkräfte ausmachen, profitieren werden.

Die Ausbildung für ein neues Berufsbild Pflege ist notwendig: Schon heute überschneiden sich die Aufgaben von Alten- und KrankenpflegerInnen immer mehr. In stationären Einrichtungen sind immer häufiger chronisch Kranke zu versorgen, in Krankenhäusern werden z.B. für die an Demenz Erkrankten zunehmend Altenpflegekenntnisse benötigt. Die neuen Pflegefachleute sollen über Handlungskompetenzen verfügen, um Menschen jeden Alters betreuen zu können und dieses sowohl in stationären wie auch ambulanten Pflegesettings.

Nach Angaben des Gesundheits- und Familienministeriums werden jährlich 133.000 Fachkräfte im Pflegebereich ausgebildet und rund eine Million Menschen sind in der Pflege tätig. Der jetzt schon hohe Fachkräftemangel wird ohne eine Modernisierung der Pflegeausbildung noch ansteigen – was angesichts des demographischen Wandels völlig kontraproduktiv ist. Auch verspreche ich mir einen Anstieg der Interessierten am Pflegeberuf.

Besonders die Situation der in der Altenpflege Tätigen wird sich verbessern. AltenpflegerInnen hatten bis dato nur wenige Möglichkeiten zur beruflichen Weiterentwicklung, sie konnten in keinem anderen Pflegesektor arbeiten und konnten auch nicht ins Ausland gehen, weil die Ausbildung dort nicht anerkannt ist. Viele der jüngeren AltenpflegerInnen verlassen derzeit bereits nach sieben bis zehn Jahren den Beruf. Der Fachkräftemangel in einigen der Senioreneinrichtungen liegt auch daran, dass einige wegen hoher Renditen am Personal und an der besseren Bezahlung sparen. Damit und mit Dumpingpreisen muss Schluss sein.

Es braucht bessere Arbeitsbedingungen, es braucht eine bessere Bezahlung. Eine Studie des Institut für Arbeitsmarkt und Berufsforschung (IAB) von 2015 besagt: Im Osten verdient eine Krankenschwester, ein Krankenpfleger derzeit im Durchschnitt 2738 Euro (brutto) im Monat, im Westen 3139 Euro (brutto). Im Westen verdient eine Altenpflegekraft aktuell 2568 Euro, im Osten monatlich nur 1945 Euro.

Die Mehrausgaben für die Modernisierung der Pflegeausbildung belaufen sich auf rund 300 Millionen Euro pro Jahr. Die Finanzierung erfolgt aus Steuer- als auch Sozialversicherungsabgaben.

Deutschland steht mit seinen Zugangsvoraussetzungen zur Pflegeausbildung - es reicht eine abgeschlossene zehnjährige allgemeine Schulbildung, die unterschiedlich nachgewiesen werden kann - europaweit alleine da. Alle anderen EU-Länder schreiben eine zwölfjährige Schulbildung vor und eine generalisierte Grundausbildung gibt es dort schon längst. Die Ausbildung der Pflegefachkräfte erfolgt zumeist in akademischen Ausbildungsgängen mit einem Bachelorabschluss. Eine Spezialisierung auf die differenzierten Bereiche erfolgt im Rahmen der Erwerbstätigkeit.