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SPD-Landesparteitag: „Wir erarbeiten uns weiterhin Ihr Vertrauen“

Der SPD-Landesparteitag am 13. Juni 2015 war ein wahrer Arbeitsparteitag. Es wurden zahlreiche Grundsatzdebatten geführt und viele Beschlüsse gefasst. Ganz deutlich wurde: Wir sind eine moderne Großstadtpartei. Wir sind die Berlin-Partei.

Die 225 Delegierten beschlossen Positionen zu großen Themen: Friedens- und Flüchtlingspolitik, Strategien gegen Rechtsextremismus, Bezirksfinanzen, etc. Eine Grußbotschaft überbrachte der Betriebsratsvorsitzende des Siemens-Gasturbinenwerks und bat um Unterstützung bei der Arbeitsplatzsicherung der Beschäftigten.

Stöß: SPD hat "Selbstbewusstsein getankt"

Zunächst hatte allerdings SPD-Landesvorsitzender Jan Stöß das Wort. Die SPD hat „Selbstbewusstsein getankt“ und ist „auf gutem Weg, die Abgeordnetenhauswahl in einem Jahr zu gewinnen“.

Er lobte den Regierenden Bürgermeister Michael Müller, der sich aufgrund des kategorischen Neins der CDU im Bundesrat bei der „Ehe für alle“ enthalten musste. "Mit welcher Ernsthaftigkeit, Entschlossenheit und Engagement unser Regierender Bürgermeister dafür gekämpft hat, dass es ein Ja geben kann, dafür haben wir großen Respekt" - lang anhaltender Beifall verdeutlichte die Zustimmung im ganzen Saal. Jan Stöß knöpfte sich die CDU wegen ihres Neins zur „Ehe für alle“ vor. „Was sich die CDU in den letzten Tagen und Wochen geleistet hat, ist ein Beispiel dafür, dass sie keine Großstadtpartei ist.“ Er kritisierte auch, dass es kein vernünftiges Argument gegen die Ehe für alle gegeben habe, sondern immer nur rein formalistische Argumentationen. Die Drohung der CDU mit dem Koalitionsbruch hat die weitere Zusammenarbeit nicht einfacher gemacht. Später wurde über einen Antrag der Arbeitsgemeinschaft QueerSozis abgestimmt. Dieser enthält ein klares Bekenntnis zur gleichgeschlechtlichen Ehe. Der Initiativantrag 1, den Fraktionszwang bei der Abstimmung über die Ehe für alle im Bundestag aufzuheben, wurde einstimmig beschlossen.

Es folgte ein Ritt durch die, dank der SPD, erfolgreichen Landespolitik: Zwei Milliarden Euro Schuldentilgung bei gleichzeitigen Investitionen in dieser Legislaturperiode, Besserung auf dem Arbeitsmarkt und bald auch in der Wohnungspolitik. Schon jetzt stehen Mietpreisbremse und die jüngste Einigung mit der BImA auf der Habenseite. Jan Stöß bedankte sich für die hohe Empathie, mit der die BerlinerInnen die hier lebenden Flüchtlinge unterstützen.

Während des Parteitages wurde Werner Ratajczak mit der Willy-Brandt-Medaille als höchste Ehrung der Partei geehrt. Werner hatte vor 16 Jahren mit der Sammlung von Spenden zur Unterstützung von ehemaligen Zwangsarbeiterinnen von der Krim begonnen und ist damit ein Vorbild für Frieden und Aussöhnung. Nie wieder sollte eine Mutter ihren Sohn durch Krieg verlieren. Insgesamt, so Werner Ratajczak konnten 23.400 Euro gesammelt werden.

Durch den früheren DGB-Vorsitzenden Michael Sommer wurde der ehemalige Gewerkschaftsvorsitzende Wilhelm Leuschner, der am 29. September 1944 in Berlin-Plötzensee von den Nazis hingerichtet wurde, geehrt. Leuschner habe sich die Nazis, im wahrsten Sinne des Wortes, zu Todfeinden gemacht, einmal als hessischer Innenminister, aber auch als Vertreter der deutschen Gewerkschaften bei der Internationalen Arbeitsorganisation, als er sich weigerte, den Platz für den Vertreter der Nazis frei zu machen. Sommer bezeichnete Leuschner als einen extrem bewussten und kämpferischen Sozialdemokrat und Gewerkschafter zugleich. Leuschner sei der Vater der Einheitsgewerkschaften, so Sommer. Nach der Entlassung aus dem KZ organisierte er den Widerstand und gehörte zu den Verschwörern des 20. Juli. "Wir gedenken Leuschner in großer Dankbarkeit."

Steinmeier: Deutschland nimmt Verantwortung für den Frieden in der Welt wahr

Mit tosendem Applaus wurde Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier empfangen. Auch Steinmeier bestätigte Michael Müller, einen guten Job als Regierender Bürgermeister zu machen. Er habe in der CDU lange keinen solchen Widerstand erlebt wie gegen die Öffnung der Ehe. "Nicht alle haben begriffen, dass sich die Gesellschaft nach vorne bewegt", sagte er.

Ansonsten betonte Frank-Walter Steinmeier, dass er in der Außenpolitik derzeit wenig Licht erkenne. "Ich kann mich an keine Zeitphase erinnern, in der wir so viele, so ernsthafte und so komplexe Krisen rund um den Erdball hatten".

Steinmeier erinnerte an die Ausgangslage des Konflikts in Europa, die gewaltsame Änderung der Grenzen in Europa vor 70 Jahren. Deutschland habe sich immer dafür eingesetzt, den Gesprächsfaden zu Russland nicht abreißen zu lassen. Erstmals seit Ende des Kalten Krieges habe sich jedoch ein Mitgliedsstaat der OSZE gegen die Vereinbarungen gestellt. Russland bleibe ein Nachbar der EU, deshalb gebe es gar keine Alternative dazu, als die Gespräche weiterhin zu suchen. "Es kann keine militärische Lösung geben, sondern nur eine politische." Nur mit einem Waffenstillstand könne es Regionalwahlen in der Ost-Ukraine geben und weitere Verhandlungen. Frieden müsse aus einem Konflikt heraus „immer hart erarbeitet werden“ - so auch im Hinblick auf die Ukraine. Ein gutes Verhältnis zu Russland bleibe sein Ziel, aber „zu einem Verhältnis gehören immer zwei“, und zum Erbe von Willy Brandts Ostpolitik gehöre nicht nur ein freundlicher Umgang mit Russland, sondern auch das Bewusstsein für die internationalen Spielregeln. Die „geschickte Balance“ von Druck einerseits und Verhandlungsbereitschaft andererseits habe immerhin einen Anknüpfungspunkt geschaffen, um den Konflikt unter Kontrolle zu halten. Europa habe schon wegen der geografischen Nähe gar keine andere Option, als sich in irgendeiner Weise mit Russland zu arrangieren.

Europa werde in diesem Jahr erheblich unter Druck kommen, so Steinmeier. Der Außenminister plädierte für den Verbleib Griechenlands in der Eurozone. Alles andere könne das Ansehen Europas in der Welt beschädigen. Die Außenwirkung eines Ausscheidens wäre katastrophal. Bei anderen Großmächten würde die Botschaft ankommen, dass die EU ein Mitglied fallen lasse, das für gerade einmal 1,3 Prozent der europäischen Wirtschaftsleistung stehe. Später wird über den Antrag 108 debattiert, der Reparationszahlungen an Griechenland behandelt. Steinmeier nannte zwei mögliche Szenarien: Zum einen sei es möglich, mit verantwortbaren Verhandlungsergebnissen Griechenland in der Euro-Zone zu halten, mit Großbritannien zu vernünftigen Verhandlungsergebnissen zu kommen und bei den Wahlen in den großen Flächenstaaten Rückhalt für Europa zu bekommen. Es könne aber auch das Gegenteil eintreten:  Wir verlieren Griechenland, eine Verständigung zwischen Großbritannien und Europa wird schwierig, in den großen Flächenstaaten setzen sich eurokritische Stimmen durch. Deshalb werde alles daran gesetzt, zunächst mit Griechenland zu einer Lösung zu kommen.

In Syrien habe der Krieg mittlerweile elf Millionen Menschen obdachlos gemacht. Steinmeier dankte für die, auch in Berlin, vorhandene Bereitschaft, den Flüchtlingen zu helfen. Das sei menschlich, sei aber auch ein wichtiges Argument wenn er in Brüssel eine gerechtere Verteilung der Flüchtlingsströme innerhalb der EU fordere. Deutschland nehme seine Verantwortung wahr, u.a. auch hinsichtlich eines Einigungsversuches der verfeindeten libyschen Milizen, die hier in Berlin zum ersten Mal alle gemeinsam an einem Tisch gesessen haben.

Steinmeier warb eindringlich für eine Aufnahme von Flüchtlingen in Europa. Er hielt ein überzeugendes Plädoyer für „gesteuerte Zuwanderung“ angesichts einer Welt, „die aus den Fugen geraten zu scheint“. Es gebe in der Außenpolitik nie eine Erfolgsgarantie, deshalb nichts zu tun, wäre aber falsch. Wenn sich Europa mit seinen ethischen Maßstäben ernst nehme, stehe bessere Lebensrettung obenan. Aber danach gehe es auch um die Unterstützung der Länder, die die Flüchtlinge zuerst aufnehmen. Für 60 Prozent aller Flüchtlingskinder, die im Libanon zur Schule gehe, finanziere Deutschland den Unterricht. Noch wichtiger sei jedoch die Verbesserung der Situation in den Heimatländern. Dies sei nicht einfach. Aber zum ersten Mal sei es beispielsweise jetzt gelungen, die vier großen lybischen Konfliktparteien an einen Tisch zu bringen. "Und dieser Tisch stand in Berlin." Dabei sei noch kein Frieden geschaffen worden, aber es gehe um den "Anfang von etwas". "Und in der Politik müssen wir wieder mehr Anfänge schaffen", sagte Steinmeier.

Steinmeier warb darum, das große friedenspolitische Erbe von Willy Brandt anzunehmen. "Bei allem Licht und Schatten bin ich froh, in Regierungsverantwortung zu sein."

Die Beschlüsse des SPD-Landesparteitages: Zu finden unter SPD-Berlin.de

Flüchtlingspolitik: Die Berliner SPD beschloss eine Resolution zur Flüchtlingspolitik. Wir wollen eine menschliche Flüchtlings- und Einwanderungspolitik in Berlin. Wir wollen keine weiteren kommerziellen Gemeinschaftsunterkünfte sondern bewährte Betreiber aus der Wohlfahrtspflege. Alle wissen um die Prüfung der fragwürdigen Vergabe von Aufträgen an private Betreiber von Unterkünften durch die Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales. Senator Czaja (CDU) wird mangelnde "Empathie" im Umgang mit den Asylsuchenden vorgeworfen, so fehle noch immer die elektronische Gesundheitskarte nach dem „Bremer Modell“. Innensenator Henkel (CDU) wird vorgeworfen, die Ausländerbehörde zu keiner Willkommensbehörde umzubauen. Geflüchtete Frauen oder Homosexuelle brauchen einen besonderen Schutz. Die Spielräume bei der Ausländerbehörde würden nicht genutzt, wenn es darum gehe, Flüchtlinge mit Arbeitsgenehmigungen auszustatten. "Arbeit kann vielen Menschen helfen, ihre Traumata zu verarbeiten." Die Wirtschaft sei bereit, den geflüchteten Menschen eine Perspektive zu geben. Die Ausländerbehörde müsse dies unterstützen. Nur die Hälfte der Geflüchteten habe eine Arbeitserlaubnis. "Das ist ein Skandal". Hier müsse sich die Haltung in der Ausländerbehörde ändern. Gefordert wird eine Erweiterung des Resettlement-Programms und es sei ein Fehler gewesen, statt der Rettungsaktion Mare Nostrum den Grenzschutz zu stärken.

Gegen Rechts: In einem umfangreichen Paket für einen verschärften Kampf gegen Rechtsextremismus fordert die SPD in ihrem einstimmig angenommenen Antrag. . Herzstück ist die Stärkung der Demokratieförderung als Querschnittsaufgabe, von der Kita bis zum Beruf. Gefordert wird eine sichere Finanzierung von Beratungsstellen und Projekten gegen Rechts und mehr Opferschutz. Dieser Antrag wurde seit 2013 vorbereitet, eine breite Lageanalyse erstellt. Es geht auch um mehr als um die organisierte Rechte, es geht allgemein um Zugehörigkeit und Ausgrenzung, auch um religiöse Fragen. Notwendig ist ein Landesantidiskriminierungsgesetz, welches die Bereiche Bildung, Gesundheit, Vergaberecht und Soziales einbezieht und den Zugang zu öffentlichen Gütern und Dienstleistungen sowie allgemeine Verwaltungsverfahren absichert.

Friedenspolitik: Der Landesparteitag nimmt den Antrag „Friedenspolitik aktiv gestalten!“ nahezu einstimmig an. Es geht um den Ausbau der zivilen Krisenprävention, die Entwicklung einer ressortübergreifenden Strategie für Friedensförderung und Krisenprävention, internationale Organisationen sollen gestärkt und ausgebaut werden, also um „abrüsten, abrüsten, abrüsten".

Unter Bezugnahme auf die Rede von Steinmeier wird herausgestellt: "Unsere friedenspolitischen Prinzipien sind geblieben, aber die geostrategischen Rahmenbedingungen haben sich geändert." Der Antrag versuche auch nicht auf alles Antworten zu geben. So müsse weiter über die Frage diskutiert werden, wie man mit Konfliktparteien umgehen solle, die sich den Gesprächen verweigern, wie dies etwa der Islamische Staat tue. Der Antrag sei ein gelungener Kompromiss zwischen den verschiedenen Positionen, von Pazifismus bis hin zum Militäreinsatz als ultima ratio, wie sie auch in der SPD-Landesgruppe im Bundestag vertreten werden. .

Geld für Bezirke: Ziel des Leitantrag "Starke Finanzen im Land und in den Bezirken" ist es, die Bezirke auskömmlich zu finanzieren. In einer wachsenden Stadt mit erheblichem Zuzug müsse auch der öffentliche Dienst mitwachsen. Dieser, die Bezirke mit mehr finanzieller Gestaltungsfreiheit ausstattende Antrag, war zuvor in allen SPD-Kreisen intensiv diskutiert worden. Etliche BezirksbürgermeisterInnen werben für dessen Annahme: Entscheidungen müssten vor allem dort getroffen werden, wo sie die BürgerInnen in ihrem Lebensumfeld erreichten. Die Bezirke wollen künftig selbst MitarbeiterInnen einstellen, ohne die Senatsverwaltung um Erlaubnis zu fragen. Es wird bei den Globalsummen und ebenso bei der Kosten- und Leistungsrechnung bleiben. Diese müsse weiterentwickelt werden vom reinen Sparinstrument zu einem Gradmesser der Wirtschaftlichkeit. Ausgliederungen von Leistungen in öffentlichen Unternehmen sollen nicht mehr stattfinden.

Finanzsenator Matthias Kollatz-Ahnen betonte, dass es ohne die Konsolidierungsanstrengungen der vergangenen Jahre heute keine Spielräume gäbe. Die Konsolidierung des Landeshaushalts sei eine große Leistung der Sozialdemokratie, so Kollatz-Ahnen. "Wer hätte am Ende der Ära Diepgen gedacht, dass Berlin wieder in der Lage sein werde, seinen Haushalt selbst zu gestalten?". Nun gehe es darum, den Zweiklang von Konsolidieren und Investieren voranzutreiben. Er betonte die Notwendigkeit von Investitionen, etwa bei der Anschaffung neuer Züge der BVG. Keine Ebene dürfe sich auf Kosten der anderen sanieren. Nach den Jahren des Sparens könne die Stadt mit den wachsenden Einnahmen auch in die wachsende Stadt investieren. Beim Länderfinanzgleich zeigte sich Kollatz-Ahnen skeptisch, ob es eine Lösung bis zum 18. Juni geben könne. Es müsse sich um eine faire Lösung handeln.

Integration: Die Ausländerbehörde soll nach dem Wunsch der SPD der Innenverwaltung entzogen und dem Integrationsressort zugeordnet werden. Neuer Name soll "Willkommensbehörde" sein. Flüchtlinge sollen verstärkt in Wohnungen unterkommen.

Cannabis: Die Forderung nach einer kontrollierten Produktion und Abgabe von Cannabis ist an die Steuerungsgruppe Wahlprogramm 2016 überwiesen. Die SPD-Mitglieder werden in diesem Kontext darüber abstimmen, ob die Partei das Cannabis-Verbot kippen möchte oder nicht.

Vivantes / Impfen: Der Parteitag debattiert über die Gesundheitspolitik. Gefordert wird u.a. ein klares Signal des Parteitags für eine qualitativ gute Gesundheitsversorgung: Dem städtischen Klinikkonzern Vivantes soll verboten werden, Teile seiner Leistungen in Tochtergesellschaften auszugliedern und dort niedrigere Löhne zu bezahlen. Konkret geht es um Pläne, verschiedene Therapeuten so schlechter zu bezahlen. Außerdem setzt sich die Berliner SPD auf Bundesebene für eine Impfpflicht für alle Kinder ein.

Reisebusse: Die SPD erwartet ein neues Konzept für Reisebusse in Berlin. Es sollen nicht überall wahllos in der Stadt Haltepunkte eingerichtet werden dürfen, wie sie sich etwa am Alexanderplatz etabliert haben.

Spielhallen: Das Berliner Spielhallengesetz soll vom Senat evaluiert werden, ob es seinen Zweck wirklich erfüllt und die Flut der Spielstätten eingedämmt hat. Der Senat müsse sich mit einer Gesetzesnovelle auf den 31. Juli 2016 vorbereiten, wenn die Übergangsfrist ausläuft und zahlreiche Spielhallen schließen müssen.

Freihandelsabkommen: Es wird klar, dass sich die Berliner SPD sehr kritisch mit den geplanten Freihandelsabkommen befasst.